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reflux

Solidarisch mit Profit

 

Die entlarvendsten Meldungen, die enttarnendsten Zusammenhänge, die brutalsten Realitäten finden sich in den Randspalten, zwischen den Zeilen oder sowieso in der übermächtigen Fülle gänzlich unpublizierten Tatsachen, Aussagen und Ereignisse, die der massenmedialen Informationsselektion und der ihr impliziten Manipulation und Zensur zum Opfer gefallen ist. Das ist an und für sich nichts Neues, verdient im folgenden Kontext aber ob des Raritätswertes seines so offensichtlichen und dennoch quasi unkommentierten Zutagetretens Beachtung.

 

Wenn sie es nicht ohnehin schon permanent und ohne jegliches Verantwortungsgefühl oder Unrechtsbewusstsein, dafür aber in umfassender Ignoranz selbst täte, müsste man der folgenden Meldung tatsächlichen Informationswert einräumen, denn sie vermittelt präzise, worum – oder genauer: um wen – es der derzeitigen österreichischen Bundesregierung, allen voran SP-Kanzler Werner Faymann tatsächlich geht. Unter dem Titel „Solidarabgabe für Reiche?“ wird in der Kleinen Zeitung vom 13.1.2012 zunächst erklärt, eine solche könne es laut Faymann in Form einer „höheren Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes“ geben, „allerdings erst ab einem Einkommen von 200.000 oder 300.000 Euro“.

Die Verkehrung von Solidarität

Allein der Begriff schlug schon, als er vor einiger Zeit von der ÖVP als Reaktion auf die zaghafte Forderung nach Vermögenssteuer aufs Tapet gebracht wurde, dem Fass den längst nicht mehr vorhandenen Boden aus.

Dieser Vorschlag impliziert nicht nur eine gönnerhafte Freimütigkeit, mit der Superreiche nun vielleicht nachsichtig einen Obulus an die große Masse entrichten, jenen milden Spenden gleich, mit denen sie Jahr für Jahr das Licht marketingwirksamer Gewissensetikette in ihr unverrückbares Profitdenken zu bringen suchen. Milde Gaben nun also für den Rest der Bevölkerung, der selbstverständlich die aktuelle Misere zu verantworten und ergo auch auszubaden habe.

Die längste Zeit schon besitzt man die Frechheit, von der Gesamtbevölkerung „Solidarität“ einzufordern und ein Bankenrettungspaket nach dem anderen zu finanzieren, also den Reichsten ihren Reichtum zu erhalten, während die Armen als Folge davon immer ärmer werden (wie es auch der letzte Sozialbericht eindrücklich bestätigt)1. Es wird eine vorsätzliche und zynische Umkehrung der Tatsachen vorgenommen, denn ihr Vermögen vermehrt und gleichzeitig Krise über Krise zu verantworten haben eben die, die am meisten besitzen (nämlich soviel, dass es nicht einmal statistisch erfasst wird, während jede/r SozialhilfeempfängerIn mit unzähligen Kontrollen traktiert wird).

Mit jener gönnerhaften Überheblichkeit wird logischerweise nichts Anderes zu erreichen versucht – und es funktioniert ja schon die längste Zeit bestens – sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen, sowie Recht und Gesetz zu umgehen, indem man es gleich von vornherein nach eigenem Gutdünken konstruiert (darin hat man ja schon Übung). Jahrelang hat man Diebstahl am Besitz der Allgemeinheit begangen, am Vermögen aller, im größten nur möglichen Umfang. Aber was die Verläufe der darauf folgenden sogenannten Krisen auch gezeigt haben: Je größer die entwendeten Summen, je geringer die Konsequenzen für die TäterInnen. Wo man mit den realen Waffen des sogennanten Rechtsstaates zu Felde zieht, wenn es gilt, Eigentum der Vermögenden vor unbefugtem (?) Zugriff zu schützen2, brauchen sich jene keinerlei Sorgen zu machen, die öffentliche und offene Kassa verwechseln und sich in Maßanzügen und Designerklamotten daraus bedienen.

Entlehnungen …

Dieses völlig jenseitige Gönnertum verkörpert somit das genaue und absolute Gegenteil von Solidarität in all ihren Aspekten. Man bedient sich stattdessen auf manipulativste Weise eines Vokabulars, das nicht nur laut Wikipedia „eine, zumeist in einem ethisch-politischen Zusammenhang benannte Haltung der Verbundenheit mit – und Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer“ ausdrückt – anderer, wohlgemerkt, nicht der eigenen! Darüber hinaus ist der Begriff der Solidarität einem Diskurs entlehnt, gegen dessen Manifestation man seit jeher im Sinne des nun wiederum eigenen Reichtum- und Machterhalts alle nur verfügbaren Mittel einsetzt, bekanntlich ohne jegliche Rücksicht auf Verluste – mit Ausnahme der eigenen. Die ÖVP versucht mit dieser Implementierung, Umdeutung und damit Aneignung für die eigenen Bestrebungen jenen Machenschaften eine Verpackung zu verleihen, die zynisch das Gegenteil dessen suggeriert, was im Kern gemeint ist. Das ist zwar gänzlich inakzeptabel, aber längst nicht mehr weiter verwunderlich.

Die tatsächliche Unfassbarkeit besteht allerdings in der Tatsache, dass sich Werner Faymann in seinem grenzenlosen Opportunismus dieser ÖVP gegenüber nicht entblödet, gerade solches Vokabular – und damit selbst-verständlich dessen Inhalt – schlichtweg zu übernehmen. Wie weit muss man gesunken sein, um auf solche Pervertierungen auch noch als SP-Vertreter aufzuspringen? Offensichtlich auf Faymanns Niveau. Denn so etwas auch noch als Gerechtigkeitsvorstoß verkaufen zu wollen – mehr Hohn kann man einer Bevölkerung nicht entgegenbringen, von der eigenen WählerInnenschaft ganz zu schweigen, die man seit Jahrzehnten abwechselnd ignoriert, mit inhaltsleeren Floskeln und Rückgratlosigkeit abspeist oder gleich beschämt übergeht, weil das einstige Proletariat genauso wenig chic ist wie das aktuelle Prekariat. Diese Leute sind einem mittlerweile wohl peinlich (klar, den Leidtragenden sieht man ja auch an, was man selbst angerichtet hat), dass man damit die einstige eigene WählerInnenschaft in die Flucht schlägt, scheint niemanden innerhalb der roten Reihen zu kümmern, und falls doch, wird der/die Betreffende konsequent entfernt. Die ÖVP hingegen bedient ihre Klientel tatsächlich perfekt, von denen kann keiner klagen.

Eine Art von Gesetz

Weiter im Text: „eine Art ‚Solidarabgabe der Reichen‘“ könnte es „in einer höheren Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes geben“. Es sollen also nicht hohe Gehälter generell auch höher besteuert werden, nein, nur die Steuerbegünstigung für Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Superreichen wird also in Frage gestellt (durch diese reduziert sich der eigentliche Spitzensteuersatz von 50% auf einen tatsächlichen Satz von 38,4%!3) Dass dies alles in keiner Weise einer Vermögenssteuer entspricht, braucht wohl nicht extra erwähnt zu werden, denn bestehender Besitz wird ja nicht angetastet, von Immobilien- oder Erbschaftssteuer ganz zu schweigen (was man ja auch geflissentlich tut).

 

Stattdessen bemüht sich der sozialdemokratische Bundeskanzler schon im Vorfeld um Kalmierung, sollte es von eventuell Betroffenen, also den Reichen, oder deren politischer Lobby trotz soviel als Eigeninitiative zu verkaufen versuchtem Zukreuzekriechen doch noch Einwände geben: „allerdings erst ab einem Einkommen von 200.000 oder 300.000 Euro“. Ach eh erst. Na dann. Heißt also: wer, sagen wir mal, 150.000 Euro verdient ist nicht reich? Das sollte man mal all jenen MindestrentnerInnen, AlleinerzieherInnen, Arbeitssuchenden, Teilzeitbeschäftigten… erklären, die mit 300, 500, 700 Euro im Monat auskommen müssen, jenen (Leih)ArbeiterInnen und Prekarisierten, deren Einkommen exponentiell zu ihren explodierenden Arbeitszeiten und sich verschlechternden –bedingungen rapide sinkt oder allen EmpfängerInnen der ach so grandiosen Bedarfsorientierte (!) Mindestsicherung (ganze 752,94 Euro/Monat4 – zum Vergleich: die Armutsgrenze liegt bei 994 Euro5 – eine Summe, die als Mindestsicherung tituliert wird und das genaue Gegenteil dessen zementiert, nämlich Armut!), die nicht einmal eine 13. oder 14. Auszahlung erhalten!

 

Ein „Mitglied des Verhandlungsteams“ wird weiters zitiert, die Maßnahmen seien zeitlich befristet angedacht, „so lang, bis der Staat aus dem Gröbsten heraus ist“. Aha, danach erhalten die Reichen also auch diesen Bonus wieder zurück, als einen von unzähligen anderen. Wer fragt, wann man mit 700 oder auch 1000 Euro „aus dem Gröbsten heraus“ ist? Keiner, weil die Antwort, die da nie lautet, keinen interessiert, zuwenig Konsumfähigkeit, ergo für die Reichen zuwenig profitabel, also Ausschussware, menschliche halt. Und auch „dem Staat“ ist es mittlerweile egal, jedenfalls seiner Regierung, allen voran einem Bundeskanzler Faymann, der sich sozialdemokratisch schimpft. Zur Erinnerung: Wann zahlen die Banken ihre Rettungsschirme zurück, die die sogenannten Schuldenkrisen überhaupt erst verursacht haben? Ebenfalls nie, denn keiner hat eine solche Verpflichtung, oder auch nur Einschnitte, staatliche Mitbestimmung in Aufsichtsratsgremien etc. zur Bedingung gemacht. An soviel Zynismus und Menschenverachtung ist weder etwas Demokratisch und schon gar nichts Sozial. Was den Herrn Bundeskanzler aber nicht weiter stören dürfte.

 

Evelyn Schalk

 

 

1  Vgl. hierzu: www.armutskonferenz.at, hier sind sowohl der letzte Sozialbericht als auch folgender, äußerst empfehlenswerter Text zugänglich: Martin Schürz: Vermögen nach der Krise. Eröffnungsrede der Salzburger Armutskonferenz 2011.

2  Etwa vor jugendlichen Supermarktdieben, deren man sich (siehe Krems, 2010) schon mal mittels Schuss in den Rücken entledigt was das rechts-staatliche Volksgewissen in Gestalt von Krone-Kolumnist Michael Jeannée mit „Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zum Sterben“ billigt. Wie allgemeingültig das wohl gemeint war?

3  Dies gilt für Einkommen ab 60.000 Euro und liegt somit nur knapp über dem Steuersatz für kleine Einkommen (also zwischen 11.000 und 25.000 Euro), der 36,5% beträgt.

4  http://www.arbeiterkammer.at/online/mindestsicherung-wer-bekommt-wie-viel-56975.html

5  Vgl.: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/armut_und_soziale_eingliederung/index.html


>> Quelle: Medienkooperation mit Ausreißer, Die Grazer Wandzeitung


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[Artikel/ausreißer/09.02.2012]





    Artikel/ausreißer


    30.06.2014 ausgabe #58. editorial. evelyn schalk

    04.03.2014 Die kritische Masse

    05.03.2013 streik

    04.06.2012 unter welchem dach?

    09.02.2012 reflux

    14.10.2011 Die extreme Mitte

    25.07.2011 Bis an die Grenzen

    05.07.2011 „die welt steht still“

    27.04.2011 Wo woar mei Leistung?

    03.02.2011 Ordnungsfragen, Antwortzucht

    10.12.2010 Im Fluss

    08.10.2010 IN THE HEAD LINE OF FIRE

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