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Die extreme Mitte

Bequem, geschützt, sicher – das ist es, was gemeinhin mit „der Mitte“ assoziiert wird. Außen rum eine Pufferzone, die jede Erschütterung abfedert und innen drin ist’s wohlig warm. Dieses Bild konstituiert das österreichische Identitätskonstrukt nach 1945. „Liegst dem Erdteil du inmitten, einem starken Herzen gleich…“ Zwischen den kalten Kriegsfronten abseits der Schusslinie, die man ein paar Jahre früher an vorderster Front bevölkerte (auch und gerade wenn dieser Zustand kurz darauf dem allumfassenden nationalen Vergessen anheim fiel), wähnte man sich in Sicherheit. Und übersah die Gräben, die sich mit beharrlicher Kontinuität – die man angeblich ja so schätzt, allerdings nur, solange sie nicht Konsequenz heißt – immer weiter auftaten. Klar, nicht nur innerhalb der engen österreichischen Grenzen, sondern weltweit. Aber was interessiert diesen Zwergenstaat schon, was sich jenseits seiner Mauern (trotz braver Vorhangfallbeklatschung), die nahezu ungebremst in den kirchenglockenverhangenen Himmel wachsen, abspielt? Eben. Wenn auch alles Jenseitige hier dauerhaft stabile Hochkonjunktur hat. Noch so ein Lieblingsbegriff der ÖstereicherInnen – Stabilität über alles! Selbst wenn von einer solchen längst nur mehr die Begriffshülse ihrer Bedeutung gerecht wird. Stabil und ewig jedoch – mit Ewigkeit hat man in diesem Land ja auch so einiges am Trachtenhut –, sind die ungerechten Verhältnisse, die Vermögensverteilung, die ein paar ganz wenige unglaublich (Gläubigkeit zählt ebenfalls zu den Grundbausteinen des österreichischen Systems, vornehmlich als Wissensersatz) bevorteilt. Ausgeglichen? Starke Mitte? Lernen Sie Geschichte..! Was vielleicht vor Jahrzehnten noch einigermaßen zutreffend gewesen sein mag, ist längst demontiert, die Vermögen der Mitte haben sich jene zugeschanzt, die immer postulieren, diese Mitte stärken zu wollen. Eine Symbiose aus Politik, Konzernen, Banken hat das Schnitzel unter sich aufgeteilt, gleichzeitig sorgt man dafür, dass die konsumierende Zielgruppe – Stichwort Mittelstand – sich in jener heißbegehrten Sicherheit wähnt, während man ihr den Boden unter den bestandsfixierten Füßen wegzieht.[1]
Dass man dabei immer über die Leichen derer darunter geht, auf deren Kosten auch die ach so gemäßigte Mittelschicht ihren nun schwindenden Wohlstand aufbaut, nämlich jene der tatsächlich Armen, ist so alltäglich geworden, dass es offenbar nichtmal mehr einer Erwähnung dieser sich kontinuierlich vergrößernden Gruppe bedarf, ist sie doch umsatztechnisch schlicht irrelevant. Doch stopp, klar erwähnt man sie, immer wieder und unermüdlich sogar, nämlich dann, wenn es darum geht, wieviel die, die ohnehin nichts haben, jene, die von neoliberalen Rechtswegen begünstigt sind, kosten. Sozialleistungen bergen doch nur Belastungspotential, Entsorgung kommt billiger als Durchfüttern. Wer nichts hat, ist selber schuld, so einfach ist das (und einfache Lösungen will diese Mitte immer, deshalb rückt sie ja weiter und weiter nach rechts). Direkter geht’s nicht mehr (Verschleierungstaktiken sind gar nicht mehr nötig, im Gegenteil): Finanzministerin Fekters Reaktion auf Bundeskanzler Faymanns zaghaften Vorstoß Richtung Reichensteuer: Spitzenverdiener und Unternehmen steuerlich weiter entlasten! Nur als Beispiel: „In den Jahren 2006 bis 2008 verbuchten alle österreichischen Raiffeisen Landesbanken […] zusammen Gewinne in der Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro. Dafür bezahlten sie Steuern von rund 19 Millionen Euro. Das ergibt einen Steuersatz von exakt einem Prozent“[2]. Da ist Entlastung natürlich unabdingbar. Gleichzeitig hält ÖVP-Klubchef Kopf fest, dass die Gleichheit aller doch per se kein Ziel sein könne[3]. Was will man mehr? Wovon sind solche Positionen denn die Mitte? Diese angebliche Mitte verkörpert das tatsächliche Extrem, und greift zum Erhalt der eigenen Vormachtstellung zu allen nur erdenklichen und andernorts gebrandmarkten Mitteln. Dafür, dass dieses Verhalten ohne negative Konsequenzen bleibt, hat man ebenfalls gesorgt, die Netzwerke der Macht funktionieren anstandslos. Bequem, geschützt, sicher. Aber wider das neoliberale Ewigkeitsdogma hat auch die Sicherheit der Profiteure Wachstumsgrenzen…

Evelyn Schalk


[1]    Wie bereitwillig diese solche Verluste akzeptiert, nur um den absurden Schein aufrecht zu erhalten, man gehöre doch irgendwie zur Elite, und sich dafür gänzlich in den Ruin treiben lässt, dazu siehe Ulrike Hermanns Publikation: Hurra wir dürfen zahlen! Die Selbsttäuschung der Mittelschicht. Westend 2010.
[2]    Hans Weiss: Schwarzbuch Landwirtschaft – Die Machenschaften der Agrarpolitik, Deuticke: 2010.
[3]    Der Standard, 15.9.2011

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[Artikel/ausreißer/14.10.2011]





    Artikel/ausreißer


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    14.10.2011 Die extreme Mitte

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    10.12.2010 Im Fluss

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