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postmodernes eisschlecken

Juchuuuh, der sommer zieht ins land...also, auf in den eissalon. einmal im jahr, gen saisonende geht es traditionellerweise nach wien, zum tichy..in der zwischenzeit müssen halt die grazer verhältnisse für ein auslangen sorgen.
es gibt vanille, stracciatella und pistazie...eine mannigfaltige bandbreite an irdisch-sinnlichen genüssen oder auch kälteeinflüssen.
(zugegebenermaßen: zu den apriorischen bedingungen zählen ein gewisser wärmepegel und die möglichkeit des wärmenden danach)
die angst davor, dass es bald sein könnte, dass nichts mehr stattfindet, also kein eishappening, versetzt den konsumenten in schaudern , doch im hier und jetzt kann er sich noch genüßlich laben. also ein zwiespältiges gefühl: lust und unlust... erraten: in der tradition der klassischen ästhetik hatte dieses gefühl einen namen: das erhabene
diese art des hier und jetzt läßt eine besondere art von präsenz fühlen: die apriorischen komponenten raum und zeit sind ja längst destruiert, zeit ist "in", oder noch besser (in abwandlung der wittgenstein´schen sprachspiele) zeitorte.
so sind zu unterscheiden:
die zeit der herstellung der eiscreme
die zeit des konsums der eiscreme
die zeit des diegetischen bezugs, der durch das eis asoziierten geschichten (also, narrative erklärungen gewisser vorlieben. warum nimmst du erdbeereis? weil andy warhol es jeden tag zu sich nahm)
die zeit des umlaufs (vom eishersteller bis zum endverbraucher)
und die zeit, die das eis selbst ist (eine kurze zeit unter sonneneinfluß)
im prinzip ist eis eine verkündigung des sommers, eines lebensgefühls,...die werbung macht es sich zu nutze und läßt eis als repräsentanten des sommers fungieren. eine wahre magische realität tut sich hier mit der gleichung eis= sommer auf.
eis , so wie es ist in seiner physikalischen nacktheit, symbolisiert nichts. es gibt da nichts zu interpretieren, es sei denn am geschmack zu kritisieren, aber das sind dann disputationen. eis überzeugt ganz einfach und weist uns eisschlecker auf seine unkonsumierbarkeit hin. der konsument konsumiert das unkonsumierbare, das eis in seiner bloßen, cremig-wässrigen wesensheit, i.e. materiellen konsistenz.
da hätten wir das nächste paradoxon, ja, diese lieben die postmodernen.
ausgehend von der prämisse, das nie etwas postmodern sein kann, bevor es nicht modern war, ist eisgenuß eine moderne aktivität, mit all ihrer sehnsucht und romantik an tage, als mensch sich mit natur und welt in eins fühlte. Postmodern wird es, wenn ich das eis esse, um mich, ohne sentimentalität wohlgemerkt, wiederzuerinnern, einen kampf gegen die anamnese führe. das vielfältige angebot mag gewissen postmodernen touch haben, aber im sinne eines "anything goes" (p.feyerabend), wodurch ein dahinschwimmen in einem platten oberflächenpluralismus zu befürchten ist, wäre dies nur ein unseriöser postmodernismus. obwohl einige innovative eiskreationen durchaus suspekt anmuten. aber die hippieske parole der posmoderne tendiert eher zu "back to the roots".
das massige angebot, unüberschaubar und schlichtweg überwältigend, kann zu einer dezentrierung der sinne, ja, zu einer dispersion des subjekts (hier: des möchte-gern-eisschleckers) werden, wodurch das ganze erhabene dilemma ausglöst wird. ein wesen ohne raum und zeit, das nur mehr in der simulation als real beweisbar gilt...ach, man tut sich verdammt schwer dem immer flüssiger werdenden eis herr/frau zu werden (die zeiten der neuzeitlichen moderne sind endgültig vorbei).diese charaktereigenschaft des gefrorenen nimmt wieder den schrecken, lust kriegt die oberhand. anfangs noch erschlagen vom kapitalistischen angebot transformiert sich das eis. es findet eingang in den verdauungstrakt des menschen und wird zu einer sinnlich wahrnehmbaren präsenz im körper.
intensität, energie ist entstanden. die spannung des Geschieht es? , nämlich dass ich jemals an die reihe komme und mit einer tüte eis weggehe, als das zwischen angst und lust gespannte warten auf das unerwartete (ich sehe, dass eine neue geschmacksrichtung angeboten wird), hat sich intensiviert und ereignet sich quasi als fragezeichen bevor ich überhaupt die frage an die eisverkäuferin stelle, ob sie mir wohl eine kugel eis um 10 cent billiger geben könne.
und dies alles, weil meine vierjährige tochter mich fragte: "was ist schönheit?". sofort bereit eine kantgemäße erklärung mittels harmonischem zusammenspiel von verstand und einbildungskraft zu liefern, fiel mir endlich die konsumierbarkeit des schönen auf. schönheit ist ein marktwert. die zweite ästhetische kategorie, die erhabenheit (le sublime), reibt sich an den grenzen und übergängen die seele wund. definitives schlußplädoyer: eiscreme muß etwas erhabenes an sich haben. ...




[Kolumne/dage/29.04.2004]





    Kolumne/dage


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    29.04.2004 postmodernes eisschlecken

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