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Triple E – Experiment, Engagement, Enttarnungen

Der Experimentalfilm-Block 1 der Diagonale 2012 ist absolut sehenswert. Subtile Bildarbeit zeichnen alle fünf gezeigten Filme aus, ebenso wie viel Engagement und bereichernde Materialverschränkungen.
Vor allem "Heldenkanzler" von Benjamin Swiczinsky ist eine mutige und notwendige Auseinandersetzung mit der noch immer kaum aufgearbeiteten Zeit des Austrofaschismus. Der Filmemacher setzt dabei auf das Mittel der Satire, kombiniert jedoch die gezeichneten Sequenzen mit historischen Originalaufnahmen und lässt keinen Zweifel am gezielten Aufbau eines faschistischen Systems und der Rolle, die die katholische Kirche dabei einnahm. Gleichzeitig wird – dafür ist das Mittel der Satire wiederum bestens geeignet und erprobt – die nostalgische Verklärung decouvriert, die die Mordmaschinerie in walzerseligen Patriotismus packte und deren Ausleger auch heute noch nicht restlos getilgt sind. Die seltenen Fälle, in denen man sich mit dieser Thematik kritisch auseinandersetzt, fallen einem dabei ein, etwa die "Staatsoperette", die bei ihrer ORF-Ausstrahlung 1977 für einen veritablen Skandal sorgte. Der Titel mag Assoziationen zu "Heldenplatz" evozieren bzw. verweist er in seiner satirischen Umsetzung auf die Ästhetik einschlägiger UFA-Produktionen. Das Schwarzweiß, in dem der Film gehalten ist, wird mit gezielten roten Einsprengseln kontrastiert, ganz im Stil der Propagandaplakate der Zeit.
Die Gefahr, Dollfuss als Mini-Kanzler in Animation zu verniedlichen, wird der schonungslose Einsatz besagter Originalaufnahmen entgegengestellt, die die Brutalität und die Dimensionen des von ihm errichteten Regimes unmissverständlich vor Augen führen. In dem Moment, in dem er seine Machtfantasien verwirklicht sieht – "Ich bin der Größte!" –, also den Pakt mit Mussolini besiegelt, fällt der Schuss, der ihm nur noch für das Verlangen nach einem Priester Atem lässt, um mit dem zweiten getötet zu werden. Die Leinwand wird nun gänzlich rot und im Abspann erklingt der Donauwalzer... Was sich vielleicht in der Schilderung etwas platt ausnimmt, funktioniert auf der Leinwand äußerst gekonnt und souverän. Vor allem, da zwar explizit die historische Situation behandelt wird, jedoch die Darstellung der Motivation sowie der Schritt für Schritt erfolgenden Demontage rechtsstaatlicher Institutionen hin zu einem totalitären Regime durchaus auch als Warnung fürs Heute gelesen werden kann: wie eine solche nach und nach erfolgt – und mit welchem Ergebnis.

"Conference (Notes on Film 05)" von Norbert Pfaffenbichler hingegen arbeitet ebenfalls mit Originaldokumenten – allerdings filmischen. Hitler-Darstellungen der Schauspielgeschichte werden in grobkörnigem Schwarzweiß verschnitten, die tönenden Worte des Diktators bleiben Rauschen, überhaupt wird in den ersten drei Filmen dieses Diagonale-Blocks weitgehend auf Sprache verzichtet bzw. diese sehr reduziert eingesetzt. Leeres Knacken begleitet in "Conference" auch das Einschalten des Radios und generell die Darstellung der medialen Übertragung der tödlichen Propaganda. Doch auch der Applaus der Massen verklingt als unbestimmtes Rauschen im Äther.

Die Geräuschkulisse ist es, die gleich zu Beginn beinahe zwangsweise die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, als spontanen Impuls Ablehnung auslöst, dem Dröhnen der Maschinen möchte man sich entziehen, wenn die ersten Bilder von Katharina Gruzeis "Arbeiterinnen verlassen die Fabrik" auf der Leinwand auftauchen. Doch auch diese lösen denselben Reflex aus, diese gleißenden, flackernden Neonlichter, die jene Einstellungen dominieren und jeweils nur kurzfristig die Szenerie künstlich erhellen. Dass die Arbeit eine Auseinandersetzung mit Lumières berühmten Aufnahmen von 1895 aus der Entstehungszeit des Filmes darstellt, liegt auf der Hand oder besser gesagt der Leinwand. Spannend ist hier die Dramaturgie, die erst vereinzelten Personen, die immer mehr werden, sich zu einer dichten Gruppe formieren und voranschreiten, schlendern, nicht nur Frauen, auch Männer mischen sich unter die Arbeiterinnen, die durch keine Äußerlichkeit als solche zu erkennen sind. Während sie unterirdisch, so scheint es, dem Ausgang zustreben verschmilzt der Rhythmus ihrer Schritte, das monotone Dröhnen der Maschinen, das Flackern des Lichts zu einer Komposition, der man sich nur schwer entziehen kann, zitiert werden einmal mehr Mensch und (hier unsichtbare) Maschine, und einmal mehr stellt sich die Frage nach dem Verhältnis, nach Unter- und Überordnung, Interessen, Alltag und Einschnitten. Eine Zäsur ist der Moment, als die Gruppe ans Tageslicht tritt – Schweigen setzt ein, nur das leise Surren der Filmspule ist im Kinosaal zu hören. Lautlos treten sie durchs Ausgangstor, löst sich die Menge, zerstreut sich in die verschiedenen Richtungen. Ebenso geräuschlos schließt sich das Fabriksgitter hinter der letzten – und nur, wenn man aus der Vorinformation entnommen hat, dass es sich um die 2009 stillgelegte Linzer Tabakfabrik handelt, weiß man, dass es für immer ist.

In "Protest ohne Ästhetik und Form" lässt Manfred Rainer einen Protagonisten von einer Protestgruppe erzählen, die sich angeblich 1999 in Warschau formierte, heterogen, der "kleinste gemeinsame Nenner" die nicht näher definierte Ausrichtung gegen das kapitalistische System, wissend um die permanente Gefahr der Vereinnahmung durch eben jenes und die, zum Teil wiedererkennbar, zum Teil rührend naiv anmutend, sich einer solchen zu entziehen. Am Ende eine doppelte Dialektik des Scheiterns, das Aufrechterhalten des eigenen Wissens um die Fortsetzung des Protests und die bittere Erkenntnis, dass es (so) allein beim eigenen Wissen bleibt.  

Oliver Resslers und Zanny Beggs "The Bull Laid Bear" verschränkt satirische Animation mit Doku-Interviews und lässt beim Zusehen blanke Wut aufkommen. Nachvollziehbar, eindrücklich und unmissverständlich legt der US-Kriminologe William K. Black für Wirtschaftsverbrechen offen, welcher Wahnsinn den Bankenrettungen zugrunde liegt, wie deren Profiteure sich doppelt und dreifach Unsummen an Steuergeldern unter den Nagel reißen und es überhaupt dazu kommen konnte, dass aus einer Bankenkrise eine (Staats-)Haushaltskrise wurde. Man fragt sich, und beantwortet sich die Frage im selben Gedankengang damit selbst, wie es sein kann, dass derlei Zusammenhänge jahrelang nicht öffentlich gemacht wurden, dass Medien der Propaganda – denn um nichts anderes handelt es sich hierbei – von Banken, Konzernen und vermeintlich von diesen abhängigen Regierungen unhinterfragt in Diktion und Inhalt folgten und als Tatsachen verbreiteten, was sich als das genaue Gegenteil dessen erweist. Ressler und Begg verschränken Satire und Aufklärung, also Information im besten Sinn – ein Film, der in sämtlichen Lehrplänen als Pflichtprogramm aufgenommen werden sollte! (Man könnte darauf hoffen, wären diese nicht ebenfalls part of the game...)

http://ausreisser.mur.at/online/diagonale-online-special/triple-e-2013-experiment-engagement-enttarnunge/


Evelyn Schalk


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[Kolumne/schalk/23.03.2012]





    Kolumne/schalk


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    23.03.2012 Triple E – Experiment, Engagement, Enttarnungen

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