kig Kultur in Graz. Plattform f?r interdisziplin?re Vernetzungsarbeit.

Lesen Programm Kulturarbeit Kurse Ausschreibung Jobs ausLage ?ber uns Links




´^` zurück    ! neu...     * alle kategorien


Zum Auftakt lodert die Sparflamme

Diagonale-Eröffnung 2012

Südliche Gefühle kamen keineswegs auf bei der Eröffnung der Diagonale 2012, auch wenn der Film des Abends den Titel "Spanien" trägt. Das mag einerseits an der Absenz eben jenes Spaniens liegen, das für den Hauptprotagonisten, der seinen Namen erst im Abspann zugeschrieben bekommt, zumindest für die Dauer des Films unerreichbar bleibt, womöglich auch an den bis auf wenige Sequenzen unterkühlt gezeichneten Figuren, die zu den warmen Brauntönen kontrastieren, die den Streifen etwas überinszeniert dominieren oder an der Stille, auf die der Film setzt, die beinahe gänzliche Absenz von Sprache, die, wenn sie doch einmal zum Einsatz kommt, hohl klingt, ja gewalttätig bzw. auch hier zu bemüht um Bedeutungsaufladung (bei gleichzeitiger Negation eben jener). Etwa wenn von der Protagonistin, Restauratorin und Ikonenmalerin, der selbst namenlos bleibende Hauptdarsteller sagt, wiederum ihren Namen nie gekannt, nie mit ihr gesprochen (wohl aber, wie man sieht, mit ihr geschlafen) zu haben. "Magdalena" hingegen besteht ihr gewalttätiger Ex-Mann, die Fußwaschungsszene mit der Prostituierten ist zu dick aufgetragen, zu oft gesehen solche Szenerien, das Spiel mit katholischer Metaphorik gar zu gewollt.
Das Schweigen bleibt Rückzug, das Scheitern des Spielers, das sich am Ende als Ausgangspunkt des Films erweist und aufdröselt, wie die Zeitebenen ineinander geschoben und Handlungsfäden versponnen wurden, ist ein ebenfalls sehr bemüht kritisches. Subtiler lässt sich vielleicht der Background auslegen, die heile Familie, ja sogar das Glück in der Ehe, und trotzdem. Gerade deshalb. Sie, die nicht hinterfragt, sich um die Kinder kümmert, mehr weiß man nicht über die liebende Ehefrau, nur dass sie ihm blind, so blind, vertraut. Und damit als Gesprächspartnerin auf Augenhöhe ausscheidet.
Um den illegalen namenlosen Protagonisten lichtet sich das Schweigen ebenfalls nicht, er selbst hält es aufrecht, woher er kommt (an einer Stelle des Films erhält man wie nebenbei einen Hinweis darauf) ist unwichtig, wichtig ist ausschließlich das Ziel. Sein Steckenbleiben auf halber Strecke verursachen Menschen um ihn herum, die Verhältnisse. Und immer wieder macht der Film leise, aber bestimmt deutlich, dass eben kaum etwas so ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Ums Schweigen ging es auch zuvor in der Laudatio von Jury-Sprecherin Konstanze Breitebner für Johannes Silberschneider, der heuer den großen Diagonale-Preis erhielt und nicht wusste, wohin er mit dem extra für ihn gestalteten Ungetüm von Elfi Semotan sollte. Dass Breitebner Silberschneiden "zuschaut, ohne nachzudenken", mag als Kompliment gemeint gewesen sein, offenbarte sich jedoch als enthüllender Ausdruck einer offensichtlich gängigen Praxis... Mit dem unwillkürlichen Attribut der Bescheidenheit, die für den Preisträger immer wieder als charakteristisch genannt wurde, hatte Breitebner ebenfalls ihre Probleme, passt eine solche doch so gar nicht in die Glamourwelt des Films, die rasch durch die mehrfach erwähnte Oscar-Nominierung des Streifens "Copyshop", in dem Silberschneider mitwirkte, wieder in den nüchternen Raum gebracht werden sollte. Bescheidenheit ist schließlich zumeist eine Folge des Nachdenkens, der Reflexion, doch wo ohnehin erst das Schauen und dann kein Denken kommt, braucht damit nicht gerechnet zu werden.
Silberschneider selbst parierte diverse Geistlosigkeiten mit einer kurzen, umso pointierteren Dankesäußerung und reklamierte seine schauspielerischen Mäanderschleifen durch die vielgestalten Untiefen der österreichischen Charakterentwürfe als Wegstrecke ins Jetzt und Hier. (Das Woher spielt in seinem Leben eine Rolle und ist doch Beleg, dass es nicht zählt. Hat es doch die Provinz in Mautern nicht geschafft, ihn daran zu hindern, sich auf die Offenheit und Sensibilität seiner Arbeit bravourös einzulassen. Wohl eher im Gegenteil, Bereicherung durch die Vielfalt der Menschen und Erfahrungen, lautet die Zauberformel.)

Keine Irrfahrt leistete sich Barbara Pichler in ihrer Einführung. Sie brachte die Verquickung ökonomischer Bedrängnisse und ihrer Instrumentalisierung durchaus zutreffend auf den Punkt, kritisierte das Gegeneinanderausspielen verschiedener Gesellschaftsbereiche, verwies auf die Funktion eines Festivals als öffentlicher Raum, diagnostizierte die unmögliche Situation, letztlich nur mehr Verwalter des Mangels zu sein und setzte auf die alte Dialektik zwischen Umsetzungsfaktoren und Utopie, also Idee, Triebkraft etc. in Form der Cinephilie. Schön und gut, ja, eh. Mehr Engagement im Vortrag, mehr Enthusiasmus hätte man sich gewünscht, selbst wenn die Stimmung aufgrund des abgesprungenen Hauptsponsors A1 eher trist sein dürfte. Doch offenbar hat man sich von der Sparideologie ringsum anstecken lassen – bei vollem Bewusstsein des Irrsinns selbiger? Keine Rede von Süden eben, statt dessen Abgeklärtheit, die sich immer breiter macht. Doch welcher Süden, welche Projektion? Die Regisseurin Anja Salomonowitz startet jene ihres Streifens mit dem Satz, sie freue sich, dass Spanien das Festival des österreichischen Films eröffne. Verhaltenes Gelächter im Publikum. Denn das Spanien jenseits feuchter Touristenträume liegt unterm Sand und als solches womöglich näher an der Stimmung vor Ort, als so mancher und manchem lieb sein dürfte.



Spanien
(AT 2011)
mit
Tatjana Alexander, die als lebendes Gemälde durch den Film gleiten darf und diesem dessen vielleicht stärksten Moment beschert, wenn sie endlich und doch überraschend Gleiches mit Gleichem vergilt
Grégoire Colin als schöner, fremder Cowboy, der entschlossen handelt und mit dem gehandelt wird
Lukas Miko, der als Spieler gegen die Vorhersehbarkeit der stillen Schlüsselrolle kämpft und in ihr aufgeht
Cornelius Obonya, der den brutalen Unsympathler erfolgreich aufrecht erhält
Wolf Bachofner, der vom geplagten Serien-Assistenten in "Schnell ermittelt" ins Priesterfach wechselt, wohlwollend, sich in eine Teilnahmslosigkeit fügend, sich wie selbstverständlich hinwegsetzend über eigentlich zu Erwartendes und mit dieser Selbstverständlichkeit Eigenständigkeit beweist
von
Anja Salomonowitz als junger Regisseurin, die dem Status Quo soviele Bedeutungen beimisst, dass für Auswege der Atem fehlt und in
Dimitré Dinev einen Co-Autor gefunden hat, der seine Engelszungen diesmal in beredten Bildern sprechen und schweigen lässt.


...




[Kolumne/schalk/21.03.2012]





    Kolumne/schalk


    09.03.2017 zur reform der presseförderung

    28.01.2016 Obergrenzen! Richtwerte! Maximalkontingente! Her damit! Sofort!

    03.09.2015 Über Grenzen des radikalen Herzschlags

    26.03.2012 Küchengespräche mit Rebellinnen

    26.03.2012 Sommer 1972

    24.03.2012 American Passages

    23.03.2012 Tlatelolco

    23.03.2012 Triple E – Experiment, Engagement, Enttarnungen

    21.03.2012 Zum Auftakt lodert die Sparflamme

    13.04.2008 Hausbesetzung von A bis Z

    09.12.2007 Outside the Land of Human Rights

    05.11.2007 Tocotronic – Just Play!

    17.03.2007 Wortfront: Lieder eines postmodernen Arschlochs

    20.03.2006 Michael Heltau (und die Wiener Theatermusiker): Best of Brel

    #modul=kig_rotation##where aktiv=1# #modul=kig_rotation#

    Volltextsuche
    KiG! Mailingliste: @

    CROPfm

    <#no_bild#img src={bild}>{text}
    <#no_bildklein#img src={bildklein}> {headline}





    KiG! lagergasse 98a - A - 8020 graz - fon & fax + 43 - 316 - 720267 KiG! E-Mail.