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Sommer 1972

(Wilma Calisir, AT 2011)
Premiere Diagonale 2012

Nah dran ist sie an ihren Protagonisten und Protagonistinnen, die Filmemacherin. Kein Wunder, ist es doch die Story ihrer eigenen Familie, die sie da erzählt, und ist mehr oder weniger ein innerfamiliärer Betriebsausflug. Allerdings ein äußerst gelungener. Denn Mut gehört trotz allem dazu, das ganze Panorama an Emotionen und Ressentiments nachzuzeichnen und in einer Vergangenheit zu wühlen, die aus heutiger Sicht betrachtet vielleicht nicht allzu spektakulär erscheint, aus der damaligen Perspektive jedoch – und der spürt die Regisseurin feinfühlig nach – durchaus von der provinziell geprägten Norm eines kleinen Ortes im Österreich des Jahres 1972 abwich.
Der Titel "Sommer 1972" evonziert erstmal, ironisch gewählt, tatsächlich Hippie-Assoziationen, nostalgisch-bunte Fantasiegebilde... Ganz soweit weg ist man damit ja auch nicht, wenn auch gewissermaßen in der austriakischen Light-Version zutreffend. Die Mutter der Regisseurin, die übrigens in großartigen Interview-Szenen immer wieder selbst zu Wort kommt, schließt sich in besagtem Jahr auf gut Glück ihrem Bruder an und fährt mit einer Gruppe junger Leute ans Meer. Doch nicht wie gerade Mode an die obere Adria, um sich mit Tausenden anderen in Caorle oder Jesolo in der Sonne zu wälzen, sondern einige Kilometer weiter, in die Türkei. Dort trifft sie jenen Mann, der ein paar Jahre später der Vater der Regisseurin werden sollte, Osman Calisir. Bilderbuch- und Postkarten-gerecht verlieben sich die späteren Eltern auf einem Fischerboot ineinander, ein paar Monate danach kommt er nach Waidhofen an der Ybbs, wo Wilmas Mutter lebt.
Nochmal: Ein kleiner Ort in Österreich 1972. Da ist's mit locker-toleranter Sommerlichkeit im allgemeinen, einige Ausnahmen gibt es glücklicherweise trotzdem, nicht weit her. Dass sich die Mutter durchsetzt und allen Widerständen zum Trotz ihren Osman heiratet, ist der eine Punkt, eine Schlüsselstelle im Leben und in den Erzählungen des Films.
Die zweite Spur, die die Regisseurin verfolgt, ist jene der Trennung.
Die akribische Recherche und die häufig (da sehr nahe, sehr unverschlüsselt geführte Gespräche) nur angedeuteten Verschränkungen von Außen- und Innenwelt einer Familie, offenbaren die Mechanismen, die bestimmend sein können für die Entwicklung von Lebensentwürfen. Dabei bleibt vieles ungesagt, eigentlich das meiste, zu persönlich. Den Grund ihrer Trennung wollen oder können weder Vater noch Mutter vor der Kamera in Worte fassen und auch die Schwester hegt Vorbehalte gegen die Öffentlichmachung und das erneute Zurückkommen auf die privaten Geschehnisse.
Doch Wilma Calisir schafft trotz vieler Aussparungen einen intimen Film, Roadmovie (auf den Spuren ihrer Mutter fährt sie mit ihrem Onkel, dem Bruder ihres Vaters, in die Türkei, wo sie weitere Verwandte trifft) und Spurensuche, die die Geschichte jenseits von vorschnellen Zuweisungen – wie auch dem Zuschauer, der Zuschauerin schnell klar gemacht wird – zwischen statischen Aufnahmen und dynamischen Sequenzen anschaulich vermittelt. Ebenso unaufgeregt, wie den Fakt, wie politisch das Private eben ist und immer sein wird – und wie privat Politik gemacht wird bzw. Politik und die Gesellschaft, die sie prägt, jenes Private tatsächlich beeinflusst.
Aber, wie in feinen Zwischentönen klar wird, auch umgekehrt.

http://ausreisser.mur.at/online/diagonale-online-special

Evelyn Schalk



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[Kolumne/schalk/26.03.2012]





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