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Wie Wahrnehmen in Vertrauen eingebettet sein kann
ÜBER DEN NEUEN ROMA-FILM VON NORBERT PRETTENTHALER
Ruud van Weerdenburg
Der Dokumentarfilm Bare Droma – Wanderungen von Norbert Prettenthaler (Buch, Regie) und Stefan Schmid (Kamera, Regie) versetzt den Zuseher im Kinostuhl in zumeist unterschiedlichste Empfindungen; dafür gibt es einen Grund: es gibt keinen wirklichen Grund, warum die für ihre Freude und Kreativität bekannten Roma-Kinder ihre Talente nicht ausleben können. Buchstäblich: es ist kaum Boden dafür vorhanden.
Allein die Lokations bewirken unterschiedlichste Reaktionen: Österreich, Rumänien. Ohne Zweifel haben wir es hier mit einem Road-Movie zu tun, in dem Musik zumeist an Ort und Stelle live gespielt wird. Man geht nicht auf Nummer-Sicher; selbst die zugespielten Tracks sind von Straßenmusikern in Graz aufbereitet.
Eine andere Art von Road-Movie – das politische Pendant zwischen existenzieller Gretchenfrage und Spagat-Stellung: welchen Raum gibt es zwischen Freiheit und Verbot, und wie wird dieser gleichzeitig entblößt.
Dieser Ebene wird Schritt für Schritt nachgespürt bis zu deren Entwirrung: als der Grazer Bürgermeister Nagl die Unterschriften von jenen Leuten annimmt, die die Bettler aus der Grazer Innenstadt loswerden wollen. Auch die Musiker sollten dabei mitausgekehrt werden. Ein schauriges Zeitdokument.
In dieser Sequenzen genießt man das oft zum Klischee gewordene Wunderbare am Film: es ist als wäre man selbst dabei. Man könnte dem Bürgermeister die Unterschriftlisten noch aus der Hand nehmen. Was ich dabei nicht los werden konnte war eine Aussage Prettenthaler`s, in der Zeit vor der Präsentation seiner Verfilmung von Alfred Kolleritsch`s „Die geretteten Köche“:
„Der Verkehrsrichter für den er damals gearbeitet habe, fuhr zu Beginn des Arbeitstages in waghalsigen Überholmanövern mit seinem Citroen Unbeteiligte beinahe in den Graben ...“
Jus hatte der Co-Regisseur studiert, – die Literatur und dem Filmmedium hatte er aber nicht entgehen können. Hartnäckig bleibt er an Tatsachen und Statistiken – sein „Fingerspitzengefühl für den Zigeunerbaron in uns allem, die Taschendiebe nicht zu vergessen“, zeigt sich unauffällig aber sonor über die Interviewführung im Film.
Wenn eine Frau in der Straßenbahn erzählt, dass sie neulich in Asien war und deswegen vorschlägt, dass die musizierenden Roma-Kinder besser unsere Schuhen putzen könnten, klingt das einleuchtend – weil Prettenthaler keine Partei ergrifft und auf etwas für uns Unbekanntes vertraut. Dann hören wir, wie eine Musikschulklasse die Möglichkeit für Talente aus Graz anbietet und man fragt sich: warum werden Nomadennaturtalente gleichzeitig eingesperrt und schikaniert? Wir sind nämlich während des Films davon überzeugt worden, dass es geschehen konnte ... aber genug darüber. In Rumänien kommen wir im Herzen der Musik an. Wobei man alles andere vergisst und sich keine Sekunde fragt, wie diese Leute inmitten aller provinzialer Populistenmanöver das Überleben schaffen. Es schlägt das Herz: Schlag auf Schlag…
Ende 2007 hatte Norbert Prettenthaler eine Foto-Ausstellung / Routen 6x5 im Grazer Rathaus. Auf der Einladung war ein Bild der ägyptischen Pyramide im Morgennebel zu sehen. Eine Person im Vordergrund – klein, aber mit deutlichen Konturen. Zehn, fünfzehn Leute habe ich zu ihren Vertrauten in der Vernissage hören sagen: „Das bin ich …“.
Dahinter steht die „Otthakringer-Kunstzeit,“ als Prettenthaler mit Leuten wie Wolfgang Glechner, Heinz Grosskopf, Arno Schmidt, Denis Mete und Bernd Höfer, Dichter und Fotograf, zum Ottakringer-Soho auftraten, eine Vorarbeit der auslaufenden 90er Jahre, bevor Otthakring als Soho-Art-Meltingpot bekannt wurde.
süßer der stern
honig er fließt
hinaus mit den bienen
Aus seiner Wiener-Periode stammen auch Kontakte zu Kunstrichtungen, die nichts mit breiter Öffentlichkeit zu tun haben, eher mit im Migrationshintergrund verdrängt-Verborgenen, jedoch über tausend Jahre Berührungspunkte zur Zigeunermusik haben: eine musikalische Strömung, die auch therapeutisch eingesetzt wird – die Musik der Sufis. Diese Grundeinstellung – es liegt klar auf der Hand – ist ein wichtiger Boden für das beneidenswerte Vertrauen, das dieser Filmemacher in Bild und Wort entwickelt hat.
Möglicherweise rutscht er deswegen nicht in puren Zynismus oder in mitleidlose Kritik ab. Der Grundton ist da, kommt vom Orientalischen her, ist zweifellos von allen Arten des Wetters gegerbt und von vielerlei Feindlichkeiten gebeutelt – da muss man schon ganz etwas besonderes Anbieten um zu Verwirrung zu zeugen.
Jener Grundton bleibt da, so wie man es über den Grazer Hauptplatz hinweg spüren kann, die Mur, und jene Flüsse, die ungestüm „hinunter“, gegen Süd-Osten fließen.
Über der Mur hat Prettenthaler bereits einen Film / Flusswinde gedreht.
Bare Droma
Uraufführung bei der Diagonale Graz 1-6. April 2008
Dokumentarfilm 104 Minuten
Buch, Regie, Norbert Prettetnaler
Kamera, Regie, Stefan Schmid
Schnitt, Alexandra Rollett, Roland Horvarth
2008 Prettenthaler / Schmid...
Ruud van Weerdenburg
Der Dokumentarfilm Bare Droma – Wanderungen von Norbert Prettenthaler (Buch, Regie) und Stefan Schmid (Kamera, Regie) versetzt den Zuseher im Kinostuhl in zumeist unterschiedlichste Empfindungen; dafür gibt es einen Grund: es gibt keinen wirklichen Grund, warum die für ihre Freude und Kreativität bekannten Roma-Kinder ihre Talente nicht ausleben können. Buchstäblich: es ist kaum Boden dafür vorhanden.
Allein die Lokations bewirken unterschiedlichste Reaktionen: Österreich, Rumänien. Ohne Zweifel haben wir es hier mit einem Road-Movie zu tun, in dem Musik zumeist an Ort und Stelle live gespielt wird. Man geht nicht auf Nummer-Sicher; selbst die zugespielten Tracks sind von Straßenmusikern in Graz aufbereitet.
Eine andere Art von Road-Movie – das politische Pendant zwischen existenzieller Gretchenfrage und Spagat-Stellung: welchen Raum gibt es zwischen Freiheit und Verbot, und wie wird dieser gleichzeitig entblößt.
Dieser Ebene wird Schritt für Schritt nachgespürt bis zu deren Entwirrung: als der Grazer Bürgermeister Nagl die Unterschriften von jenen Leuten annimmt, die die Bettler aus der Grazer Innenstadt loswerden wollen. Auch die Musiker sollten dabei mitausgekehrt werden. Ein schauriges Zeitdokument.
In dieser Sequenzen genießt man das oft zum Klischee gewordene Wunderbare am Film: es ist als wäre man selbst dabei. Man könnte dem Bürgermeister die Unterschriftlisten noch aus der Hand nehmen. Was ich dabei nicht los werden konnte war eine Aussage Prettenthaler`s, in der Zeit vor der Präsentation seiner Verfilmung von Alfred Kolleritsch`s „Die geretteten Köche“:
„Der Verkehrsrichter für den er damals gearbeitet habe, fuhr zu Beginn des Arbeitstages in waghalsigen Überholmanövern mit seinem Citroen Unbeteiligte beinahe in den Graben ...“
Jus hatte der Co-Regisseur studiert, – die Literatur und dem Filmmedium hatte er aber nicht entgehen können. Hartnäckig bleibt er an Tatsachen und Statistiken – sein „Fingerspitzengefühl für den Zigeunerbaron in uns allem, die Taschendiebe nicht zu vergessen“, zeigt sich unauffällig aber sonor über die Interviewführung im Film.
Wenn eine Frau in der Straßenbahn erzählt, dass sie neulich in Asien war und deswegen vorschlägt, dass die musizierenden Roma-Kinder besser unsere Schuhen putzen könnten, klingt das einleuchtend – weil Prettenthaler keine Partei ergrifft und auf etwas für uns Unbekanntes vertraut. Dann hören wir, wie eine Musikschulklasse die Möglichkeit für Talente aus Graz anbietet und man fragt sich: warum werden Nomadennaturtalente gleichzeitig eingesperrt und schikaniert? Wir sind nämlich während des Films davon überzeugt worden, dass es geschehen konnte ... aber genug darüber. In Rumänien kommen wir im Herzen der Musik an. Wobei man alles andere vergisst und sich keine Sekunde fragt, wie diese Leute inmitten aller provinzialer Populistenmanöver das Überleben schaffen. Es schlägt das Herz: Schlag auf Schlag…
Ende 2007 hatte Norbert Prettenthaler eine Foto-Ausstellung / Routen 6x5 im Grazer Rathaus. Auf der Einladung war ein Bild der ägyptischen Pyramide im Morgennebel zu sehen. Eine Person im Vordergrund – klein, aber mit deutlichen Konturen. Zehn, fünfzehn Leute habe ich zu ihren Vertrauten in der Vernissage hören sagen: „Das bin ich …“.
Dahinter steht die „Otthakringer-Kunstzeit,“ als Prettenthaler mit Leuten wie Wolfgang Glechner, Heinz Grosskopf, Arno Schmidt, Denis Mete und Bernd Höfer, Dichter und Fotograf, zum Ottakringer-Soho auftraten, eine Vorarbeit der auslaufenden 90er Jahre, bevor Otthakring als Soho-Art-Meltingpot bekannt wurde.
süßer der stern
honig er fließt
hinaus mit den bienen
Aus seiner Wiener-Periode stammen auch Kontakte zu Kunstrichtungen, die nichts mit breiter Öffentlichkeit zu tun haben, eher mit im Migrationshintergrund verdrängt-Verborgenen, jedoch über tausend Jahre Berührungspunkte zur Zigeunermusik haben: eine musikalische Strömung, die auch therapeutisch eingesetzt wird – die Musik der Sufis. Diese Grundeinstellung – es liegt klar auf der Hand – ist ein wichtiger Boden für das beneidenswerte Vertrauen, das dieser Filmemacher in Bild und Wort entwickelt hat.
Möglicherweise rutscht er deswegen nicht in puren Zynismus oder in mitleidlose Kritik ab. Der Grundton ist da, kommt vom Orientalischen her, ist zweifellos von allen Arten des Wetters gegerbt und von vielerlei Feindlichkeiten gebeutelt – da muss man schon ganz etwas besonderes Anbieten um zu Verwirrung zu zeugen.
Jener Grundton bleibt da, so wie man es über den Grazer Hauptplatz hinweg spüren kann, die Mur, und jene Flüsse, die ungestüm „hinunter“, gegen Süd-Osten fließen.
Über der Mur hat Prettenthaler bereits einen Film / Flusswinde gedreht.
Bare Droma
Uraufführung bei der Diagonale Graz 1-6. April 2008
Dokumentarfilm 104 Minuten
Buch, Regie, Norbert Prettetnaler
Kamera, Regie, Stefan Schmid
Schnitt, Alexandra Rollett, Roland Horvarth
2008 Prettenthaler / Schmid...
[News/artifex/18.03.2008]
News/artifex
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17.03.2008 Das Hirn wird populär!
11.02.2008 Interview mit Daniel Hafner
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22.12.2006 eine hymne fuer KiG!
22.08.2006 ausreißer X
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30.01.2006 Nam June Paik gestorben
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29.08.2005 Transmitter 2005: Gegen den Mainstream bürsten!
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