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ausreißer IX

+++ Thema: Widerstand – Alltag__Alltag - Widerstand+++

inhalt:
/editorial
/reflux
/gegen die zumutungen des arbeitsmarktes
/ich brauche die katholische kirche nicht…
/leben mit widerstand
/widerstand & gemeinschaft
/kluge rebellion
/»lieber kämpfend untergehen als kampflos kapitulieren«
/kursentwicklung
/schnee durchs feuer



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Editorial



„welche möglichkeiten gibt es, inwieweit wird widerstand zum alltag/ im alltag gelebt, wie kann man eben diesem alltag widerstand leisten, gegen die aufdoktrinierten abläufe und gewohnheiten (im täglichen leben, in der politik, im konsumverhalten etc.), leben mit/für widerstand, widerstand möglich für jede/n (nix mit: ich bin ja eh so unbedeutend, was kann ich schon tun), wo liegen die brüche und grenzen und wo und wie sind diese überschreitbar, wie äußert sich widerstand im (all-täglich bewohnten) öffentlichen raum, wie lassen sich pseudo-widerständige als solche entlarven, widerstandsgedanken, -ideen, - möglichkeiten unter einbeziehung aktueller ereignisse“

So lautete die Ausschreibung zum Thema dieser Ausgabe, ebenso vielfältig und facettenreich gestalten sich schließlich die Assoziationen, Gedankenexperimente, Zugänge und Perspektiven, die aktuell von den BeitragsverfasserInnen mit der Thematik verbunden werden.
Verbunden werden mit dem Umstand, gerade gegen HERRSCHENDE Meinungen Position zu beziehen, mit allen Konsequenzen.

Die Themenstellung ist gleichzeitig unmittelbar, ja konstituierend für das „Projekt“ „ausreißer“ – Grazer Wandzeitung, denn im Alltag Widerstand zu leisten, gegen (willig) vereinnahmte Massenmedien und ihren Informationsbrei, Platz im öffentlichen Raum einzufordern und zu erkämpfen, damit eben dessen rein kommerzieller Nutzung entgegenwirkend, sind Grundpositionen und –handlungsweisen dieses Mediums.

Evelyn Schalk


reflux


„Vor dem Fangen kommt das Jagen und das Treiben“

In einem Interview mit dem ORF Oberösterreich meinte der Bürgermeister der Gemeinde Haag am Hausruck, Anton Grausgruber (SPÖ) am 13.2.2006 wörtlich: „Wir haben eine Zahl von männlichen Asylwerbern, die vor Kraft strotzen. Die gehören zusammengefangt und an den Einsatzort (gemeint war zur Schneeräumung, Anm.) gebracht.“ Dasselbe gelte in bezug auf Arbeitslose, denn, so Grausgruber „die werden ja von unseren Steuergeldern bezahlt.“
Abgesehen davon, dass AsylwerberInnen in Österreich nicht arbeiten dürfen und Arbeitslosengeld aus der Sozialversicherung stammt, wird den Opfern eines ungerechten Systems die Menschenwürde abgesprochen und damit Politik gemacht. Denn leider denken wahrscheinlich gar nicht so wenige Menschen ähnlich („Wer arbeiten will findet Arbeit, Arbeitslose sind selber schuld, sind Schmarotzer, die zwangsverpflichtet gehören“ etc.). Zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur galten Arbeitslose als „Asoziale“, die zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, Jörg Haider hat dennoch die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ im 3. Reich gelobt. Eigentlich ein Rücktrittsgrund würde man meinen.
Der Verein „ArbeitslosensprecherIn“ hat als Dachverband der österreichischen Arbeitsloseninitiativen einen offenen Brief an Alfred Gusenbauer gerichtet und den Rücktritt Grausgrubers gefordert. („Denn vor dem Fangen kommt das Jagen und das Treiben!“). Eine Antwort blieb der SPÖ-Parteivorsitzende bisher schuldig.
Bei Redaktionsschluß waren auch keine weiteren Reaktionen bekannt.
Romana Scheiblmaier


gegen die zumutungen des arbeitsmarktes



Sie wollen nicht dynamisch, ehrgeizig, flexibel, immer verfügbar und bereit sein, das Leben ausschließlich der Firma zu widmen? Sie wollen nicht für eine Firma arbeiten, weil Sie nicht akzeptieren, ihre Ethik dabei über Bord werfen zu sollen? Sie sind nicht bereit für einen Hungerlohn zu arbeiten (inklusive unbezahlter Überstunden), und das alles hochmotiviert und immer gut drauf (schließlich ist eine positive Ausstrahlung das A und O, das lehren uns die Esoterik-Seminare)? Ausbeuterische Arbeitsverträge ohne bezahlten Urlaub, Krankenversicherung, Kündigungsschutz gehen Ihnen gegen den Strich? Sie finden nicht, dass jeder noch so miese Job besser ist als gar keiner? Sie sind nicht bereit, (auch unter unzumutbaren Bedingungen) den Mehrwert ihrer Firma zu steigern und für das Prestige von Anderen zu schuften? Sie haben es satt, dass jedEr Ihnen einreden will, sie seien nutzlos, weil Sie keinen Job finden? Sie haben kein Talent im Sich-rein-Schleimen und Sich-wichtig-Machen? Sie haben es satt, vom AMS in den x-ten Kurs geschickt zu werden, wo sie endlich lernen sollen, wie man sich richtig bewirbt? Sie haben es satt, auf Ihre Bewerbungen immer nur Absagen zu erhalten? Sie sind es leid, sich auf ein ideales „Anforderungsprofil” hinzubiegen?
Dann gibt es endlich Abhilfe für Sie!

Das Absageservice (ABS – in Anlehnung ans AMS, Arbeitsmarktservice) möchte Sie gezielt dabei unterstützen, unzumutbarer Lohnarbeit eine Absage zu erteilen.
„Wir helfen Ihnen, problematische Stellenangebote zu erkennen und dauerhafte Lösungen zu finden. Nehmen Sie unsere Hilfe in Anspruch, um die Flexibilität der Arbeitgeber zu testen sowie anspruchsvolle Absagen auf aktuelle Stellenanzeigen zu schreiben.“
Unter der Adresse http://www.f13.at/abs können Inserate recherchiert werden, die Absagen werden dann von den BetreiberInnen kostenlos an Firmen geschickt.

Die Idee zu einer Absageagentur entstand in Deutschland im Frühjahr 2004. Zu dieser Zeit gab es heftige öffentliche Debatten über Arbeitsmarktreformen, die sich besonders mit der Einführung von Hartz IV zum 01.01.2005 beschäftigten. Hartz IV ist der größte Eingriff in das Sozialstaatsgefüge Deutschlands seit 1945, was natürlich maßgebliche ökonomische und soziale Verschlechterungen für viele bedeutet. Neben zahllosen Kürzungen im sozialen Bereich können Arbeitslose nun unabhängig von ihrer Qualifikation zu allen Arbeiten gezwungen werden. Gleichzeitig wurden so genannte „Ein-Euro-Jobs” eingeführt, wodurch Sozialhilfeempfänger wieder dem „Arbeitsmarkt zugeführt werden sollen”. Real werden dadurch reguläre Arbeitsplätze vernichtet und billige Arbeitskräfte geschaffen, die keine Arbeitnehmerrechte mehr haben. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, den Spieß umzudrehen und an Stelle von Anbiederungen an den unattraktiven Arbeitsmarkt Absagen zu schreiben.

Romana Scheiblmaier, Grazer Stammtisch für Erwerbs-Arbeitslose

Und weil sie so schön ist, drucken wir hier eine Absage ab:

Ein Schreiben des Absageservive
Im Auftrag von Frau C.
An Frau Z./McDonalds Franchise GmbH

Sehr geehrte Frau Z.,
ich danke Ihnen für die Ausschreibung oben genannter Stelle. Leider kann ich es mir nicht leisten, Ihr Angebot anzunehmen und muss Ihnen daher absagen. Meine Nachbarin arbeitet bei Ihnen in der Küche, daher weiß ich, dass die Bezahlung in Ihrer Firma so gering ist, dass ich damit höchstens meine Fixkosten (Miete, Strom, Gas, Kinderbetreuung) bezahlen könnte. Doch was sollen ich und meine zwei Töchter dann essen? Soll ich etwa jeden Tag die übriggebliebenen Burger mit nach Hause nehmen? Das könnte ich aus gesundheitlichen Gründen nicht verantworten. In Ihrer Annonce ist ein junger Mann zu sehen, der versucht, zwei Tomaten als Fernrohr zu verwenden. Ich finde das mutig von Ihnen, denn es ist eine ehrliche Darstellung dessen, was Sie suchen: Leute, die noch Tomaten auf den Augen haben. Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich nicht zu diesen Leuten gehöre. Ich versichere Ihnen, dass meine Entscheidung keine Abwertung Ihrer Person ist und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen, Frau C.


ich brauche die katholische kirche nicht und am allerwenigsten brauche ich den SK Sturm


Teil 8

Ich habe aufgehört zu brauchen.
Zuerst habe ich mein Auto verkauft. Denn vor Jahren habe ich mir die Richtmarke von einem Euro pro Liter Diesel gesetzt. Als diese überschritten worden ist, bin ich mit dem Wagen zu meinem Autohändler, habe seinen erstaunten Ohren den Sachverhalt und also mein Weltbild erklärt und bin zu Fuss wieder zurück.
Ich brauche kein Auto, denn ich bin sehr gut zu Fuss. Und ich habe Zeit.
Dann haben gleich einige Karten und Mitgliedschaften daran geglaubt.
Die Obi-Karte zum Beispiel. Ich bin sowieso kein grosser Handwerker. Sondern im Gegenteil einer, den jegliche handwerkliche Betätigung zwangsläufig ins Unglück stürzt. Einerseits, weil mein Versuch, etwas in meiner Wohnung zu verbessern und zu verschönern damit endet, dass meine Wohnsituation gerade um jenen Versuch schlechter wird, der Zustand meiner Wohnung um genau jenen Versuch desolater. Und andererseits, weil diese Tätigkeiten oftmals, um nicht zu sagen zwangsläufig, sogar körperliche Verletzungen zur Folge haben.
Eine Vielzahl von Mitgliedschaften und Versicherungen habe ich inzwischen gekündigt und die dazu gehörenden Plastikkarten aus meiner Brieftasche entfernt.
Damit aber nicht genug. Jetzt fange ich an, Dinge und Situationen des Alltags, welche ich passiv immer irgendwie ertragen habe, aktiv zu verweigern.
Ich brauche das schlechte Wetter nicht. Und die Berge Österreichs. Ich brauche die Kärntner Seen schon gar nicht. Ich brauche keine zu spät kommenden Autobusse und keine zu spät abfahrenden Züge. Ich brauche die Kronen Tsai Tung nicht. Und keine aufgebackenen Semmeln vom Vortag.
Ich habe eine Liste, die von Minute zu Minute länger wird, denn nichts beschäftigt mich mehr, als jene Dinge festzuhalten, die ich nicht mehr brauchen kann.
Ich brauche das scharfe s nicht. Und ich brauche keine Politiker, die wie Trolle aus dem Untergrund heraufsteigen, um mit hässlichen Sonnenbrillen und grossen Ohren von allen Fotos zu lachen, welche eigentlich siegreichen Schifahrern und ihren Olympia-Medaillen gelten.
Ich brauche keine Wiener Melange und keinen steirischen Schilcher.
Ich brauche die Katholische Kirche nicht und am allerwenigsten brauche ich den SK Sturm.

Mike Markart


leben mit widerstand


Bericht eines Betroffenen

Ich lebe nun schon seit fünf Jahren mit Widerstand. In dieser Zeit haben mir Verwandte und Freunde sehr geholfen, meinen Zustand zu akzeptieren. Inzwischen sehe ich Widerstand nicht mehr als einen Feind an, der sich meines Körpers bemächtigt hat, sondern als eine Chance. Ich werde an Widerstand sterben, so viel ist mir klar, aber bald wird ein Heilmittel dagegen gefunden werden und dann werden Leute wie ich wieder allmählich in die Gesellschaft zurückfinden.
Ich leite eine Selbsthilfegruppe und einen Workshop, der Betroffenen helfen soll, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und ihre Verarbeitungen zu erfahren.
Mein jüngerer Bruder leidet ebenfalls an Widerstand. Er wird im nächsten Jahr vierzehn Jahre alt und ich habe mir vorgenommen, dass ich ihn so sorgfältig wie möglich auf das vorbereiten werde, was ihn in seiner Krankheit erwarten wird.
Meine Krankheit begann im Sommer des Jahres 2001. Ich war schon eine längere Zeit ohne Arbeit, mein Vermieter war aber so gnädig, mich trotz meiner finanziellen Nöte in seinem Haus zu behalten. Im Gegenzug verrichtete ich Hausmeisterarbeiten und ging für ihn einkaufen. Meine Freizeit verbrachte ich mit der Lektüre von Büchern. Oft las ich zwei bis drei Romane pro Nacht. Auch tagsüber hatte ich immer Bücher eingesteckt und naschte von ihnen, wenn ich während der Arbeit im Garten eine Pause einlegte oder zur Toilette ging. Die Bücher verwirrten mich zunehmend, aber ich merkte es nicht und da ich niemanden hatte, der mich beobachtete, geriet – wie bei jedem Leser – die Ordnung der Dinge in meinem Kopf langsam und ohne, dass man etwas dagegen unternehmen konnte, außer Kontrolle.
Eines Tages entdeckte ich einen Bettler in unserer Einfahrt. Er saß, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, in einer großen Urinlache, und starrte auf seine Knie. Ich sprach ihn an und forderte ihn auf, zu verschwinden. Er schaute auf, aber unsere Augen trafen sich trotzdem nicht; er blickte einfach durch mich hindurch. Da geschah etwas Eigenartiges. Ich erinnerte mich plötzlich an eine Menge Sätze aus Büchern, sie wurden alle auf einmal merkwürdig plastisch und schwirrten ungeordnet durch mein Bewusstsein. Ohne, dass ich es verhindern konnte, bildete sich in mir ein Vortrag: Eine Verteidigung der Armut, silbergeädert von humanistischen Zitaten. Sofort zerrte ich den Bettler in die Höhe und hinter mir her – er wehrte sich fluchend und spuckend dagegen – ich zerrte ihn aus der Toreinfahrt und direkt in ein Restaurant auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Als er sah, was ich mit ihm vorhatte, riss er sich los und schlug mir auf die Schulter. Dann rannte er davon; ich hinterher. Ich erwischte ihn an seiner zerschlissenen Jacke und zerrte ihn wieder in Richtung des Restaurants. „Die sollen es wagen, dich nicht aufzunehmen…“, zischte ich ihm zu. Er schlug wild um sich. Inzwischen war auch ein Polizist auf uns aufmerksam geworden. Er hielt mich auf und fragte, was mir der Obdachlose denn getan hätte. Ich begann sofort mit meiner Verteidigungsrede der Armut und fragte den Polizisten, wie er denn so selbstverständlich annehmen könne, dass der Bettler mir etwas getan habe, wenn doch ich ihn in diesem Moment am Kragen über den Asphalt zerrte. Der Polizist fragte noch einmal, was um Himmels Willen der Obdachlose mir denn getan hätte, da verlor ich die Geduld: Ich warf mich auf ihn und entriss ihm, in ausweglosem Rebellionsbedürfnis, seinen Lederhandschuh. Der Polizist überwältigte mich schließlich und nahm mich und den Bettler fest.
Vor Gericht hielt ich eine weitere Rede an die Vernunft und man legte mir den Besuch einer Psychiatrie nahe. Hier hörte ich zum ersten Mal die Vermutung, dass es Widerstand sein könnte, was mich meine Beherrschung dermaßen verlieren ließ. Ich nahm eine Zeitlang, auf Anraten eines befreundeten Therapeuten, starke Medikamente, die mir recht gut halfen, aber mir auch die Lebensfreude nahmen. Bisher hatte ich nie bemerkt, dass mein ganzes Wesen, sogar die einfachsten emotionalen Regungen, von den langen Fühlern meiner Krankheit berührt und bewegt wurde.
In der Folge meiner Erkrankung musste ich die schwierige Aufgabe meistern, mein Lesebedürfnis in den Griff zu bekommen. Es gelang mir schließlich und ich verschenkte die Bücher von Huysman und Céline, von Gibson und Burroughs und sogar die von Peter Weiss, die mich bisher überallhin begleitet hatten. Nachdem ich meine Lieblingsbücher losgeworden war, kaufte ich mir die Romane zur Fernsehserie Charmed und die schwarzweißen Mangas Inuyasha und Tsubasa. Diese Bücher hielten mich eine Zeitlang über Wasser. Ich schaffte es inzwischen sogar wieder, mich neben ein am weinendes Kind in der Straßenbahn zu setzen, ohne es gleich mit meinem Mitleid zu überhäufen.
Aber im Hintergrund arbeitete mein erkrankter Verstand leise weiter gegen mich. Anfang 2004 fand ich mich auf dem Nachhauseweg von einem gemütlichen Spieleabend bei Freunden plötzlich inmitten einer Demonstration von Studenten. Sofort erinnerte ich mich an den Notfallplan, den ich und mein Therapeut ausgearbeitet hatten. Ich zwang mich, die Plakate nicht anzusehen, ich wehrte jeden Flyer ab, der mir entgegengehalten wurde und ich hielt mir mit meinen Handschuhen, so gut es ging, die Ohren zu. Schließlich aber merkte ich, wie der Sprechgesang sich langsam in meinem Gehirn festsetzte. Nach wenigen Minuten schon sang ich mit und war dagegen. Mir liefen vor Scham und Verzweiflung über meine erneute Niederlage die Tränen übers Gesicht, aber trotzdem sang ich so laut ich konnte und hüpfte auf und ab.
Als ich an diesem Abend nach Hause kam, erschöpft, verschwitzt und vor Unzufriedenheit mit den bestehenden politischen Verhältnissen inzwischen schon halb wahnsinnig, fasste ich den Entschluss, einen Workshop ins Leben zu rufen, der mir und anderen hilfreich zur Seite stehen konnte.
Ich nannte den Workshop Pro Contra Pro.
Zur ersten Veranstaltung kamen fast fünfzig Menschen, manche davon noch sehr jung. So viele Menschen auf einem Haufen zu sehen, die, wie ich, einem Schicksal mit Widerstand gemeinsam mutig entgegentreten wollten, gab mir neue Kraft.
Natürlich habe ich seither viele Rückfälle gehabt. Ich habe mich in Demonstrationen geworfen, habe bis zur völligen Erschöpfung auf öffentlichen Plätzen Unterschriften gesammelt und habe sogar, in einem Augenblick des völligen Überhandnehmens meiner Krankheit, einen Antrag auf Adoption zweier rumänischer Mädchen gestellt, der Gott sei Dank von den zuständigen Behörden als Symptom erkannt und entsprechend ignoriert worden ist.
Es hat mir viel Mut abverlangt, hier über meine Krankheit, ihre Geschichte und ihre Auswirkungen offen zu sprechen. Ich kann nur allen anderen, die an Widerstand leiden, raten, sich nicht, wie ich so viele nutzlose Jahre, gehen zu lassen, sondern den Mut aufzubringen, selbst in kritischen Momenten und Augenblicken größter Ungerechtigkeit JA zu sagen.
Das große NEIN in unserem Hinterkopf, da bin ich mir sicher, wird bald der Vergangenheit angehören und bis es soweit ist, lasst uns gemeinsam Möglichkeiten finden, mit ihm zu leben und seine Verbreitung, so weit es in unserer Macht steht, einzudämmen.
Selbst der Weg in die Sackgasse beginnt mit dem ersten Schritt.
Alexander W., 25 Jahre, heute Programmierer
Clemens Setz


widerstand & gemeinschaft


Eine Einführung

Sie suchen gleich gesinnte Kameraden? Sie haben es satt mit sich selbst darüber zu reden, was alles anders sein sollte? Schließen Sie sich doch einer Gemeinschaft an, die Ihnen dabei hilft sich äußerlich und innerlich von anderen abzugrenzen! So wissen Sie immer gleich, wer „Wir“ sind und wer die „Anderen“. Sie brauchen sich nie wieder selbst Gedanken zu machen, Ihre Gemeinschaft hilft Ihnen dabei sicher zu werden, was richtig ist, und was falsch.
Damit es Ihnen leichter fällt sich in eine Gruppe zu integrieren, bzw. sich für eine zu entscheiden – falls Sie dass noch nicht getan haben – hier ein paar einfache Tipps, anhand von Beispielen:
Die „Kronen Tsai Tung 1 Bewegung“

Ihre Einstellung schlägt (in) folgende rechte Bresche: Sie haben all die Ausländer satt, die in der Straßenbahn in fremden seltsamen Sprachen reden die Sie nicht verstehen können? „Neger“ machen Ihnen Angst, weil Sie in der Nacht ohnehin schon so schlecht sehen? Wenn Sie also auf diese Fragen mit „Ja“ antworten können und die Idee Ortstafeln zu versetzen brillant finden, sind Sie der/die richtige KanditatIn für die „Kronen Tsai Tung Bewegung“.
Das Service dieser Gruppe ist hervorragend! Sie werden jeden Tag mit neuen tief greifenden Ideen und Informationen versorgt, die so aufbereitet sind, dass Sie sie auch wirklich verstehen können. Sollten Sie es nicht so mit dem Lesen haben, aber am Stammtisch auch gern laut mitreden, helfen Ihnen die vielen Fotos in der Info-Broschüre dabei, den Inhalt leichter zu erfassen.
Aber wie integrieren Sie sich hier am leichtesten? Am besten beginnen Sie damit, sich im Wirtshaus laut über die EU zu beschweren. Sollte das keinen Anklang finden, wechseln Sie das Lokal oder setzen Sie noch eins drauf, um Skeptiker zu überzeugen. Hierfür geeignet wäre z.B. folgendes Originalzitat, gehört in der Linie 5 der Grazer Verkehrsbetriebe:
„I was schun gor nimma wen i wählen sull, weil da Haider so oft die Forb wechselt“.
Ein anderer Weg hier Fuß zu fassen wäre es einer Burschenschaft beizutreten, was den zusätzlichen Vorteil hat, dass man auch hübsche Uniformen mit entzückenden kleinen Käppchen tragen darf. Und überhaupt kommt die Sache mit den Narben bei den Mädls echt verdammt gut an!
Kunstszene

Chice (schwarze) Klamotten, Hornbrille und stolz auf Ihre Allgemeinbildung – insbesondere auf Ihr kulturelles Interesse? Willkommen in der Kunstszene! Nirgends ist der Schein so wichtig, nirgends der Klatsch so maßgebend. Sich hier zu integrieren oder gar zu etablieren erfordert ein hohes Maß an Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen und den eisernen Glauben daran, besser zu sein als andre.
Aber was brauchen Sie noch, um hier Fuß fassen zu können? Auf jeden Fall sollten Sie eine Meinung über die bedeutendsten Künstler (Ihres Heimatlandes) haben – und damit meine ich nicht Ihre Meinung, sondern die des jeweiligen „Leaders“ der von Ihnen favorisierten Gruppe. Widerstand wird in dieser Szene vor allem in Form von medialen Großveranstaltungen oder von künstlerischen Aktionen in (öffentlichen) Galerien betrieben. Die Künste können nämlich die Geister und Herzen noch so richtig bewegen und so verändern sie die Welt. Am besten geht das bei einer Vernissage, deshalb ist die Notwendigkeit unterschätzt, bei jeder kulturellen Veranstaltung präsent zu sein. Bei diesen Veranstaltungen ist es wichtig, das Dargebotene innig zu genießen, also nicht die Kunst – sondern Gratisbuffet und –getränke, denn so kann man schließlich das Establishment am besten schädigen, in dem man seine Achillesferse trifft: das Portemonnaie
Um die richtigen Kontakte zu knüpfen sollten Sie bei den angesprochenen Veranstaltungen nicht zu viel reden (wirkt souveräner) und wenn doch sollten Sie Sätze verwenden wie „…das hat doch Prof. Weibel letztens auch gesagt, oder?“ Und vermeiden Sie Scherze wie „Die frühen Arbeiten von Beuys sind doch etwas schmierig, hm?“. Wichtig ist es vor allem, immer einen leicht genervten Gesichtsausdruck zu haben und beim Sprechen einen leicht nasalen Ton anzuschlagen.
Fast genauso wichtig wie Ihre Omnipräsenz bei Veranstaltungen, Ihr Wissen und ihre Kleidung – vor allem im Literaturbetrieb – ist Ihre Trinkfestigkeit. Zumindest wenn sie sich noch in den unteren bis mittleren Kreisen bewegen, denn die enthemmende Wirkung von Alkohol hilft Ihnen dabei, ganz locker brisante und sozialkritische Themen anzusprechen und damit vielleicht sogar etwas zu bewegen. Sobald Sie jedoch ganz oben angekommen sind gilt eher „Koks ist die Antwort Gottes auf zu hohe Gehälter“ (R. Williams).
Militante Veganer2
Tiere essen ist Mord? Der Verzehr von Eiern fördert den „Genozid“ an männlichen Kücken? „Ja!“ Sie sind richtig in der Gruppe militanter Veganer aufgehoben! Doch einfach nur auf diese LEBENSmittel zu verzichten reicht hier nicht! Sie müssen auf jeden Fall auch versuchen, jeden den Sie treffen von Ihrer Einstellung zu überzeugen, reden Sie auch mit all Ihren Verwandten und Bekannten. Beginnen diese Menschen mit der Zeit Ihnen auszuweichen, seien Sie nicht traurig, Sie haben jetzt ohnehin neue Freunde (Ihre Eid-genossen und alle Tiere) mit denen Sie lustige Freizeitaktivitäten bestreiten können. Sie können z.B. Tiere aus Zoos oder Versuchsanstalten befreien, ohne vorher darüber nachzudenken, was dann mit den Viechern geschehen soll, oder sie exhumieren die Omi oder sonstige Verwandte von Versuchs-Tierzüchtern, um Ihnen so einleuchtend zu erklären, warum man diese dreckigen Geschäfte sein lassen sollte.3
Möglichkeiten sich zu integrieren wären: Als aller erstes natürlich das Verweigern sämtlicher tierischer Produkte, also Fleisch, Milchprodukte, Eier, Honig, etc. sowie das Tragen von Lederprodukten, einige lehnen auch das Fingernägel beißen ab, da der Mensch ja eigentlich dem Tier gleichgestellt ist, oder war’s umgekehrt…?
Weiters ist es wie gesagt wichtig, all seine Überzeugungen zu verbreiten und anderen zu sagen, dass Fleischfresser irgendwie stinken und moralisch verwerfliche Menschen sind. Um Kontakt zu finden, sagen sie hin und wieder einfach Dinge wie „Ich esse nichts was eine Mutter hat“ (Obwohl: Hat Honig eine Mutter? Und vor allem: die Franzosen haben da ja sowieso DEN Ausweg gefunden! Die Schneckenfresser!)
Wenn keine dieser Gruppen etwas für Sie ist und Sie sich überhaupt nicht gerne engagieren und/oder auch nicht dabei helfen lassen wollen, was Sie glauben sollen… es gibt noch immer einen Ausweg, frei nach Groucho Marx, treten Sie nie einem Verein bei, der bereit wäre Sie aufzunehmen oder auch: „(Whatever It Is) I'm Against It” 4.

Ulrike Freitag

1 Vgl. Artikelserie von Mike Markart im ausreißer
2 Zu Veganismus (übrigens nicht gleich Vegansimus) vgl. z.B. www.vegan.at
3 Vgl. Der Standard „Grabschändung durch Tierschützer“, 9.9.2005
4 Aus: Horse Feathers (1932)


kluge rebellion



Widerstand beginnt im kopf sagen sie
Und voller umsicht tragen sie sorge,
dass er ihnen nicht entflieht.
Sie wissen nicht genug das räumen sie ein
vorausschauend
denn sie wollen sich nicht festlegen lassen
Aber vieles verstehn sie besser
meinen sie als die draußen
deren alltag zu stören sie sich hüten.
ängstlichkeit - die mahnung der vorsicht
die gesetze und regeln
nicht zu brechen
und behutsam
mit ihren wächtern zu sprechen.
Sie reden von verändern daran glauben sie
jedenfalls
unter freunden die es nicht weitererzähln
Und manchmal stoßen sie an
auf die ferne revolution
nicht zu laut notfalls lag es nur am wein.
ängstlichkeit - die stimme der vernunft
den verstoß gegen die ordnung
nur im traum zu begehn
und das vergebliche
des versuchs einzusehn.
Sie ehren historische helden ihr respekt ist ehrlich
gilt männern meist
die für ein paar worte ihr leben verloren
So tief ist ihre achtung
dass sie ihre kräfte
nicht vergeuden wollen
für die vielen winzigen kämpfe
gegen jene, die immer gewinnen,
für ein klein wenig widerspruch
der stets zu teuer kommt
sondern sich schonen für den großen tag.
ängstlichkeit - der beste der gründe
der selbst noch
den aufstand der zwerge besiegt
und dem jede liebe
zum unmöglichen erliegt.
Am rande des abgrunds schon
ist ihre rebellion die angelegenheit eines terminkalenders
in dem nichts eingetragen ist.
Widerstand beginnt in unseren köpfen
gib acht, dass er nicht entkommt.

Ines Aftenberge


»lieber kämpfend untergehen als kampflos kapitulieren«


Ein historischer Rückblick auf den Widerstand gegen die Machtergreifung Hitlers: Der Februar 1934 in Österreich

Als sich am 12. Februar 1934 in Linz sozialistische Schutzbündler unter der Führung von Richard Bernaschek einer Waffensuche der Polizei in der sozialdemokratischen Landesparteizentrale im Hotel Schiff auf der Landstraße bewaffnet widersetzten, begann ein vier Tage dauernder blutiger Bürgerkrieg, der sich schnell ausbreitete. Brennpunkte der Kampfhandlungen wurden die Arbeiterbezirke Wiens, in Oberösterreich Linz, Steyr und das Kohlenrevier des Hausruckviertels, in der Steiermark die Vororte von Graz und das obersteirische Industriegebiet mit Bruck an der Mur.

Gegen den Willen der sozialdemokratischen Parteiführung folgten diese Schutzbündler der Überzeugung „Bis hierher und nicht weiter, lieber kämpfend untergehen als kampflos kapitulieren“, da die Führung der österreichischen Sozialdemokratie seit Ende der 1920er-Jahre gegenüber dem immer aggressiver werdenden Vorgehen des bürgerlichen Lagers eine zurückhaltende Politik verfolgte. Im März 1933 wurde das Parlament ausgeschaltet und Bundeskanzler Engelbert Dollfuß konnte proklamieren: „Die Zeit der Parteienherrschaft ist vorbei […] Wir wollen den sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker, autoritärer Führung“ („Trabrennplatzrede“, September 1933). Nachdem bereits im Mai 1933 die Kommunistische Partei Österreichs verboten wurde, war die österreichische Sozialdemokratie das letzte Hindernis zur Errichtung dieses autoritären Ständestaates.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen leisteten die Schutzbündler einen erbitterten Widerstand, obwohl die Erfolgschancen von Beginn an gering waren. Neben der mangelnden Unterstützung durch die eigene Parteiführung war es vor allem die geballte Übermacht von Bundesheer, Polizei, Gendarmerie und austrofaschistischen Heimwehren, die den Aufstand bald beendete. Zudem kam der erhoffte Generalstreik nicht – beziehungsweise nur lückenhaft – zustande. Einige hundert Tote waren als Folge der Februarkämpfe 1934 zu beklagen.

Nach dem Sieg des bürgerlichen Lagers wurden im standrechtlichen Verfahren vom 14. bis zum 21. Februar 1934 21 Todesurteile verhängt und an neun Personen durch Erhängen vollstreckt – darunter auch Koloman Wallisch, der in der Obersteiermark den Widerstand organisierte. Über 10.000 Februarkämpfer wurden verhaftet; von diesen 1.200 Personen zu schweren Kerkerstrafen verurteilt. Die Gewerkschaften und sozialdemokratischen Parteiorganisationen wurden aufgelöst und eine autoritär-faschistische ständestaatliche Diktatur in Österreich (Austrofaschismus) errichtet, die in weiterer Folge den Weg zum „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 ebnete. Vor diesem Hintergrund sind alle – von konservativer Seite auch heute noch vorgebrachten – Versuche, von einer „geteilten Schuld“ zu sprechen und den Ständestaat als „notwendiges Bollwerk“ gegen den Nationalsozialismus zu heroisieren, zurückzuweisen.

Zahlreiche von ihrer Parteiführung enttäuschte SozialdemokratInnen traten in der Folge der KPÖ bei, die unter den Bedingungen der Illegalität den Widerstand gegen den Austrofaschismus und den deutschen Nationalsozialismus organisierte. Der 12. Februar 1934 in Österreich war ein weltweites Signal, dass der Vormarsch des Faschismus’ nicht überall auf eine Machtergreifung ohne Gegenwehr hoffen durfte, ein Vorbote des antifaschistischen Widerstandskampfes im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 und im Zweiten Weltkrieg, der schließlich mit der völligen Niederlage des Faschismus’ endete.

Günter Reder

Henriette Haill (1904-1996), eine Zeitzeugin, die an den blutigen Kämpfen unmittelbar beteiligt war – während des Naziregimes wurden dann unzählige ihr nahe stehende Menschen in den KZs ermordet – verlieh ihren Gefühlen und Erlebnissen auch literarisch-authentischen Ausdruck. Erich Hackl meinte über Henriette Haill: „Sie war in fünffacher Weise dazu bestimmt, von der literarischen Öffentlichkeit übersehen zu werden: aufgrund ihrer ärmlichen Herkunft; aufgrund ihrer kommunistischen Gesinnung; aufgrund ihrer Zuwendung zur geographischen wie sozialen Peripherie; aufgrund ihres Geschlechts; aufgrund ihrer Bescheidenheit.”

Februakämpfer

Im unvergessenen Februar
als die Geduld zu Ende war
da griffen wir zu den Waffen
wir wollten keine Knechte sein
wir standen für das Letzte ein
und hatten´s nicht geschafft.
Wir ließen uns zu lange Zeit,
die Macht der Feinde war zu breit,
wir gingen ins Verderben.
Als uns die schwere Stunde rief
im Hass der Feinde Kugel pfiff,
da hieß es stehn und sterben.
Als man uns tief zu Boden schlug,
weil wir nicht einig, stark genug,
da mußten wir es büßen.
Die rote Fahne lag im Kot,
sie häuften auf uns Leid und Spott
und traten uns mit Füßen.

Nur keine Milde war ihr Sinn,
auf unserm Blut stand ihr Gewinn,
sie waren nicht bescheiden.
Sie labten sich an unserem Schmerz,
und zielten froh nach unserm Herz
und hängten uns mit Freuden.
Auf Leichen stiegen sie empor,
und öffneten gar weit das Tor
der Not im eigenen Lande.
Und Schlag auf Schlag und Trug auf Trug,
das war ein böser Funkenflug
zum großen Weltenbrande.
Und was auch alles kam und war,
der blutig zwölfte Februar
hat uns ins Herz getroffen.
Wir halten noch die Faust geballt,
die Rechnung ist noch nicht bezahlt,
die Wunden stehn noch offen.

Henriette Haill


kursentwicklung



Längst hat die Welt aufgehört sich zu drehen. Es ist einzig und allein der work flow, der sie in gang hält, rund um die Uhr. Da passiert ganz schön viel – nicht ganz schön vielleicht, aber vieles dafür ganz. Oft ganz ohne dass zur Kenntnis genommen wird oder werden soll, was da die Uhr umrundet, mit all den Ecken und Kanten, die sich ins Fleisch bohren, bis in den Puls, der das Lebenstempo angibt. Am Puls der Zeit zu sein scheint unausweichlich – legitimiert etwa die Zeit das Sein? Aber wessen Zeit und wessen Sein?
Die Definition des Wertes eines Menschen erfolgt in Äquivalenz zum Mittelwert seiner Leistung pro Stunde/pro Minute/pro Sekunde.
Doch: Wer definiert? Funktionsstörung mit irreparablen Folgen?
Die vermeintlich effizienteste Nutzung von Human Ressources... „Ja, ich bezahle sie auch für den ganzen Monat, die gehören mir.“ Angekommen auf der Suche nach der Zeit – und ihrer Inbesitznahme. Durch Vampirismus nach unten die Macht nach oben ausweiten. Blut für Geld für Zeit – aber: „..., ich will niemanden in den Herzinfarkt treiben.“ Wenn die Herzfrequenzkurve reziprok zum Dow Jones verläuft ist der Schnitt der beiden nur eine Frage der – ja, der Zeit. Oder dessen was uns als Zeitbegriff vorgegaukelt, win-win-strategisch powerpointpräsentiert wird. Permanent reorganisierte, upgedatete Flexibilität. Verschoben, verzerrt, gedehnt, gestreckt, verdreht nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Zusatzqualifikation: moralische Flexibilität. Profitfixierter Radikalopportunismus dessen Folgen eine auf Konsum gedrillte, PR-unterspülte Benutzeroberfläche treffen, die sich aus Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit weigert, zu registrieren, welche Entmenschlichung da auf Festplatte programmiert wird.
Realitätenkonstrukte in und aus den Händen jener, für die Bombenanschläge wahlweise Trends verstärken oder die Stimmung leicht eintrüben, sich die Wirkung neuer Impfstoffe in Cash-Positionen bewährt und Menschenleben in Dollar pro Barrel aufgerechnet werden...

Ich lege die Füße hoch, den Kopf zurück und versuche in einen entspannungsähnlichen Zustand zu verfallen. Die Uhr hinter mir tickt. Ich schiebe sie weiter zurück, sie tickt immer noch. Ich drücke ein Ohr in die Kissen – es tickt. Ich presse die Hand fest auf das zweite – kein Ticken mehr? Doch, in meinem Kopf ticken die Sekunden im Zeigerrhythmus. Immer weiter.
Mein Balanceakt am Rande fibergläserner Konjunkturentwicklung und der Berührung des Menschen neben mir hat längst begonnen. Über seinen Verlauf versuchen so viele zu entscheiden. Seine Zeit verschenke nur ich.

Evelyn Schalk


schnee durchs feuer



Sie haben es immer gesagt:
Eine handvoll wasser löscht keinen brand
wenn sich der schnee durchs feuer wagt
wird er schmelzen
und auf den trockenen sand
fällt nicht mehr als ein tropfen.

An der grauen mauer ein bisschen farbe
macht gewalt hinter den steinen
nicht ungeschehn
und aus dem fragesymbol das einen punkt ablöst
muss kein neuer satz mit rufzeichen
gar entstehn.

In den winternächten ein glimmendes holz
wird frierende von der kälte
nicht mehr befrein
Und wer in dieser welt kein schicksal sieht sondern
menschlich werk greift deshalb in den lauf
noch nicht ein.

Wenn du die rechnung prüfst am ende
bleibt ein minus unter dem strich
Nichts zählt eine erhoffte wende
im traum erhöht keine summe sich.

Wer wird sie hören - die frage
die festgewachsenes bewegt
und was richtet glut aus gegen frost
der auf kinder ohne dach sich legt?

Doch wenn keine hohen götter walten
öffnen neue wege sich. Wo
menschen himmel und hölle gestalten,
ändert eigne tat statt dem gebet.

Es ist nicht der finger einer hand
nicht der kleinste kein erster schritt.
aber etwas anderes als – stillstand.

Vielleicht nicht einmal das: ein anfang
höchstens der versuch zu beginnen.
Kann sein zu spät. gewartet. zu lang.

Wenn du die rechnung prüfst am ende
denk nicht nur
an das minus unter dem strich
übersieh sie nicht:
laute fragen und gefärbte wände
genug ist
nichts davon. nur so ändern zeiten sich.

Sie haben es immer gesagt:
Eine handvoll wasser löscht keinen brand
wenn sich der schnee durchs feuer wagt
wird er schmelzen
Doch auf den trockenen sand
fällt ein winziger tropfen.

Ines Aftenberger




impressum
ausreißer #09

Herausgeberin und Chefredakteurin
Evelyn Schalk

Redaktion
Ulrike Freitag
Romana Scheiblmaier


AutorInnen
Ines Aftenberger
Mike Markart
Günter Reder
Clemens Setz


Kunstgrafik
Makovec+Lederer

Foto
Xavier Lambours

Cartoon
Jör Vogeltanz, Julia Kläring

Gestaltung
Andreas Brandstätter

Kontakt: Evelyn Schalk, Tel.: 0676/300 93 63,
mail: evelyn.schalk@stud.uni-graz.at
Thema der nächsten Ausgabe: kunst sprache freiheit, sprache freiheit kunst, freiheit kunst sprache
© Die Rechte verbleiben bei den AutorInnen

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[News/artifex/25.06.2006]





    News/artifex


    31.05.2011 Europäisches Kino ganz nah!

    23.11.2010 pantherion needs you NOW

    18.05.2009 Black Box

    15.05.2009 Das amüsante Geschäft zwischen Weinlokal und Ministerium

    10.05.2009 Brandrede

    20.04.2009 Der Riesenjoint - the true story

    04.02.2009 KiG! - die antwort

    12.01.2009 KiG! - das quiz

    11.01.2009 woerter

    03.11.2008 ÜBERLEBENSGESCHICHTEN 1938 - 2008

    17.10.2008 Die Erfüllung großer Erwartungen

    03.09.2008 Dein Land gibt es nicht

    19.03.2008 BARE DROMA ("Wanderungen") von Norbert Prettenthaler und Stefan Schmid

    18.03.2008 Wie Wahrnehmen in Vertrauen eingebettet sein kann

    17.03.2008 Das Hirn wird populär!

    11.02.2008 Interview mit Daniel Hafner

    08.11.2007 In Afrika bei Graz

    04.10.2007 Einladung zum Herbstfest von RADIO HELSINKI 92,6fm

    03.10.2007 Trost records – 6th anniversary!

    14.02.2007 ST.ANDRÄ/GRAZ: CHRISTIAN EISENBERGER, „ERROR NO SIGNAL“

    22.12.2006 eine hymne fuer KiG!

    22.08.2006 ausreißer X

    07.08.2006 Kerstin Barnick-Braun: Notizen zum Sammeln als künstlerische Strategie

    25.06.2006 ausreißer IX

    24.04.2006 ausreißer VIII

    28.02.2006 SEWTEETH

    15.02.2006 ausreißer VII

    03.02.2006 CODE INCONNU

    30.01.2006 Nam June Paik gestorben

    18.01.2006 Eröffnungsfilm der DIAGONALE 06

    12.01.2006 ausreißer VI

    11.12.2005 ausreißer V

    29.08.2005 Transmitter 2005: Gegen den Mainstream bürsten!

    08.07.2005 Europäisches Netzwerk für freie Theaterarbeit gegründet

    10.04.2005 ausreißer IV

    01.04.2005 ausreißer III

    20.03.2005 der "ausreißer" bei der DIAGONALE

    10.03.2005 DIAGONALE 14. bis 20. März 2005

    25.01.2005 ausLage live cam

    17.01.2005 der ausreißer - die grazer wandzeitung

    29.12.2004 Susan Sontag ist tot !

    20.12.2004 ausreißer II

    07.11.2004 FIRN - PLUTO FOOTAGE

    27.10.2004 Legendärer Popstar-Entdecker John Peel gestorben

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    11.10.2004 081004 martin krusches logbuch

    07.10.2004 Elfriede Jelinek ist Literaturnobelpreisträgerin 2004

    05.10.2004 Die Kunst des sozialen Zusammenhalts - Theater & Partizipation

    28.09.2004 UNSERE FRAU PRÄSIDENTIN KRIEGT DEN PREIS!

    15.07.2004 no milk_no honey

    01.07.2004 ausreißer I

    14.06.2004 WeiberDiwan 2/04 im Netz

    09.06.2004 ECHO von kulturen in bewegung mit dem Weltkulturkalender

    06.04.2004 neue CD: Novi Sad

    29.03.2004 NIL: Kunstraum + Café

    11.03.2004 TIB Film-Tipp

    09.02.2004 Nina Schedlmayer: Look at your unconsciousness!

    05.02.2004 Gewinnerin des Stückewettbewerbes der Berliner Schaubühne

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