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ausreißer V

+++ Sex, Macht, Geschlechterk(r)ampf +++

inhalt:
/editorial
/reflux
/ein bericht aus großmutters zeiten
/tsai tung
/„intersexualtität“
/wiegenlied
/kinder, küche, kirche
/die weibliche dreifaltigkeit
/sexuelle emanzipation und klopapier
/historischer überblick
/mutter vs. embryo - die abtreibung



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Editorial



Liebe LeserInnen! Zum ersten Mal gibt’s im „ausreißer“ ein Editorial – das hat mehrere Gründe: Erstens haben wir zum Thema dieser Ausgabe – „Sex, Macht, Geschlechterk(r)ampf“ – so viele Textzusendungen bekommen wie nie zuvor. Liegt vermutlich daran, daß damit nicht allein gesellschaftspolitische Bereiche umfasst werden, sondern für jeden Menschen auch und vor allem ein sehr privater Zugang besteht. Deshalb bedauern wir es umso mehr, nur einen Teil der Beiträge publizieren zu können, die restlichen behalten wir gerne für kommende Ausgaben im Archiv.
Zweitens: Einige der näheren Themenfelder, die mit der Hauptthematik in enger Verbindung stehen, werden hier nur am Rande gestreift – dazu zählen sexuelle Gewalt, Homosexualität und andere. Eine eingehende Bearbeitung dieser Bereiche liegt uns wirklich am Herzen – eine solche wird in den kommenden Nummern erfolgen.
Weiters freuen wir uns, in vorliegender (bzw. -hängender) Ausgabe Bilder des bekannten Grazer Kaffeehaus-Zeichners Walter Felber präsentieren zu dürfen. Die Originale der abgedruckten Werke und eine Reihe weiterer sind auf Anfrage käuflich zu erwerben, bei Interesse bitte unter 0676/300 93 63 oder schalke@stud.uni-graz.at melden.
Die „ausreißer“-Redaktion wünscht Euch eine interessante, kommunikative und aufrüttelnde Lektüre!

Evelyn Schalk


Reflux


rolemodels

In einem TV-Werbespot für Marmelade werden die diversen Sorten mit Frauen verglichen. Einem sich im Bett räkelnden Jüngling wird von einer Schönen (Europäerin, weiß) eine Erdbeere in den Mund geschoben. O-Ton: „Warum immer nur Erdbeeren essen, die Natur hat so verschwenderisch viele Arten hervorgebracht...“. Ins Bild werden die „Exotinnen“ gerückt, mann sieht eine Asiatin, eine Afrikanerin usw. Ein Paradebeispiel für sexistische/rassistische Werbung.
Die frauenfeindliche Körperpolitik der Medien treibt junge Frauen und Mädchen zum Fasten und Hungern. Sobald ich eine Zeitschrift aufschlage, den Fernseher einschalte, auf Plakatwänden – perfekte Ärsche, Brüste, Beine von Frauen die vermarktet werden. Auch die perfekten Männer- Retorten-Bodies der Werbeindustrie finde ich weder sexy noch „emanzipatorisch“, nur neoliberal konform – immer funktionstüchtig, immer gut drauf, immer gut aussehen.
A propos immer gut aussehen: Einige US-amerikanische Feministinnen fanden „Sex and the city“ total super, weil emanzipatorisch, wenn Frauen so offen Sex praktizieren und über Sex reden. Ich hab die Serie nur ein paar mal gesehen, und abgesehen davon, dass ich die „Beziehungskisten-Probleme“ von ein paar reichen, durchgestylten Luxus-Frauen, die perfekt aussehen, nicht sonderlich interessant fand, ist mir bitter aufgestoßen, dass in einer angeblich so emanzipatorischen Serie das Wort „Klitoris“ nicht ein einziges mal vorkam. So als ob es diese nicht gäbe.
Ist doch bereits 100 Jahre her, dass Sigmund Freud meinte, Frauen müssten klitorale Orgasmen „überwinden“, da die Klitoris ein zu männliches Organ, und die Frau nur Erfüllung im vaginalen Orgasmus – sprich durch Penetration - erfahren könne.

Romana Scheiblmaier


ein bericht aus großmutters zeiten


oder: warum fortschritt nicht gleich verbesserung bedeutet

Feministische Debatten und Frauenpolitik im Hier und Jetzt sind wichtig, um an politischer Macht teilhaben zu können und im gesellschaftlichen Verteilungskampf – in dem Frauen lange Zeit leer ausgegangen sind – ein gewichtiges Wort mitreden zu können. Ein kulturgeschichtlicher Ausblick in historische Epochen kann ebenso Wertvolles leisten: Ein scharfer Blick für geschichtliche Prozesse betont seine Veränderbarkeit - im positiven wie im negativen Sinne! – und die kulturelle Bedingtheit von Sein, und damit auch von „Frau-Sein“.

Der - bäuerliche - Dachboden meiner Großmutter entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als wahre kulturgeschichtliche Fundgrube. Ich entdeckte ein Haushaltsbuch aus dem Jahre 1953, das Geschenk eines Einzelhandels-Kaufmanns zum Jahreswechsel. Der Grundtenor ist leicht beschrieben: Frauen und Mütter arbeitetet hart und beschwert euch nicht, denn - so meint Direktor Schönherr aus Bregenz - frau kann sich doch trotz aller wirtschaftlichen Enge, die zu Beginn der 50er-Jahre stets präsent gewesen ist, bei der Haus- und Gartenarbeit „behaglich und unbeschwert erholen und erheitern“. Für die Familie ohne aufzumucken zu arbeiten und sie zu erfreuen, liegt für die Herren der 50er-Jahre in der „liebreichen Seele der Frau und Mutter“ begründet. Eine Frau sich nicht gleichzeitig auch als Mutter vorzustellen, auf diese Idee ist mann sozusagen „natürlich“ nicht gekommen. Wo bliebe da die Daseinsberechtigung des körperlichen Wesen und ohnehin unerklärbaren Phänomens Frau? (Eine Mythologisierung und damit Stilisierung der Frau als „anders“, „unerklärbar“ und einhergehend auch als irrational förderte die Ausgrenzung. Sprüche, wie jener von Immanuel Kant, zeigen diese Zuschreibungen auf: „Der Mann ist leicht zu durchschauen, die Frau verrät ihr Geheimnis nicht.“)
Im besagten Haushaltsbuch aus dem Jahre 1953 darf auch die Unterscheidung in „Verehrte Hausfrau!“ und „Sehr geehrter Haushaltsvorstand!“ (der bezeichnenderweise zum „Geschäftsfreund“ stilisiert wird) nicht fehlen. Angesichts ärgerer Verbrechen in diesem Heft, wollen wir über die Darstellung des Mannes als „Herr der Familie“, als „Ernährer“ und „Haushaltsvorstand“ hinwegsehen. Im Anhang zum Jahreskalender finden sich im Haushaltsbuch Tipps für den Haushalt und kürzere Texte (sie sind ohne Signatur und wir wollen uns nicht weiter fragen, unter welchen Umständen sie in das vorliegende Buch gekommen sind) wie dieser: „Warum immer so nervös?“. „Anonym“ philosophiert darin darüber, warum die Frauen der Zeit immer an Nervosität und Überlastung litten. Als Antwort werden die „Umtriebe“ moderner Hausfrauen angeführt. Unkommentiert dazu das Zitat, es erklärt sich ohnedies von selbst: „Einer der Hauptgründe liegt darin, daß die Hausfrau eben nicht mehr züchtig daheimbleibt am häuslichen Herd.“ (Haushaltsbuch 1953, S. 58)
Im Zitat klingt bereits eine starke Verunsicherung mit. Männliche Herrschaftsordnungen haben damals begonnen sich langsam aufzulösen und ohne Zweifel hat die Frauenbewegung seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Erfolge erzielt (z.B. Wahlberechtigung für Frauen, Fall von Zugangsbeschränkungen für Frauen an den Universitäten, formale Gleichstellung vor dem Gesetz, Aufweichung von überholten Geschlechterrollen, Gender Mainstreaming - zumindest am Papier - als Grundsatz in Recht und Politik).
Nicht jede Entwicklung muss aber gleich Fortschritt bedeuten, und nicht jede Reform ist eine Verbesserung. Bedeutete Reform ursprünglich eine Verbesserung des Bestehenden, so ist der Reform-Begriff durch die amtierende Bundesregierung (leider stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest, wer mit wem gerade regiert und welche Parteien sich gerade spalten, neu gründen oder so tun, als ob nichts gewesen wäre, das Neuwahlen rechtfertigen würde) geradezu missbraucht worden. Ist eine längere Durchrechnungszeit bei der Pensionsberechnung für Frauen eine Verbesserung? Nein. (Sie ist es nicht, weil 88,7 Prozent der Teilzeitkräfte weiblich sind und Frauen auf Grund von Karenzzeiten häufig geraume Zeit nicht arbeiten, weniger arbeiten oder überhaupt keine Stellung mehr finden.) Ist es eine Verbesserung, wenn das Kindergeld zwar länger ausbezahlt wird, der Arbeitsschutz aber bereits ein halbes Jahr früher endet? Nein. Sind unreflektierte Aussagen - die sich durch Unwissenheit und Niveaulosigkeit eigentlich selbst anklagen - wie „Kind statt Party“ (ich darf an unsere Bildungsministerin erinnern) und konservative Tendenzen in Gesellschaft (unter den KritikerInnen feministischer Diskurse sind erschreckend viele Frauen und junge Mädchen selbst!) und Politik eine Verbesserung? Sie sind es nicht.

Hart erkämpfte Rechte (und von Kampf muss tatsächlich gesprochen werden, geht es doch um soziale Einflussnahme, Macht und ökonomische Ressourcen innerhalb einer Gesellschaft) sind nicht aus dem Nichts entstanden. Sie können jedoch, treten wir nicht aktiv und mit starken Positionen und Argumenten für sie ein, wieder ins Nichts verschwinden. Wenn es in Österreich weiterhin möglich ist, einen Tierarzt als Frauenminister einzusetzen und sexistische Äußerungen wieder salonfähig werden (wer könnte Gunnar Prokops – Ehemann der Innenministerin Liese Prokop! – Aussage vergessen: „Frauen gehören in die Kuchl“), ist es nicht weit zu: Großmutters Zeiten.

Elisabeth Augustin


tsai tung


Teil 5

Auf diesem Blatt Papier hätte von der Omnipräsenz von Sex bei gleichzeitiger vollkommener Phantasieentleertheit in eben diesen Dingen zu lesen sein sollen.
Oder, da im Schauspielhaus zur Zeit Elfriede Jelineks „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte. oder Stützen der Gesellschaft“ auf dem Spielplan steht, vom Männer-Frauen-Verhältnis in ihren Stücken. Von den undifferenzierten Klischeefiguren, die beinahe schon „reizend“ wirken, weil sie so einfach sind.
Doch seit dem Morgen des 30. April ist alles anders. Denn auf dem Weg zu den Sportberichten kam ich nicht umhin, in der Kronen Tsai Tung auf Seite 2 einen neuerlichen literarisch-handwerklichen wie auch inhaltlichen Meilenstein des dichterischen Hofnarren Wolf Martin zu lesen. Zitat: „Ob Kopftuch oder Nonnenschleier - / es ist mir alles lieb und teuer, / was Religion im Volke fest / verankert sein und wirken lässt. / Ob Moslem, Jude oder Christ - / sie wissen noch, was richtig ist / verehren nicht Genuss und Zaster / und kämpfen gegen jedes Laster.“
Als vor kurzem in Rom der katholische Papst Johannes Paul II, der, wie ja die Idee des Papstes an sich, in seinem irdischen Prunk und darin, wie er sich in seiner Rolle und als Person gefällt und vergöttern lässt, durchaus etwas Blasphemisches an sich hat, verstarb, brach ein Trauerrausch bedenklichen Ausmaßes über die Menschen. Die Kameras schweiften über die Massen auf dem Petersplatz, verweilten auf dem verheulten Gesicht einer Blondine mit Playboy-Kapperl, die einen beweinte, der wegen seines beharrlichen und sturen Kondomverbotes dafür mitverantwortlich ist, das Afrika mit dreiviertel aller Aidsinfizierten dieser Welt vor dem Abgrund steht. Der post-katholische Schub, den der Tod des einen Papstes ausgelöst hat, führt sich am anderen fort: Verzückte Girls halten Tafeln mit der Aufschrift „Wir lieben Dich“ hoch für einen alten, konservativen Mann, der aussieht wie eine Nebenrolle in der Fernsehserie „Der Bulle von Tölz“.
„Religion ist Opium für das Volk,“ stellte Karl Marx fest, „Die Religion stützt sich vor allem und hauptsächlich auf die Angst,“ ist die Erkenntnis des englischen Philosophen Bertrand Russell, während der französische Moralist Joseph Joubert zu dem Schluss kommt: „Religion ist die einzige Philosophie, die das Durchschnittshirn verstehen und annehmen kann.“
Es ist eine bedrückende Vorstellung, dass es mehr als eine Milliarde Katholiken auf der Welt gibt, oft willenlose Menschen, denen ein rückschrittlicher Auftrag ins Gehirn gestempelt worden ist. Dass konservativer Stumpfsinn sich aufmachen könnte gegen die Suche nach neuen Ideen für eine bessere Welt.

Mike Markart


„intersexualtität“


fürsorge verstümmeln - oder zur biomedizinischen rekonstruktion von „intersexualität“.

zur welt zu kommen bzw. als ‚mensch‘ in erscheinung zu treten bedeutet in unserer kultur, einem von zwei ‚natürlichen‘ geschlechtern zugeordnet zu werden. nicht nur sehen rechtsnormen ausdrücklich vor, dass der obligatorische eintrag ins geburtenregister erst nach eindeutiger geschlechtlicher zuweisung zu erfolgen hat; tatsächlich stellt sich, wenn sich eine geburt ereignet bzw. verwandte und bekannte davon benachrichtigt werden, als erstes die frage, ob es denn ein mädchen oder ein junge sei. wer fragt danach, warum wir so zweigeteilt werden, im dienste welcher politischer interessen diese geschlechterpolarisierung steht? schließlich ‚funktioniert‘ es ja. der ärztliche blick zwischen die beine kennt keine ausnahmen.
bezeichnenderweise delegiert der westliche staat die definitionsgewalt darüber, was als männchen und was als weibchen zu gelten hat, an eine medizin, die durch das ideologische mäntelchen naturwissenschaftlicher objektivität ihre einbettung in das gefüge des kapitalistischen apparats verleugnet und durch das paternalistisch-fürsorgliche versprechen, ein „normales leben“ zu ermöglichen oder zu erzwingen, ihr politökonomisches interesse an der reproduktion patriarchaler, rassistischer und anders hierarchisierender machtverhältnisse zum humanitären ideal verkleidet.
wann und wie wird nicht-kolonisierend mit ‚intersexualität‘ umgegangen? für emanzipatorische diskurse mag es naheliegend sein, intersexuelle (hermaphroditen, zwitter: weder männer noch frauen) als eine weitere sexuelle minderheit (etwa 2% der gesamtbevölkerung) neben lesben, schwulen und transsexuellen anzuerkennen, etwa im sinne des sexualwissenschaftlichen theorems eines ‚dritten geschlechts‘. ein derartiges unterfangen unterschlägt jedoch, dass „intersexualität“, weit davon entfernt, etwas bestimmtes auszudrücken, ein medizinisches konstrukt ist, welches undifferenziert all jene individuen schubladisiert, welche mit einer irgendwie ‚atypischen‘ und ‚uneindeutigen‘ körperlichen sexuellen differenzierung geboren wurden. wenn es etwas gibt, was (fast) allen intersexen gemeinsam ist, dann die tatsache, dass sie von der medizin als solche kategorisiert werden.
intersexualität, geschlechtliche uneindeutigkeit, kann nur auftreten, wenn es vereindeutigungsversuche gibt. zunächst wird ‚geschlecht‘ an vielfachen größen festgemacht: geschlechtsidentität und geschlechterrolle stehen dem biologischen geschlecht gegenüber, welches selbst wiederum u.a. an (innerer und äußerer) morphologie, genen und chromosomen, dem hypothalamus, den keimdrüsen und (fetalen und pubertären) hormonen ‚abgelesen‘ wird.
normalität ist das kritierium ihrer selbst und des abnormen. gemäß dieser sich selbst begründenden logik folgt aus der fragmentierung des geschlechts unvermeidlich das auftauchen vielfältiger „fehlbildungen“, d.i. individuen mit „unstimmigen“ und „auseinanderlaufenden“ geschlechterdimensionen. geschlechtliche uneindeutigkeit wird bspw. bereits diagnostiziert, wenn die klitoris „zu lang“ oder der penis „zu kurz“ (wofür?) ist.
zur medikalisierung des hermaphroditismus. hatte das gesetz bis ins neunzehnte jahrhundert hinein noch beliebigkeitsmomente in der geschlechtszuweisung anerkannt, so erklärte sich nunmehr ein neuer medizinischer apparat dafür zuständig, eine im geschlecht verborgene ‚wahrheit‘ aufzuspüren. diese sexualmedizinische vision führte zunächst zur willkürlichen privilegierung der keimdrüsen (eierstöcke oder hoden) als letztgültige geschlechtskriterien. damit war es möglich, das ‚eigentliche‘ geschlecht von (nun nur mehr pseudo)hermaphroditen zu bestimmen. anfang des 20. jahrhunderts begannen degenerationsdiskurse, hermaphroditen als monströs und missgebildet zu beschreiben und zu wissenschaftlichen kuriositäten zu objektivieren. aber erst ab den 1950er jahren lief die propagandamaschinerie für die „heilung“ der hermaphroditen durch chirurgische und hormonelle veränderungen des leibes an.
heute ist es gängige praxis, geschlechtlich uneindeutige individuen ab der sechsten lebenswoche durch zwangsoperationen zu vereindeutigen. mindestens jedes 2000. neugeborene erfährt eine medikalisierte zuweisung bereits ab der geburt. ärztInnen eröffnen sich damit millionenschwere experimentierfelder für technologische allmachtsphantasien. den eltern wird fälschlicherweise mitgeteilt, es handle sich um kranke jungen oder mädchen (die diagnose intersex verschwiegen), um sie zur einwilligung in rasche operationen an den selbst nicht einwilligungsfähigen kleinkindern zu bewegen. die dabei erprobten chirurgischen techniken reichen, falls ein ‚vollständiger junge‘ in aussicht gestellt wird, von penisaufbauplastik über harnröhrenverlegung bis zur einpflanzung von silikonhoden, bzw., falls ein ‚richtiges mädchen‘ entworfen werden soll (was, im zusammenhang mit operationstechnischen schranken, in neunzig prozent der fälle vorgezogen wird), von der öffnung einer ‚neovagina‘ inkl. jahrelanger bougierung (dehnung) über verkürzung/amputation von penis/klitoris und keimdrüsenentfernung. diese reduktionistischen geschlechterdefinitionen zeugen von einem unverschämten phallo- und androzentrismus, der vom männlichen standpunkt aus weiblichkeit lediglich als penismangel und loch interpretiert, sie sind effekt eines heterosexuellen reproduktionsapparates, welcher männlichkeit daran festmacht, fruchtbare frauen zu penetrieren und zu besamen. wie, bitteschön, sollen solche genitalverstümmelungen ohne die zerstörung von nervenbahnen, lebenslange schmerzen und eine abtötung des sexuellen empfindungsvermögens möglich sein? was bedeuten die hochdosierten geschlechtspezifischen hormongaben und lebenslangen routineuntersuchungen und -medikamentengaben für die lebenszusammenhänge der betroffenen? wie fühlt es sich an, wenn sie von seiten der ärztInnen jahrelang mit weiteren lügen und halbwahrheiten abgefertigt werden? wer wundert sich über hinweise auf eine 80%ige selbstmordgefährdung bei zwangsoperierten intersexen?
wenn durch die bloßlegung und politisierung dieser verhältnisse entsetzen und die ungläubigkeit hervorgerufen werden, so reflektiert dies den klaffenden widerspruch zwischen dem selbstbild unserer ‚zivilisation‘ und dem faktum, dass die medizin niemals aufgehört hat mit der systematischen assimilation und elimination der momente des nichtidentischen. die empfehlungen humangenetischer beratungsstellen zur abtreibung als geschlechtlich uneindeutig diagnostizierter föten sind nicht strukturell anders als die rassenhygienischen strategien pränationalsozialistischer bevölkerungspolitik.
emanzipative forderungen bleiben offen: wie können die zwangsoperationen an nicht einwilligungsfähigen beendet, die überlebenden rehabilitiert und die beteiligten zur politischen verantwortung gezogen werden? in welchen horizonten können heterosexismus und pathologisierende medizin radikal bekämpft werden?

literatur:
?gigi - zeitschrift für sexuelle emanzipation #8, #9 > www.gigi-online.de
?"intersexualität" und geschlechterkonstruktion > http://gigi.x-berg.de/intersexualitaet
?deutsche gesellschaft für transidentität und intersexualität > www.dgti.org/gender.htm
?jungle world nr. 14/2001 > www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2001/14/inhalt.htm
?die lesbenzeitschrift 25 > http://die.fembit.ch/archiv/25intersexualitaet.htm

Alex Schwinger


wiegenlied



Schlafe mein Kind schlaf ein
wenn die nacht anbricht
dann bist du mein

Im deinem dunklen zimmer
wird uns niemand sehn
Wenn es den herren
hoch oben gibt, ist er ein mann
und wird verstehn.

Schlaf mein kind so schlaf
du bist mein liebes mädchen
folgsam und brav

Dein netter onkel zeigt dir
ein neues schönes spiel
Das schiff sticht ins meer
und in die weiße welle
schneidet sein kiel.

Schlafe mein kind vertraue mir
es ist unser geheimnis
ich verspreche es dir

Ich nehme dich wie du bist
zu klein noch um zu lesen
Ich bin dein erster
und am schluss dein einziger
gewesen.

Drum schlafe mein kind schlaf ein
der traum kennt das vergessen nicht.
Ich werde dein sandmann sein.

Und wenn zärtliche küsse
dich eines tages berühren
wirst meine hände du
meine
nur meine spüren

während meine knochen längst verfauln
bleibst du ein verschrecktes tier
kälte und abscheu
halte ich
lebendig – in dir
und du weißt,
ich bin nicht tot dein körper
gehört noch immer mir.
Mir. Nur mir.

Wie herrlich-grausam die schöpfung
die mir diese macht verlieh
Lauf nur mein kind
dein leben lang
Unser spiel
Unser spiel das endet nie.

Schlafe mein kind du wirst mein
Die nacht kommt für immer
Und ich
Ich dringe tief in dich ein.

Ines Aftenberger


kinder, küche, kirche


über die nähe rechtsextremer und konservativer frauenbilder

Dass Frauen nach wie vor in vielen Sphären der Gesellschaft unterrepräsentiert bzw. aus diesen generell ausgeschlossen sind, liegt auch am Fortbestehen HERRschender Männerbünde. Wenn’s darum geht, dass zusätzliche Konkurrentinnen den eigenen Einflussbereich und die eigenen Privilegien einschränken könnten, dann rücken die Herren plötzlich zusammen und tun alles, um Frauen fernzuhalten.
Diese Strategie kennen wir aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, leider gibt es aber auch Frauen, die damit keine Probleme haben. Kanzlergattin Doris Schröder-Kopf bekannte in einer deutschen Talk-Sendung, es mache ihr Freude, nur für ihren Mann da zu sein und ihm die Hemden zu bügeln.
Neben dieser versteckten, exisitert aber auch die offene Frauenfeindlichkeit weiter und feiert fröhliche Urständ‘. Joseph Ratzinger, Nachfolger von Papst Johannes Paul II., lehnt es entschieden ab, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Klar, die höheren Ämter sind in der katholischen Kirche (und nicht nur in dieser) den Männern vorbehalten, während Frauen Kinder gebären und Kirchen putzen dürfen, und sich ansonsten gefälligst still verhalten und dulden sollen (so wie Maria, Mutter Gottes – des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.)
Jörg Haider (früher FPÖ, jetzt BZÖ) machte sich Gedanken über die besonderen Bedürfnisse, die seiner Ansicht nach jede Frau haben sollte, in „Freiheit, die ich meine“ (1993) schreibt er:
„(...) hat man schon einmal darüber nachgedacht, dass die Frau von ihrer biologischen Struktur her ein ausgesprochen starkes Schutz- und Sicherheitsbedürfnis wegen ihrer Kinder hat? Mutterliebe ist durch Vaterliebe nicht zu ersetzen. (...) Das Recht auf Chancengleichheit und Entscheidungsfreiheit für die Frau ist unbestritten, aber man sollte auch darauf achten, ihren Gefühlen keine Gewalt anzutun und ihr das Frau- und Muttersein nicht beinahe schon zu verbieten.“
Als Reaktion auf den Feminismus ist in den letzten Jahren eine Gegenbewegung, der Maskulismus, entstanden. Probleme haben die Maskulisten nicht etwa mit traditionellen Rollenzuschreibungen an Männer, sondern mit der Diskriminierung durch den Feminismus, der inzwischen die westliche Welt regiere. Gefordert wird u.a. ein Verbot jedweder Quoten für die Aufstellung von Frauen als Kandidatinnen für politische Ämter und getrennter Unterricht für Buben und Mädchen (Mädchen haben im Durchschnitt bessere Schulnoten als Buben, was nach Ansicht der Maskulisten daran liegt, dass Mädchen im Unterricht bevorzugt werden). Organisationen wie „Vateraufbruch für Kinder“ (BRD), „SOS Papa“ (Frankreich) oder „Fathers 4 Justice“ (GB) nutzen den Sympathievorschuss seitens der Gesellschaft gegenüber Vätern, die sich um ihre Kinder kümmern (oder dies zumindest vorgeben), um durch Lobbyarbeit ihre Forderungen durchzusetzen. Ziele sind u.a. die gemeinsame Elternschaft nach Scheidungen (obwohl in der Regel die Frau die Erziehung und Versorgung der Kinder übernimmt, könnten die geschiedenen Männer sich in sämtliche Entscheidungen einmischen), die Abschaffung der Scheidung aus Verschulden und jedweder Versorgungszahlungen für die Frauen und Unterhaltszahlungen für die Kinder, sowie der Kampf gegen „falsche Behauptungen ehelicher Gewalt“. Der Feminismus wird von den Maskulisten für alles und jedes verantwortlich gemacht: hohe Scheidungsraten, Auseinanderfallen der Familie, Selbstmord der Männer, Gewalt, Konsumgesellschaft, Drogenabhängigkeit, überfüllte Gefängnisse, Verkehrsunfälle, Homosexualität (!) etc., etc.
Ein Muster, das auch im Diskurs Rechtsextremer immer wieder auftaucht.
Kriemhild Trattnig (FPÖ) sieht in der Emanzipation der Frauen die Wurzel allen Übels schlechthin:
„Längst überholt sind jene Thesen von speziellen Emanzen, Ideologen und Meinungsmachern, welche uns jahrelang einredeten, dass der Fortschritt unaufhaltsam sei, die Betreuung und Erziehung unserer Kinder ebensogut, ja noch besser von staatlichen Einrichtungen aller Art erledigt werden kann und dadurch die Frauen über die Ausübung eines Berufes sich selbst verwirklichen können. Wohin dieses ausschließlich ichbezogene, rein wirtschaftliche und materialistische Denken und Handeln führt, sehen wir heute in allen Ecken und Enden. Umweltzerstörung (34 Millionen Tonnen an Schadstoffen jährlich in Europa), Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Jugendkriminalität, Drogenabhängigkeit, Zunahme des Alkohol- und Nikotinmissbrauches, starkes Ansteigen von Krankheiten, Krebs, Herz-, Kreislaufschäden und nicht zuletzt die neue Seuche Aids haben ihre Ursachen zum größten Teil in unserer Maßlosigkeit und widernatürlichen Einstellung zum Leben, zur Mutter, Ehe und Familie.“ 1
Den Frauenhass der Faschisten hat Klaus Theweleit in seinem 2-bändigen Werk „Männerphantasien“ 2 untersucht. Auch hier ist es die „böse Frau“, die die Ordnung der Männer durcheinanderbringt. Repräsentiert wird sie durch 2 Gestalten, die ineinander veschwimmen: die Hure und die Proletarierin. Die proletarische Frau ist schamlos, kastrierend (ein „Flintenweib“) und die Angst vor dieser imaginierten Schamlosigkeit, vor dem Monstrum „Frau“ wird mit Kommunismus und Judentum, die das Deutsche Reich, die Rassengemeinschaft vernichten wollen, in Verbindung gebracht. Schlimmer als der schlimmste Kommunist ist für die Faschisten die Kommunistin.3
Den Gegenpol zur schamlosen Kommunistin/Jüdin repräsentieren die aufopferungsvolle Mutter, die, ohne mit der Wimper zu zucken ihre Söhne im Schlachtfeld dem deutschen Reich opfert, und die asexuelle, reine (Kameraden-) Schwester (Ehefrau).

Die Rechtfertigung und Erklärung gesellschaftlicher Zusammenhänge und Rollenverteilungen mittels Biologisierung sind seit dem Siegeszug des Neoliberalismus im Vormarsch. Die rechtskonservative Regierung in Österreich versucht, Frauen wieder verstärkt in klassiche Rollen zu drängen (z.B. mithilfe der Gebärprämie „Kindergeld“).
Viel weiter gehen dabei noch Rechtsextreme. „Rechtsextreme Diskurse repräsentieren die harten Varianten traditioneller Frauenbilder; Rechtsextreme sprechen in aller Deutlichkeit jene Wunschvorstellungen an, die auch so mancher Rechtskonservative gerne verwirklicht sähe.“ 4
40 Prozent aller Frauen in Österreich haben keinen eigenen Pensionsanspruch. Ihre Existenz ist nur durch ihren Ehemann/Lebenspartner gesichert.
Gegen gesellschaftliche Ignoranz und Dummheit gibt es leider keinen Schutz, wir können uns nur immer wieder dagegen wehren.

Romana Scheiblmaier

1 Kriemhild Trattnig, Zum Muttertag 1987, zit. nach Brigitte Bailer-Galanda: Frauenbild und Frauenrepräsentanz im österreichischen Rechtsextremismus. www.doew.at
2 Band 1: Frauen, Fluten, Körper, Geschichte; Band 2: Männerkörper – Zur Psychoanalyse des weißen Terrors; erstmals erschienen 1977.
3 „Die Rosa Luxemburg ist ein Teufelsweib (...) Rosa Luxemburg kann das Deutsche Reich heute straflos zugrunde richten, denn es gibt keine Macht im Reiche, die ihr entgegentreten kann.“General Maercker an Freikorps-Soldaten, zitiert nach Theweleit, S.84.
4 Brigitte Bailer-Galanda: Frauenbild und Frauenrepräsentanz im österreichischen Rechtsextremismus. www.doew.at


die weibliche dreifaltigkeit:


frau – mutter – erwerbstätige

Von Macht und Geschlecht

Die „Waffen der Frau“ sind nicht erst nach dem gleichnamigen Film zum Thema geworden. Welche Waffen dürfen Frauen einsetzen, um zu Macht zu gelangen? Und von welcher Macht ist hier eigentlich die Rede? Politische Macht, finanzielle Macht (häufig gepaart auftretend), gesellschaftliche Macht, … Die Mächte in unserem Leben sind vielfältig, – ebenso vielfältig wie die Möglichkeiten sie zu erlangen? Darf eine Frau ihre sexuellen Reize einsetzen, um so über die Schwachstelle des starken Geschlechts ihre Ziele zu erreichen? Genereller Chorus: NEIN! Es zerschlage alles bereits Erreichte der Frauenbewegung. Ist es legitim, über die so genannte Frauenquote zu einer höheren Position zu kommen? Und wieder hört man oft ein lautes NEIN! Frauen sind schließlich keine bedrohte Art, die nur über Gesetze und Regelungen, oder über einen Weltfrauentag (1:364) zu der ihnen zustehenden Anerkennung kommen können. Welche Mittel bleiben da noch, wo doch die Zahlen der Realität eine deutliche Sprache sprechen: 6% Frauen in der Wissenschaft, über 25% geringere Bezahlung für denselben Job, nicht einmal 10% des Besitzes weltweit, … Die schlechtere Stellung der Frau ist nicht zu übersehen. Doch wer sich – egal ob in Politik, Wissenschaft oder Wirtschaft – für die „Frauenfrage“ einsetzt, belohnt wird es selten. Die Schlagworte: Quotenfrau, Karrierehemmnisse, Frauenförderungsprogramm.

Von Sex und Medien

In den Medien sollen und müssen Frauen vor allem hübsch, oder zumindest attraktiv hergerichtet, sein. Berufliche Eignung, das lässt sich machen. Aber das erschreckt mich noch weniger. Erschreckender finde ich ja – und da bin ich keineswegs allein – was, folgt man dem Tenor der Frauen- und Teenmagazine, frau so alles machen soll, um das Geschlecht des Mannes zu erfreuen. Schmink- und Diättipps fehlen in so gut wie keinem Magazin (und zwar in jeder Ausgabe!) Sind aber zweifellos nur ein kleiner Teil dessen, was frau so alles leisten soll. Da sind unter anderem noch die typgerechte Kleidung – und, natürlich: das sexuelle Verhalten. Sex sells! Nicht umsonst auch der Titel dieser „ausreißer“-Ausgabe. Aber dieses äußerst private Thema, das im Großen und Ganzen nur zwei bis drei Personen betrifft, wird zu einer erlernbaren QualiFICKation im Kampf um das, was der Frau ja scheinbar am wichtigsten zu sein scheint: den Mann! Die persönlichen Vorlieben scheinen da weniger zu zählen, als den (potentiellen) Partner mit allen nur erdenklichen Praktiken zu erfreuen und so zu halten (Frau ? Qualität, Mann ? Quantität). Da wird die Reizwäsche zur Dienstkleidung, der Blowjob (Anm.: es heißt nicht umsonst Job) zum Sex-Basic und die Intimrasur zur Erfüllung von Kleinmädchenträumen. Der beste Freund (wohl gemerkt nicht Freundin) dieser „Berichte“: Die Statistik (pers. Anm.: 86% aller Frauen sind mit den sexuellen Künsten ihrer Partner unzufrieden). Die Schlagworte: Jung, hübsch, willig.

Über Familie und Arbeit

Wenn man Frauen fragt, wie es, ist Arbeit, Familie, Haushalt und (selten vorhandene) Freizeit unter einen Hut zu bringen, lautet die häufigste kurz und prägnante Antwort: Scheisse! Kein Wunder, denn ohne ausreichende finanzielle Möglichkeiten (Kinderbetreuung, Haushälterin, …) ist es ein 28-Stundenjob, für den leider nur ein 24-Stundentag zur Verfügung steht. So ist es auch kein Wunder, dass viele Frauen in dieser Situation auch noch allein erziehend sind, um so nicht noch ein zusätzliches „Kind“ betreuen zu müssen. Denn das wäre mit einer Vollzeitbeschäftigung – der seltensten Beschäftigungsform der österreichischen Frau – nun wirklich zu viel. Die geringere Bezahlung wurde ja bereits angesprochen, die schlechteren Aufstiegschancen auch. Denn obwohl die Gebärfähigkeit der Frau von der konservativen Regierung als höchstes Gut gepriesen wird, stellt sie für die wirtschaftlichen Vertreter dieser Sektion gleichzeitig auch das größte Hemmnis für deren Einstellung/Beförderung dar. Denn jede Frau will auf jeden Fall einmal mindestens ein Kind („Mei ist des liab, a dududu …“)! Seltsam nur, dass die Geburtenrate stetig vor sich hin sinkt! Aber um diesen Trend zu bremsen gibt es ja ein neues Motto: „Kinder kriegen, statt Parties feiern!“ Ich persönlich halte das aber für einen unüberlegten Standpunkt, wenn man bedenkt, wie viele Kinder in der Folge einer feucht-fröhlichen Party entstanden sind… Aber ein Kind macht ja noch keine Familie, zumindest nicht für die oben angesprochene Regierungsfraktion und ihre medialen Vertreter. VMK (Vater-Mutter-Kind) ist die Devise und zwar vereinigt im heiligen Stand der Ehe. Wie schon Egyd Gstätter in seiner Kolumne 1 mit … ähm… mehr als subtiler Ironie zu Papier brachte, ist eine Ehe die einzig richtige Form, eine Familie zu gründen – und auch zu erhalten. Mit unbeschreiblicher Polemik macht er damit AlleinerzieherInnen, oder andere – wie er es wohl nennen würde – alternative Familienformen implizit herunter. Das Letzte was er noch mitteilt, ist seine Suche nach einer medial vorzeigbaren Ex-Ehefrau, die „launisch, streitsüchtig, egomanisch“ 2 sein sollte. Scheinbar der einzige Grund sich scheiden zu lassen – mit einer wahren Xanthippe vermählt zu sein! Ehe ist und bleibt ansonsten das Beste. Immerhin liegt die nach wie vor einzige Möglichkeit, sozialfähige, gesunde, glückliche Kinder zu erziehen in einer (lieblosen, gewalttätigen, emotional belastenden …) Ehe. Die Schlagworte: heilige Ehe, heilige Hure, unheilige Arbeit.

Ulrike Freitag

1 Egyd Gstätter: Anpfiff, Kleine Zeitung, 13. März 2005.
2 Vgl. Ebda.


sexuelle emanzipation und klopapier



Eigentlich ist „es“ ja die natürlichste Sache der Welt. Aber so natürlich wie diese ominöse „Sache“ im Grunde sein soll, lässt sich meist nicht darüber reden. Und soviel Schwachsinn wie es im Bereich der Sexologie (von der psychoanalytischen Sexualforschung bis hin zu angeblich fortschrittlicher Aufklärungsliteratur) gab und gibt, kann nur auf eines hinweisen: Wir haben ein Problem mit dem „Sex“!
Und tatsächlich: Sex ist nicht natürlich! Sexualität ist natürlich, aber wie man diese „praktiziert“, wird durch die Normen der Gesellschaft und Kultur bestimmt. Was als kulturelle Sexualität das Sexualleben prägt, ist oft reinste Perversion, nennt sich aber „normales Verhalten“. Die „Logik“ der sozial-kulturellen Fortschritte im Bereich des Sexuellen macht ja aus ehemaligen Perversionen das „ganz Normale“ – meist in Berufung auf die Kategorien des „Natürlichen“ oder der (rechtlichen) „Gleichstellung“. So erlangen auch früher tabuisierte sexuelle Verhaltensweisen den Status sozialer Anerkennung.
Von der öffentlichen Bett-Performance John Lennons und Yoko Onos, den Sex, Drugs and Rock´n Roll-Orgien, künstlerischen Body-awareness-Happenings über die Tradition der Nacktflitzer und der Soft-Pornos im öffentlichen Fernsehen (meist wie „Baywatch“ im Kinderprogramm), bis hin zur öffentlichen Inszenierung homosexueller Beziehungen (gerade up to date!), erweist sich die Geschichte der sexuellen Emanzipation als permanente Normalisierung des einst Verbotenen. Dank Seifen-Werbung konnte man in den 70er Jahren einen Sekundenblick auf spitz in die Sonne gerichtete weibliche Brüste erhaschen, dank Humanic nimmt man Teil an der Erotik weiblicher Homosexualität oder an Bondage-Spielchen. Spätestens bei den unschuldigen Fragen 5-jähriger Kinder über die „Aussage“ derartiger Werbe-Spots wird einem klar: Das Normale ist im Bereich des Sexuellen schwer zu erklären! Wie sollte man also „ganz natürlich“ darüber reden, da ja das Anormale normalisiert wird, d. h. das Unnatürliche wird (ist) ja natürlich!

Die Idee der Natürlichkeit des Sex – der wohl lustvollste pseudo-revolutionäre Anarchismus der 60er Jahre – kam letztlich aber vor allem dem männlichen Sexualhunger zugute. Denn eines darf man nicht vergessen: Je „williger“ die „Weibchen“ – und die sexuelle Allzeitbereitschaft (wenn auch vorgetäuscht) gehört heute ja im Sinne weiblicher Selbstfindungsdoktrin schon zum guten Ton – um so größer ist insgesamt ja das Angebot für den Hetero-Mann (falls dieser in Zeiten „neuer“ Männlichkeit nicht lieber zum Sexual-Therapeuten geht!). Jedenfalls hatte man mit dem Slogan der Natürlichkeit des Sex gegenüber den sich zierenden „Weibchen“ (auch das gab es in der Geschichte!) endlich ein schlagkräftiges Argument, das sich auch noch als Protesthaltung gegenüber gesellschaftlicher Scheinmoral interpretieren ließ. Selbst die „Weibchen“ sollten endlich ihren natürlichen Sexhunger ausleben dürfen – in freier Natur, im Kino, auf den Rücksitzen der Automobilindustrie, im Alkohol- und Drogenrausch zu neuen Erfahrungen! Ungeklärt war allerdings aus sexologischer (d. h. aus philosophischer, biologischer und psychologischer) Sicht, ob es einen weiblichen Sexualtrieb, der dem männlichen vergleichbar wäre, überhaupt gibt! Gegen diesen männlich-sexistischen Zweifel half nicht einmal Janis Joplins „Get it while you can“!

Mit der Möglichkeit der chemischen Hormonsteuerung durch die „Pille“ konnten sich endlich auch die feministischen Emanzipationsbewegungen die Natürlichkeit des Sex unter dem Slogan der „freien Liebe“ auf ihre Fahnen heften und das Recht der Frau auf ein erfülltes Sexleben einklagen. (Die Gerüchte verstärkten sich, auch die Frau könnte „Spaß“ am Sex haben – egal ob homo- oder heterosexuell!)
Die ironische Wendung der Geschichte dieser sexuellen Emanzipation der Frauen war und ist: Aus den einstmals unwilligen Opfern männlicher Sexgier wurden langsam willige Opfer, die sich sogar selbst auf die Suche nach ihren erogenen Zonen und Lustzentren machten. Aber wo sind sie nur? Zur Beantwortung dieser beinahe schon mystischen Frage sei ein kleiner Ausflug in die abstruse (weil männlich-sexistische) Denkgeschichte über die weibliche Sexualität erlaubt:

Exkurs: Der (männliche) Schwachsinn in der Sexologie – eine andere Aufklärung

Als Freud die weiblichen Genitalien betrachtete (natürlich vor dem „geistigen“ Auge!), erstarrte er in männlicher Fassungslosigkeit: Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte gemäß seiner psychoanalytischen Sexualtheorie. Die Frau durfte nicht einmal ansatzweise etwas in der Art haben wie es dem Mann lächerlich-grotesk zwischen den Beinen baumelte – immerhin war (ist) dies des Mannes ganzer Stolz! (Wie man sich auf diese evolutionsgeschichtliche Bauchhautverlängerung etwas einbilden kann, bleibt wohl für immer ein Rätsel!) Jedenfalls musste auch das seltsame rudimentäre und offensichtlich so ganz sinnlose kleine Knorpelchen wegretuschiert werden – also erklärte er dieses kleine Ding zur Ursache krankhafter weiblicher Sexualempfindung (z. B. Viraginität) und verlegte den legitimen Ort der wahren weiblichen („reifen“) Orgasmusfähigkeit einen Stock tiefer. Da er sich die Frau nur als kastrierten Mann vorstellen konnte, holte er sexualtheoretisch nach, was die Biologie offensichtlich bislang versäumt hatte und gleichzeitig gebar sein geistiges Auge (genannt wissenschaftlich-objektives Denken) das weibliche Trauma der nächsten 100 Jahre – das Primat des Vaginal-Orgasmus. Der klitoral ausgelöste Orgasmus wurde zum Tabu – bis in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts (durch den berühmtberüchtigten Kinsey-Report sowie durch Masters/Johnson) die Kehrtwende kam: Irgendwie schien sich die Lustempfindung wieder um dieses kleine Ding zu konzentrieren – ob als Auslöser oder alleiniges Zentrum. Feministinnen ergriffen die Gelegenheit und verbannten die gewalttätige Männlichkeit frohlockend als funktionsperverses Machtinstrument aus dem heiligen Gral. Mitte der 80er Jahre erstand der nächste männliche Mythos des weiblichen Orgasmus: jener des G-Punktes. Dieser lag (zumindest in der männlichen Theorie) nun endlich wieder im Vaginalbereich – also dort, wo er von männlicher Seite aus auch hingehört. Mittlerweile ist auch dieser ominöse G-Point nur mehr ein weiterer Mythos und es gibt schon einen neuen (bitte selbst herausfinden!). So manche Frau behauptet ja, in dieser Hinsicht gehöre das alles irgendwie zusammen. Wäre es da nicht möglich, dass V.-, K. -und G. nur im männlichen Gehirn orgasmustheoretisch getrennt sezierbar sind?
Als Erkenntnis bleibt: Es müsste endlich eine Sexualwissenschaft von Frauen für Frauen geben! Aber würde „der Mann“ die Wahrheit über die Natur der weiblichen Sexualität ertragen können? (Exkurs Ende)

Erwin Fiala


historischer überblick



Seit der Antike, in der Johann Jakob Bachofen den Beginn des Patriarchats verortet hat 1, steht die Frau unter dem Mann. In dieser Zeit argumentierte man vor allem mit einer fehlenden Körperwärme. So meinte Aristoteles, dass mangelnde Körperwärme bei einem Fötus dazu führe, dass er weiblich wird. Durch diese mangelnde Wärme entstehe ein Wesen, das weicher, flüssiger, kälter und überhaupt formloser sei als ein Mann.2 Während der männliche Grieche jung, agil, sportlich, stark und vor allem intelligent sei, sei die Frau das alles nicht. Bedeutend war dieser Unterschied vor allem, weil in dieser Zeit zum ersten Mal Privateigentum wichtig wurde – durch die Aufwertung der Männlichkeit konnte man die männliche Erblinie legitimieren. Das Eigentum blieb immer in der Familie des Mannes, auch wenn dieser ohne Nachkommen vor seiner Frau starb, denn dann musste ein anderer männlicher Verwandter seinerseits die Witwe ehelichen oder ihm fiel ohnehin das gesamte Erbteil zu.
Im Mittelalter war Erbtrennung, vor allem in der feudalen Schicht, nicht von großer Bedeutung, das Ziel war, sich mittels Heiratspolitik zu vergrößern, es war egal, ob die Frau oder der Mann der Erbträger war. Männliche und weibliche Zuschreibungen waren in dieser Hinsicht nicht ausschlaggebend. In der feudalen Oberschicht hatten Frauen sogar bestimmte repräsentative Aufgaben, die einem Mann nicht zustanden. In der Unterschicht hatten Frauen genauso zu arbeiten wie ein Mann, da beide zum Überleben des gemeinsamen Haushalts beitrugen, gab es weniger Unterschiede.
Wichtig wurde der Unterschied zwischen Mann und Frau diesbezüglich erst wieder zur Zeit der industriellen Revolution, und hier vor allem im Bürgertum. Während die Arbeiterschicht vor allem ums Überleben zu kämpfen hatte und Frauen als bessere, weil billigere, Arbeitskräfte gesehen wurden, strebte das Bürgertum danach, sich dem Adel anzupassen. Zu den Aufgaben der Frau gehörte es Kinder zu gebären und zu erziehen und die Familie bei Festen und Feiern zu repräsentieren. Die Aufgabe der Männer war es das Geld zum Erhalt der Familie zu verdienen. Durch das „Berufsverbot“ der bürgerlichen Frau gelangte der Mann zu einer absoluten Herrschaft über sie, da sie ökonomisch 100%ig von ihm abhängig war. Begründet wurde diese Rollenverteilung und die Herrschaft des Mannes vor allem damit, dass eine Frau weniger intelligent als ein Mann sei. So meinte Otto Weiniger: Eine Frau muss unintelligent sein, denn ansonsten kann sie keine Kinder bekommen. Er sah tatsächlich eine Verbindung zwischen der Intelligenz einer Frau und deren Milchproduktion.3
Derlei Meinungen trieben in der Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts die Trennung der Gesellschaft in männlich und weiblich immer weiter. Während die Frau hysterisch, emotional, schwach, kränklich, irrational und vor allem Natur war, war der Mann rational, stark, gesund, geradlinig und Kultur. Seine Aufgabe war es, die Natur zu beherrschen und zu kultivieren. So versuchte Sigmund Freud vergeblich, die Natur der Frau zu verstehen, sie blieben für ihn „wie ein dunkler Kontinent“, den man nicht erforschen kann.4 Er begründete diese These mit der Irrationalität der Frauen, eine stringente Logik in ihren Gedanken und ihrem Handeln sei nicht zu sehen.
Dennoch braucht auch vor diesem Hintergrund der Mann die Frau, und das nicht nur, um sich fortzupflanzen. Er braucht sie als Spiegelbild. So meint Hegel in seiner Herr-Knecht-Dialektik, dass es ohne einen Herren keinen Knecht geben könne und umgekehrt. Und erst wenn sich beide in ihrer Rolle akzeptieren, funktioniere das gesellschaftliche Gebilde. Dieser Meinung schließt sich Simone de Beauvoir insofern an, als sie meint, dass die Frauen nur deshalb in ihrer Situation stecken, weil sie sich in ihrer Rolle akzeptieren und sich nicht in das Universum der Männer eingliedern wollen.5
Ein Aufbrechen der gewohnten Strukturen erfolgt erst am Ende des 19. Jahrhunderts und ging vor allem von der Arbeiterschicht aus, denn in dieser erkannten und spürten die Frauen die Ungerechtigkeit mehr als in der Schicht des Bürgertums. Die ersten Frauenbewegungen entstanden in den USA, aus den Sklavenaufständen. Zu den ersten Forderungen gehörten in erster Linie das Recht auf Bildung, das Recht einen Beruf zu erlernen und vor allem das Wahlrecht. In Europa gab es die ersten Frauenrechtsbewegungen in Frankreich, England und Deutschland. Die Forderungen und die Trägerinnen der Revolution blieben die selben wie in den USA. 1919 konnte das Wahlrecht für Frauen in Österreich durchgesetzt werden, ein sehr revolutionärer Schritt, wenn man bedenkt, dass in der Schweiz (im Halbkanton Appenzell-Innerrhoden) Frauen erst seit 1990 als vollwertige Bürger gesehen werden. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern dauern aber nach wie vor an und es wird noch einige Zeit und viel Arbeit brauchen bis es zu einer kompletten Gleichstellung von Mann und Frau sowohl im Berufs- als auch im Privatleben kommt.

Ina Labugger-Schober

1 Ernst Bornemann: Das Patriarchat. Frankfurt am Main: 1975. S. 80.
2 vgl.: Richard Sennett: Fleisch und Stein. Berlin: Suhrkamp 1997. S. 54.
3 Otto Weininger: Geschlecht und Charakter.
4 Sigmund Freud: Drei Abhandlungen der Sexualtheorie. Frankfurt: Fischer 1983. S. 109.
5 Beauvoir, Simone de: Das andere Geschlecht. Reinbeck: Rowohlt 2000. S. 751.


mutter vs. embryo – die abtreibung



Abgetrieben wurde immer. Ob erlaubt oder verboten, in jeder Zeit gab und gibt es Frauen, die diese Entscheidung treffen mussten und müssen.
Diese wird mannigfaltig beeinflusst – um nur einige Faktoren zu nennen: die Umstände die zur Schwangerschaften führten, das Alter der potentiellen Mutter, das soziale Umfeld, die Meinung des Kindsvaters, die finanzielle Situation und natürlich der Einfluss von Gesellschaft und der Kirche, der man zugehört. Die Entscheidung einer Abtreibung muß in Österreich prinzipiell innerhalb der ersten drei Monaten getroffen werden. Der Schwangerschaftsabbruch ist hierzulande nur über diese, erst hart erkämpfte, Fristenregelung (= straffrei, aber nicht legal!) möglich, mit der im Jahr ca. 20.000 Abtreibungen (Abbruch ist nicht meldepflichtig) durchgeführt werden.
§ 97 Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs
„(1) Die Tat ist nach § 96 nicht strafbar,
1. wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird; oder
2. wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder eine ernste Gefahr besteht, daß das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde, oder die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist und in allen diesen Fällen der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird.“ 1
Ein Abort zu einem späteren Zeitpunkt kann dann erfolgen, wenn das Kind geistig oder körperlich schwer „geschädigt“ sein könnte, was sich an und für sich gegen das Gleichstellungsgesetz und die Menschenrechte behinderter Menschen richtet, doch oft erst nach der 12. Schwangerschaftswoche feststellbar ist.

Tatsächlich wird der Umstand der alleinigen Entscheidungsfreiheit der Frau (also ohne Erlaubnis des potentiellen Vaters) noch immer in Frage gestellt. So fordert ein Vertreter der Maskulismus-Bewegung2, der Rechtsanwalt von Steven Hone, ein junger Brite, der seiner (mittlerweile Ex-) Freundin per Gerichtsverfahren die Abtreibung verbieten wollte, ein gesetzlich verankertes Recht auf Mitbestimmung der betroffenen Väter. Dies würde aber nicht mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte konform gehen, das besagt, dass während der gesamten Schwangerschaft Mutter und Embryo rechtlich gesehen ein und dieselbe Person sind und aufgrund des Rechts der Mutter an ihrem Körper niemand außer ihr über die Fortsetzung oder den Abbruch einer Schwangerschaft, bei der sie allein die psychische und körperliche Last trägt, zu befinden hat.3
Ein Großteil der Bevölkerung in Österreich ist katholischer Konfession, die Meinung der Vatikans zu diesem Thema ist bekannt: Abtreibung ist Mord und sollte auch als solcher bestraft werden, oder wie der Benedikt XVI es – noch als Kardinal – postulierte: „Das ist eine Kultur des Todes“4. Das war jedoch nicht immer so, erst durch Thomas von Aquin kam es zur Unterscheidung zwischen beseeltem und unbeseeltem Fötus, er „[...] setzte den Eintritt der Seele bei männlichen Kindern um den vierzigsten Tag und bei weiblichen um den achtzigsten fest.“ 5 Und schließlich ist es ja die Seele des Fötus, die zu retten sei. Die Meinung der Kirche(n) (vom Kondomverbot des Vatikans gar nicht zu sprechen!) und ihrer extremen Anhänger6 (wer kennt sie nicht, die 10-Personen Aufmärsche in der Herrengasse mit den entsprechenden Plakaten?) wirkt sich natürlich über ihre gesellschaftliche Dominanz massiv auf die Entscheidungsträgerinnen aus. Die Meinung der erwähnten Anhänger geht jedoch noch weit über den Abbruch einer bereits bestehenden Schwangerschaft hinaus. Viele von ihnen sehen schon das Einsetzen der so genannten „Morning-After-Pille“, oder gar der Spirale und der Pille als eine Form der Abtreibung.7 All das geht enorm zu Lasten der Frauen. Ihnen wird die Bürde aufgedrängt, jedes in sich heranwachsende Leben (ob gewollt oder nicht) in sich zu nähren, auszutragen und für es zu sorgen wodurch ihr Leben maßgeblich beeinflusst und auch eingeschränkt wird.
„Es verletzt eine ganze Reihe von Grundrechten der Frau. Es verletzt den Kerngehalt ihres Persönlichkeitsrechts: Ihr Recht auf Leben und auf Gesundheit, auf körperliche Integrität. Ihre Gewissensfreiheit und ihre moralische Autonomie, ihre Entscheidungsfreiheit. Das weltweit anerkannte grundlegende Menschenrecht auf selbstbestimmte Mutterschaft.“ 8
Davon leitet sich die Auffassung des SVSS (Schweizerischen Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs) über den Beginn des Lebens ab: „Der Embryo ist nicht ‚selbständiges Leben’. Er kann sich nur im und durch den Körper der Frau entwickeln, in vollständiger Abhängigkeit.“9 Daraus entsteht bereits das nächste Problem: Soll ein Embryo rechtlich einem bereits geborenen Menschen gleichgestellt werden? Ist es nur ein Keim, ein paar Zellen, oder hat es Personenstatus und damit auch den Wunsch zu leben? Können sich ein „paar Zellen“ etwas wünschen? Was im common sense einen Menschen definiert, ist unter anderem sein Verständnis von sich selbst, seine Sprache (welcher Art auch immer) und seine Fähigkeit Wertüberzeugungen zu bilden. Dinge die wir ein paar Zellen - auch wenn sie das Potential haben, sich zu einem solchen Individuum zu entwickeln - nicht zusprechen würden (=Potentialitätsargument). Zudem wird einem Embryo erst nach dem 4. Monat Schmerzempfindlichkeit zugestanden.
„Diesem Gebilde Rechte zuzuerkennen, kann daher wohl ein Akt des persönlichen Glaubens sein, der respektiert werden muss, aber es ist in einer pluralistischen Gesellschaft absolut unzulässig, diese Auffassung der Allgemeinheit aufzuzwingen. Die Situation ist völlig anders in Bezug auf den Fötus im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft, wenn die Erhaltung des Lebens zur Aufgabe von öffentlichem Interesse wird.“ 10
Man sieht also, dass der Beginn des menschlichen Lebens (und damit der Rechte innerhalb einer Gesellschaft), der nicht rein biologisch festgelegt werden kann, viel Platz für Interpretationen lässt. Eine Tatsache, die es einem nicht unbedingt leichter macht, sich eine Meinung zu bilden, ob man Abtreibung nun für Mord hält oder nicht und wie die gesetzliche Regelung auszusehen hat. Und trotzdem – Proteste überall auf der Welt. Die einen kämpfen für das Recht auf Abtreibung und Selbstbestimmung über ihr Leben, die anderen belagern Abtreibungskliniken. Werden in Graz, „lediglich“ stille Demonstrationen oder Nachtwachen mit Gebeten in der Nähe der betreffenden Arztpraxen abgehalten, sind die TV-Bilder aus den USA hinlänglich bekannt: Aufgebrachte Demonstranten versuchen Frauen auf dem Weg in gynäkologische Zentren aufzuhalten, attackieren deren Ärzte, bis zum Mord reichen die skrupellosen Gewalttätigkeiten jener Fanatiker. Folgende, sich durch reale Vorfälle ergebende, Logik stößt sauer auf: Ein Abtreibungsgegner ermordet einen Abtreibungsarzt und wird daraufhin zum Tode verurteilt. Vielleicht ist ja das die „Kultur des Todes“ von der der ehemalige Kardinal Ratzinger spricht …

Ulrike Freitag

1 http://www.bizeps.or.at/info/bka/stgb.html#text97
2 siehe Artikel „Kinder, Küche, Kirche“ in dieser Ausgabe
3 Vgl. www.femfacts.de
4 Vgl. Kleine Zeitung, 20.04.2005 (vgl. dazu weiters Bischof Laun, www.stjosef.at/dokumente/helfen-strafen-laun.htm)
5 Vgl. Simone de BEAUVOIR: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Rowohlt: 1951, S. 165.
6 Vgl. www.lebensbewegung.at, www.youthforlife.net, etc.
7 Vgl. ebda.
8 http://www.svss-uspda.ch/de/ethik/ethik.htm
9 Vgl. ebda.
10 http://www.svss-uspda.ch/de/ethik/bioethik.htm



impressum
ausreißer #05

Herausgeberin und Chefredakteurin
Evelyn Schalk

Redaktion
Ulrike Freitag
Romana Scheiblmaier


AutorInnen
Ines Aftenberger
Elsabeth Augustin
Erwin Fiala
Ina Labugger-Schober
Mike Markart
Alex Schwinger


Foto
Ulrike Freitag

Zeichnungen
Walter Felber

Cartoon
Tinka Velichkova

Gestaltung
Andreas Brandstätter

Kontakt: Evelyn Schalk, Tel.: 0676/300 93 63,
mail: evelyn.schalk@stud.uni-graz.at

Standorte: Forum Stadtpark, das andere Theater, Palais Thienfeld, Geidorfkino, Mediathek, Spektral, Radio Helsinki, Neie Galerie, Schauspielhaus, Uni-Hauptbibliothek(Foyer)

Thema der nächsten Ausgabe: "imagine"- Musik und Literatur im politischen Kontext
© Die Rechte verbleiben bei den AutorInnen

download: ausreißer #05 als pdf version mit bildern

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[News/artifex/11.12.2005]





    News/artifex


    31.05.2011 Europäisches Kino ganz nah!

    23.11.2010 pantherion needs you NOW

    18.05.2009 Black Box

    15.05.2009 Das amüsante Geschäft zwischen Weinlokal und Ministerium

    10.05.2009 Brandrede

    20.04.2009 Der Riesenjoint - the true story

    04.02.2009 KiG! - die antwort

    12.01.2009 KiG! - das quiz

    11.01.2009 woerter

    03.11.2008 ÜBERLEBENSGESCHICHTEN 1938 - 2008

    17.10.2008 Die Erfüllung großer Erwartungen

    03.09.2008 Dein Land gibt es nicht

    19.03.2008 BARE DROMA ("Wanderungen") von Norbert Prettenthaler und Stefan Schmid

    18.03.2008 Wie Wahrnehmen in Vertrauen eingebettet sein kann

    17.03.2008 Das Hirn wird populär!

    11.02.2008 Interview mit Daniel Hafner

    08.11.2007 In Afrika bei Graz

    04.10.2007 Einladung zum Herbstfest von RADIO HELSINKI 92,6fm

    03.10.2007 Trost records – 6th anniversary!

    14.02.2007 ST.ANDRÄ/GRAZ: CHRISTIAN EISENBERGER, „ERROR NO SIGNAL“

    22.12.2006 eine hymne fuer KiG!

    22.08.2006 ausreißer X

    07.08.2006 Kerstin Barnick-Braun: Notizen zum Sammeln als künstlerische Strategie

    25.06.2006 ausreißer IX

    24.04.2006 ausreißer VIII

    28.02.2006 SEWTEETH

    15.02.2006 ausreißer VII

    03.02.2006 CODE INCONNU

    30.01.2006 Nam June Paik gestorben

    18.01.2006 Eröffnungsfilm der DIAGONALE 06

    12.01.2006 ausreißer VI

    11.12.2005 ausreißer V

    29.08.2005 Transmitter 2005: Gegen den Mainstream bürsten!

    08.07.2005 Europäisches Netzwerk für freie Theaterarbeit gegründet

    10.04.2005 ausreißer IV

    01.04.2005 ausreißer III

    20.03.2005 der "ausreißer" bei der DIAGONALE

    10.03.2005 DIAGONALE 14. bis 20. März 2005

    25.01.2005 ausLage live cam

    17.01.2005 der ausreißer - die grazer wandzeitung

    29.12.2004 Susan Sontag ist tot !

    20.12.2004 ausreißer II

    07.11.2004 FIRN - PLUTO FOOTAGE

    27.10.2004 Legendärer Popstar-Entdecker John Peel gestorben

    11.10.2004 Nobelpreis für Austrokoffer

    11.10.2004 081004 martin krusches logbuch

    07.10.2004 Elfriede Jelinek ist Literaturnobelpreisträgerin 2004

    05.10.2004 Die Kunst des sozialen Zusammenhalts - Theater & Partizipation

    28.09.2004 UNSERE FRAU PRÄSIDENTIN KRIEGT DEN PREIS!

    15.07.2004 no milk_no honey

    01.07.2004 ausreißer I

    14.06.2004 WeiberDiwan 2/04 im Netz

    09.06.2004 ECHO von kulturen in bewegung mit dem Weltkulturkalender

    06.04.2004 neue CD: Novi Sad

    29.03.2004 NIL: Kunstraum + Café

    11.03.2004 TIB Film-Tipp

    09.02.2004 Nina Schedlmayer: Look at your unconsciousness!

    05.02.2004 Gewinnerin des Stückewettbewerbes der Berliner Schaubühne

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