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ausreißer VII

+++ Thema: Gewalt und Diskriminierung +++

inhalt:
/editorial
/reflux
/einheitsfrisuren, folterkammern
/wie man sich selbst diskriminiert
/gewalt kostet leben
/gewalt und diskriminierung
/wir die anderen
/frieden
/das mahlstädter kind
/praktische Arbeitsmarktpolitik


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Editorial


Gültigkeitsanspruch

Dass alle Menschen gleich sind, besagt ein weltweit gültiges Papier, das - obwohl in jedem Land gleich gültig - so vielen gleichgültig ist.

Gewalt und Diskriminierung, allgegenwärtig, gleichzeitig dringen sie kaum vor, dringen kaum in uns hinein, denn wenn sie das tatsächlich täten, würden wir sie nicht so einfach hinnehmen, wie es rund herum der Fall zu sein scheint. Die verschiedensten Ausprägungen, von körperlicher, psychischer, verbaler, struktureller Gewalt nehmen wir hin, denn sie trifft viele von uns nur sekundär. Doch dieses hier konstruierte „uns“ und „wir“ steht nicht für einzelne Menschen einer Menge, sondern vielmehr für eine oberflächenpolierte Gesellschaft, die all jene, die dem scheinbar all umfassenden Glamour, der sich in längst bestimmten Parametern mißt, nicht zuträglich sind (an deren Situation aber genau diese Gesellschaft die alleinige Schuld trägt), am liebsten unsichtbar werden lassen möchte - und das gelingt ihr auch recht gut. Läßt diese Masse sich doch lenken, läßt ihr Leben lenken - „Zuschauer in weichen Sesseln, drücken auf Knöpfe“ 1 - Gewalt funktioniert automatisch...

Weder die Mittäterschaft durch Wegschauen noch die vorgeschobene Pflichtentbundenheit durch Hilflosigkeit wollen wir hinnehmen und haben deshalb vorliegende Nummer unter dieses Thema gestellt. Dass es nicht nur uns so geht, bewiesen die zahlreichen, aus unterschiedlichsten Perspektiven formulierten Beiträge, die in der Redaktion eingelangt sind. Eine weiter reichende Auseinandersetzung mit der Thematik, und zwar auf einer Ebene, auf der eine solche tatsächlich und frei von gängigen Maulschlössern möglich ist, scheint also aktuell mehr als an der Zeit zu sein. Diesem Signal folgend ist dies der erste Teil einer Doppelausgabe, die sich beide dem Schwerpunkt „Gewalt und Diskriminierung“ widmen und deren zweiter Teil im Jänner 2006 erscheinen wird.

Gegen die Scheindiskussionen die mehr verschweigen als sie zur Sprache bringen, weil sie ohnehin nur den Knopfdrückern das Wort reden, gegen die zugedröhnte Abstumpfung und vor allem gegen jene Gleichgültigkeit, die der Unmenschlichkeit so unmittelbar den Weg ebnet.

Evelyn Schalk

1 Gioconda Belli: Gegen jede Hoffnung. In: Ich bin Sehnsucht - verkleidet als Frau. München: dtv 2005, S


Reflux


Kultur der Stacheldrähte

Kleidungsstücke, Schuhe, Stoffetzen, hängen geblieben in den todbringenden Drähten des Stacheldrahtes gingen in den letzten Tagen als Nachrichten-Illustration mit Symbolkraft um die Welt. Auf dem hermetisch abgeriegelten Weg in eine lebenswerte(re) Zukunft, als Ergebnis der verzweifelten Forderung nach dem bißchen Gleichheit, das für jede(n) von ihnen soviel mehr bedeutet, als das Stück Papier auf dem das Recht darauf seit mehr als fünfzig Jahren geschrieben steht. Auf diesen Umstand wies jemand anläßlich eines, wie könnte es heuer anders sein, exakten 50-Jahr-Jubiläum vehement hin. In der Rede zum fünfzigsten Jahrestag der Wiedereröffnung des Österreichischen Burgtheaters brachte der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani die Verzweiflung derer, die in Marokko seit Wochen gegen die Drähte der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla, gegen die Drähte der Festung Europas rennen, in eine der Hallen eben dieses Europas, die sich so maßgeblich als eine dessen großer Kulturstätten empfindet. Kermani spach von den ungezählten Toten der gescheiterten Überfahrten auf großen Frachtern und kleinen Schlauchbooten zwischen Tanger und dem spansichen Festland, und begann sie zu zählen, die gefundenen und registrierten zumindest und kam zur furchtbaren Bilanz von dreizehn- bis fünfzehntausend Toten in den letzten fünfzehn Jahren - die Straße von Gibraltar stellt damit das „größte Massengrab Europas“ 1 dar.
Vor fünfzig Jahren schien das blutigste Gewaltregime der Geschichte überwunden, ein über ein Jahrzehnt am Vernichten gehaltenes Massenmordsystem, das den Glauben an die Existenz und die Möglichkeiten von Kultur mit den Millionen Menschen, die seinen Anhängern zum Opfer fielen, zerstört zu haben schien. Gewalt gegen Kultur und Kultur versus Gewalt.
Vor wenig mehr als fünfzig Jahren „wußte“ niemand von den Stacheldrähten um die Vernichtungslagern der Nazis, wußte nicht im Sinne von wollte nicht die brutale Kehrseite der hohlen Phrasen zu Gesicht bekommen, nicht nicht nach innen schauen, den Kern der Sache nicht kennen. Heute wollen die wenigsten nach außen schauen, obwohl niemand behaupten kann, die Bilder nicht zu kennen. Lieber erliegen all jene die mit offenen Augen den Blick und vor allem die Reaktion darauf verweigern, einmal mehr der Propaganda. Heute lautet sie „Das Boot ist voll“ (wer einmal hingesehen hat bei den Frachtschiffen und den Schlauchbooten fragt sich wohl auf welches diese Behauptung am ehesten zutrifft) - Mord als Selbstschutz? Mit der Enthumanisierung durch diese Ideologie wurde er schon vor fünfzig Jahren millionenfach begangen.
Und die Kultur? Unter der Fuchtel von Machtinteressen gehalten und selbst mit einem Stacheldrahtzaun bekränzt/grenzt 2 wird sie sich weiter schwer tun, etwas gegen Unmenschlichkeit auszurichten. Eine Aufforderung zur Grenzüberschreitung...

Evelyn Schalk

1 In: Navid Kermani. „Europa zwischen Burg und Tanger: Folgen Sie dem Routenplaner!“ Rede anläßlich des 50. Jahrestages der Wiedereröffnung des Burgtheaters, abgedruckt im Standard, 15.,16. Oktober 2005
2 So wurde beispielsweise trotz ihrer Nobelpreisehren Elfriede Jelineks Stück „Burgtheater“ in demselbigen nicht aufgeführt...


einheitsfrisuren, folterkammern


Teil 7

Die xenophobische Grundneigung des österreichischen Volkes wird von der Kronen Tsai Tung fast täglich bedient. Der Krone-Leser weiß inzwischen, dass alle Schwarzafrikaner Drogendealer sind und dass gegen einen EU-Beitritt der Türken eine Volksabstimmung ganz dringend notwendig ist. Dass DIE uns schon mehrmals überrennen wollten und dementsprechend Vorsicht geboten sei (1529 und 1683) weiß ja auch lautstark der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl. Weiß Gott, was in solchen Ländern noch vor sich geht!
Foltern und so.
Unterdrückung.
Im Linzer Polizei-Anhaltezentrum starb vor kurzem der 18jährige Schubhäftling Yankuba Ceesay aus Gambia. In einem Raum, der mit einer speziellen Heizung ausgestattet ist, welche es ermöglicht, die Raumtemperatur auf 45 Grad Celsius anzuheben. Wozu kann so ein Raum, so eine Vorrichtung gut sein? Außer dazu, Menschen vorsätzlich zu quälen? Denn der sozialen Kälte, die vor Jahren damit Einzug hielt, dass eine schwächelnde ÖVP sich mit Haiders Nazi-FPÖ zusammentat, um Österreich auf ihre Art zu regieren, kann man damit ja schwerlich begegnen wollen.
Also existieren in Österreich offensichtlich noch immer Folterkammern. Darüber, was in ihnen passiert, tagtäglich, schweigen jene, die sich ihrer bedienen. Eine gleichgeschaltete Exekutive, mit Einheitsfrisuren und dem ein und derselben Denkkammer entsprungenen Weltbild von Ordnung und Anstand, hatte schon immer ein Auge auf jene, die auf den ersten Blick als Außenseiter dieser Gesellschaft zu erkennen sind.
Ich wurde im Laufe meines Lebens ungewöhnlich oft kontrolliert. Beim Spazierengehen in der Grazer Innenstadt.
Zum Beispiel. Schon als Jugendlicher.
Lenker- und Fahrzeugkontrollen nehmen in Bezug auf meine Person gegebenenfalls epische Ausmaße an.
Diese Aufmerksamkeit, die mir zuteil wird, hat mich jedoch immer wieder belustigt. (Fotos unter: http://members.aon.at/markart_mike/galerie.htm
Im August 2004 stirbt der 38jährige Nigerianer Edwin Ndupu in der Justizanstalt Stein an den Folgen einer „Amtshandlung“. Dass jene, die ihn zu Tode geprügelt haben nicht zur Rechenschaft gezogen werden, entspricht einem österreichischen Muster. Aber auch den Vorstellungen von Gewalt, Unterdrückung und Diktatur. Ihr Auftraggeber ist das Justizministerium. Unabhängige Experten werden zur Wahrheitsfindung nicht zugelassen...

Mike Markart


wie man sich selbst diskriminiert


Eine Gebrauchsanweisung in einfachen Schritten

Beruf

Schon das Einstellungsgespräch ist von maßgeblicher Bedeutung. Es ist wichtig, sich und auch dem potentiellen Chef, immer vor Augen zu halten, dass es weitaus bessere und vermutlich auch jüngere Bewerber gibt, die den von Ihnen angestrebten Posten übernehmen könnten. Führen Sie niemals Ihre speziellen Kenntnisse an, es interessiert keinen, dass Sie als Bester ihres Jahrgangs abgeschlossen haben oder dass Sie fließend fünf Sprachen und zwei Zuaheli-Dialekte sprechen! Wenn Sie schon so unverfroren waren, Gehaltsvorstellungen zu äußern, versuchen Sie niemals einen Kompromiss zwischen Ihren Vorstellungen und denen Ihres Chefs zu finden, nehmen Sie seinen Vorschlag immer gleich als den besseren an. Sollten Sie aus unerfindlichen Gründen tatsächlich jemanden gefunden haben, der bereit ist Sie auszubeuten, ist es zunächst wichtig anzuerkennen, dass es absolut nötig ist sein eigenes Licht immer unter den Scheffel zu stellen. Heben Sie also nie Ihre eigene Leistung hervor. Beteuern Sie immer, es wäre ohne Ihr Team (das vorwiegend aus weitaus talentierteren Schleimscheissern als Ihnen besteht und niemals auch nur einen Finger rührt) auf keinen Fall möglich gewesen, das gewünschte Ergebnis auch nur ansatzweise zu erreichen. Beschweren Sie sich niemals bei Ihrem Arbeitgeber über das ausufernde Mobbing dem Sie ausgesetzt sind, freuen Sie sich lieber, dass Sie überhaupt soziale Kontakte haben und von jemanden bemerkt werden!
Andere wichtige Grundregeln wären: Niemals eine Gehalterhöhung einfordern (nicht einmal darum betteln). Unbezahlte Überstunden nicht als Zumutung betrachten. Geschäftsessen niemals in Rechnung stellen, seien Sie lieber froh, dass Sie nicht schon wieder allein essen müssen. Lächelnd zu Boden Blicken und sich schämen, wenn Sie vom Chef oder Kollegen ungerechtfertigt zur Sau gemacht werden.

Familie

Ihre Eltern haben Sie in diese Welt gesetzt und müssen jetzt, genauso wie alle andern mit dieser erdrückenden Tatsache leben. Fragen Sie sie also niemals, warum sie Ihre Geschwister mehr lieben als Sie - die Antwort liegt auf der Hand die Sie regelmäßig schlagen sollte. Versuchen Sie sich niemals von Ihren Eltern zu emanzipieren, sie wissen ohnehin besser, was gut für Sie ist und was nicht. Schenken Sie ihrem alkoholkranken Vater immer ohne Vorwurf (wie sollte er Sie nüchtern auch ertragen?) seinen Lieblingswein zum Geburts-, Namens- und Vatertag etc., wischen Sie wortlos seine Kotze vom liebevoll gedeckten Gabentisch und entschuldigen Sie sich anschließend glaubwürdig bei ihrer Mutter, dass Sie es waren, der durch ihre Lenden in diese Welt kroch.

Liebesbeziehungen

Sollten Sie tatsächlich jemanden gefunden haben, der bereit ist sich Ihnen in amouröser Hinsicht zuteil werden zu lassen, stellen Sie ihn auf ein Podest und verankern Sie es gut. Da die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass Sie nur die Affäre der von Ihnen angebeteten Person sind, sein Sie niemals bekümmert darüber! Halten Sie sich lieber vor Augen, dass Sie allein ja niemals ausreichend sein könnten, jemanden glücklich zu machen. Sollte es Ihrem Partner, auch wenn er nicht bereits anderweitig gebunden ist, unangenehm sein, mit Ihnen gesehen zu werden, tragen Sie es ihm auf keinen Fall nach, nicht einmal Sie selbst sehen sich gern im Spiegel. Nehmen Sie lieber etwas ab (pro „du fette Sau“ sollten ca. 5kg reichen), kaufen Sie sich chice Klamotten, lassen Sie sich Haar- oder Brustimplantate verpassen und wundern Sie sich nicht darüber, wenn auch das nichts ändert. Wenn Sie sich so glücklich schätzen können, dass ihr Partner sich weit genug dazu herablässt, Sie auf intime Art und Weise zu berühren (das gilt auch dann, wenn er es nur mit Einweghandschuhen macht), wundern Sie sich nie darüber, dass Sie zuvor einen Sack über Ihr Gesicht gezogen bekommen, die Finsternis soll es Ihnen nur erleichtern sich besser auf Ihre Sinne zu konzentrieren. Sagen Sie auch nie, wenn Ihnen etwas unangenehm ist oder Ihr Schamgefühl verletzt wird und antworten Sie auf die rein rhetorische Frage ob Sie gekommen sind auf jeden Fall immer mit „Ja“, auch wenn Sie eigentlich gar nicht wissen, was damit gemeint ist. Fordern Sie auch niemals Liebesbekenntnisse ein, nicht einmal heimliche, Sie wissen ja selbst nichts Gutes über sich zu sagen, wie sollte das ein anderer können?

Alltag und Freundschaften

Sagen Sie nie etwas Positives über sich selbst, es wirkt nicht nur unglaubwürdig, auf andere, sondern auch abstoßend – egal was Ihr Therapeut dazu sagt (und den sollten sie wirklich haben und auch gut bezahlen, niemand will freiwillig Zeit mit Ihnen verbringen). Üben Sie sich regelmäßig im Arschkriechen, das ist der einzige Form von Körperkontakt, den andre von Ihnen erwarten (abgesehen von den die bereits angesprochen sexuellen Dienstleistungen), es sollte also angenehm und tief genug sein. Verweilen Sie nie zu lange an ein und demselben Ort, das würde das Öko- und Sozialsystem zu sehr belasten. Streuen Sie Ihre Anwesenheit aber auch nicht zu weit und halten Sie sich an Orte, an denen der von Ihnen verursachte Schaden nicht weiter ins Gewicht fällt, z.B. Tschernobyl, Partei-Zentralen, Antarktis, Weißes Haus, …
Zahlen Sie den Menschen, die Sie für Ihre Freunde halten immer alles (Getränke, gemeinsame Essen oder Lebensmittelrechnung, wenn sie sie zufällig an der Kasse treffen). Übernehmen Sie freiwillig lästige Aufgaben für diese wundervollen Geschöpfe, die barmherzig Ihre bloße Anwesenheit ignorieren und vergessen Sie niemals dazu zu sagen, dass Sie das gern machen (auch wenn Ihnen ohnehin niemand zuhört). Wenn es anderen schlecht geht, oder jemand Ihnen die Schuld für sein eigenes Versagen gibt, entschuldigen Sie sich unterwürfig und belästigen Sie diese Person nie wieder mit ihrer Gegenwart, halten Sie sich auch von Orten fern, an denen Sie ihr begegnen könnten.
Kurzum: Geben Sie sich immer mit allem zufrieden und stellen Sie sich niemals die Frage nach Ihrem eigenen Wert – es ist eine Frage ohne Antwort!

Dankesworte

Ich möchte mich hiermit untertänig bei dem genialen und mich noch unwürdiger als unwürdig erscheinen lassenden, Umberto Eco bedanken, ohne dessen Buch „Wie man mit einem Lachs vereist“ ich niemals auf die Idee gekommen wäre, dies hier zu verfassen. Ebenfalls dankende Worte möchte ich an Paul Watzlawick richteten, der mich mit seiner „Anleitung zum Unglücklichsein“ inspiriert hat, mein Dasein noch kläglicher werden zu lassen. Auch wenn ich nicht weiß, ob dieser jämmerliche Beitrag gedruckt wird – und ich will sie durch mein Nachfragen nicht in die peinliche Situation bringen, Ausreden erfinden zu müssen, warum sie nicht mit mir reden kann – bedanke ich mich noch herzlich bei meiner Chefredakteurin, dass ich diesen Artikel überhaupt einreichen durfte. Ich bin mir der Zumutung dies lesen zu müssen durchaus bewusst.

Ulrike Freitag


gewalt kostet leben


Strukturelle Gewalt gegen Frauenhäuser

Durch das neue Gewaltschutzeinrichtungsgesetz wird nun zwar erstmals der Rechtsanspruch von vor Gewalt schutzsuchenden Frauen und Kindern festgeschrieben, doch gleichzeitig sind Frauenhäuser von massiven finanziellen Einbußen betroffen. Weiters werden die Grundpfeiler von Anonymität, Vertraulichkeit und Autonomie zurückgedrängt.

Wenn eine Einrichtung, die seit Jahren Frauen und Kindern Schutz gegen Gewalt bietet, kostenlos Beratung, Wohnmöglichkeit, sowie Hilfe und Unterstützung bei weiteren Schritten in ein gewaltfreies Leben zur Verfügung stellt, ihr Leistungsangebot um wesentliche Inhalte zu reduzieren gezwungen ist, ist das an und für sich schon mehr als ein Armutszeugnis für einen demokratischen Staat, der jedem und jeder die bestmögliche Absicherung gegen Gewalt bieten sollte, ganz zu schweigen von sozialen Standards, die hierzulande ohnhin seit geraumer Zeit weit abgeschlagen hinter jenen von Profit- und Machtgeilheit der Allianzen zwischen Wirtschaft und Politik liegen. Dass dies aber durch ein Gesetz vakant wird, das den Betroffenen eigentlich zugute kommen sollte, macht einmal mehr deutlich, wie weitreichend die Folgen tatsächlich sind, wenn die Regeln des freien Marktes jenen Lebensbereichen aufdoktriniert werden, deren Streben nicht auf ökonomischer Gewinnmaximierung basiert, sondern auf Gewinne menschlicher Natur setzt, die ein Leben ermöglichen, das diese Bezeichnung auch verdient.

Fakten

Mit dem Inkrafttreten des neuen Steirischen Gewaltschutzeinrichtungsgesetzes werden auch die finanziellen Ansprüche der beiden Frauenhäuser in Graz und Kapfenberg neu geregelt. Konkret bedeutet das, das nicht mehr eine jährliche Subvention zur Verfügung gestellt wird, sondern nach festgelegten Tagsätzen abgerechnet wird. Diese müssen die geamten Sach- und Personalkosten abdecken und sind dafür bei weitem zu niedrig bemessen. Die Folge:eine Kürzung der MitarbeiterInnen auf sechzig Prozent - was das für die Betreuung der Betroffenen bedeutet, liegt auf der Hand. Weiters wurde die Besetzung von 22 bis 6 Uhr vom Land Steiermark nicht anerkannt, die Streichung der Nachtdienste, gegen die man sich bis zu letzt sträubte, ist nun unausweichlich. Mit 14. Novemer wird auf Rufbereitschaft umgestellt, das heißt, gerade nachts ist niemand vor Ort, der in Krisensituation rasch Hilfe leisten und/oder schutzsuchende Frauen in Gefahrensituationen schnell aufnehmen kann - unverantwortlich. Weiters besteht durch das neue Gesetz Anzeigepflicht - ein Faktum, das betroffene Frauen neuerlich unter Druck geraten läßt; das Vertrauensverhältnis zwischen Betroffener und Betreuerin geht verloren. So auch der Schutz durch Anonymität. Innerhalb von drei Tagen muß ein Antrag auf Gewährung eines Platzes im Frauenhaus gestellt werden - inklusive Daten wie Namen, Geburtsdatum etc. sowie eine detailierter Schilderung der Gefahren, der die betreffende Frau ausgesetzt ist. Ein bürokratischer Akt, der auch wenn die Daten „nur“ beim Land verbleiben, eine enorme Verunsicherung der Betroffenen bedeutet und sie womöglich davor abhält im Frauenhaus Schutz zu suchen. Auch in der Folge besteht erhöhter Druck bezüglich der möglichen Dauer des Aufenthaltes - nach zwei Monaten muß ein neuerlicher Antrag gestellt werden, maximal sechs Monate werden gewährt, jedesmal eine bürokratische Hürde, jedesmal neuerliches Zittern, jedesmal die Belastung des Sich-Rechtfertigen-Müssen. Es scheint die Annahme zu bestehen, dass es von Menschen, die oft Jahrzehnte andauernder physischer und psychischer Gewalteinwirkung ausgesetzt sind, wohl erwartet werden könne, sich innerhalb einiger Monate wie selbstverständlich ein perfekt funktionierendes Leben aufzubauen...

Ein Gesetzesentwurf zur Nivellierung des betreffenden Paragraphen ist bereits in Planung. Bleibt im Sinne der Betroffenen wie auch der BetreiberInnen der Frauenhäuser, deren Engagement täglich eine menschliche Leistung darstellt, die jedes Mal aufs neue einen nachhaltigen Schritt in Richtung eines Lebens ohne Gewalt setzt, zu hoffen, dass die zuständigen PolitikerInnen dann nicht nach dem Prinzip des freien Marktes, sondern nach jenem der demokratischen Gleichbehandlung aller entscheiden - eine Aufgabe für die sie, auch und gerade von jenen, einen Auftrag bekommen haben, den sie jedoch nicht nur aufgrund von WählerInnenstimmen, sondern vor allem aus menschlichem Gerechtigkeitsempfinden umzusetzen bestrebt sein müßten.

Evelyn Schalk


gewalt und diskriminierung


oder der Kreisel dreht sich

Soweit es die Geschichtswissenschaft zurückverfolgen kann, hat der Mensch Gewalt ausgeübt. Apodiktisch zur Gewalt gehört Diskriminierung, ohne einander kann dieses Paar nicht funktionieren. Auffallend ist, dass es kaum eine Tätigkeit gibt, bei der der Mensch derartig kreativ war und ist wenn es darum geht Schmerzen zuzufügen: egal ob bei den Sumerern, Hunnen, (spanischen) Inquisitatoren, Nazischergen oder amerikanischen Soldaten im Irak und in Guantanamo. Mit einigen Formen von Gewalt und Diskriminierung beschäftigen sich die Menschenrechte und die internationalen Gerichtshöfe, mit einem weit größeren Teil die Kultur, Literatur, Wissenschaft und ihr nahe stehende Gruppen. Ist die Aufarbeitung von Gewalt nur mehr ein Politikum des Bildungsbürgertums? Gewalt und Diskriminierung gegen einen selbst finden auch in unterschiedlichsten Bereichen der Wissenschaft und Kunst Beachtung: sei es Bulimie, Selbstzerstümmelung, Depression, oder ähnliches.

Diskriminierung ist eine Differenzsetzung, eine Grenzziehung, ein Ein- und Ausgrenzen. Auch wenn die Konsequenzen ähnlich sein können handelt es sich doch um unterschiedliche Formen der Gewalt.

Solipsismus auf der einen Seite ist ein Eingrenzen - Differenzkonstatuierung nach Innen. Die Flucht nach Innen aus Schwierigkeiten mit dem Aussen, Schwierigkeiten? Nein, nicht Schwierigkeiten, Angst: Angst aus unterschiedlichsten Gründen - Konsequenz ist dieselbe: ein Leben als Schatten seiner selbst, soziale Destruktion, diese führt wieder zu Angst. Ein Kreis? Nein, kein Kreis, eine Spirale - der Endpunkt nicht erkennbar. Das einzige was bestimmbar ist, sind die immer schneller - nein, schneller könnte positiv verstanden werden - kürzer werdenden Zyklen. Angst... Angst, allein zu sein! Doch allein ist man in diesem Zustand nicht: der Druck im Hals; das Pochen der Schläfen; das schwere Gefühl im Brustkorb - wie er sich hebt, wie er sich senkt, wie er sich hebt; die Gedanken die scheinbar plan- und ziellos umherschwirren. Ist man da allein? Nein, allein mit Sicherheit nicht - einsam! Ist es die Einsamkeit, die uns Angst macht? Einsamkeit als solche nicht... was ist es dann? Es ist die Angst aus Angst einsam zu sein. Die Spirale auf dem Kreisel dreht sich schneller, ob nach oben, oder unten ist nicht zu sehen - im Grunde genommen auch irrelevant; dass, was überbleibt ist die Angst. Mittlerweile ist auch die Ursache für diese nicht mehr sichtbar. Der Kreisel dreht sich.

Die Misanthropie ist kein eingrenzen, es geht darum andere auszugrenzen - alle anderen! Außer einem selbst. Die Frage, ob man alle, außer sich ausgrenzen kann, bleibt offen. Triebfeder ist der Hass. Ob der Grund dafür noch bekannt ist, bleibt ebenfalls offen. Klar ist nur, dass man hasst. Misanthropie ist Flucht, Flucht vor anderen, aber noch viel schlimmer: Misanthropie ist Flucht vor sich selbst. Misanthropie als Antwort, Antwort einer gekränkten Person, eines unbeachteten Selbstbewusstseins - Versuch, nur Versuch - abwertender Versuch. Das Ego, das erstickt wurde - nein, nicht wie beim Solipsismus durch Selbstzweifel, nein durch einen Schlag von außen kommt es zur Destruktion - oder zumindest erinnert man sich selbst so daran. Das Ziel des Misanthropen ist Hass. Worum sich der Kreisel hier dreht ist also klar. Er weitet seine Kreise nach außen, immer weiter und bezieht somit immer mehr in seinen Hass ein. Denn, der Kreisel er dreht sich.

Misanthropie und Solipsismus sind Versuche einer gekränkten Person vor Situationen zu fliehen - Ziel nicht ungewiss - Ziel ist Angst: Angst zu versagen; Angst missbraucht zu werden; Angst allein zu sein; und die Angst davor, selbst Ursprung dieser Differenzsetzung zu sein. Es geht hier nicht um einen qualitativen Vergleich von gewalttätigen Verhalten und/oder dessen Folgen, sondern um einen Aspekt der bei dieser Themenstellung häufig nicht beachtet wird - in einem der suizidstärksten Ländern Europas aber eine gewisse soziale und gesellschaftliche Relevanz hat. Denn, der Kreisel er dreht sich.

Benjamin Grilj


wir die anderen



Hört man das Wort Diskriminierung, dann denkt man vorrangig an die Ausgrenzung und Beleidigung von Menschen anderer Hautfarbe, Nationalität, Religion, politischer Meinung oder Kultur. Wenn ich an Diskriminierung denke, dann denke ich vor allem an eine Art der Diskriminierung, die den meisten nicht sofort einfällt. Die Diskriminierung von Menschen, die optisch nicht der gängigen Norm entsprechen, sei es, dass sie zu dick, zu dünn, zu groß oder zu klein sind, Narben haben oder sonstige außergewöhnliche Male, die sie von der breiten Masse abheben. Solche Menschen haben es in vielerlei Hinsicht nicht leicht und werden auf unterschiedlichste Weise im Leben diskriminiert.

Welche Arten der Diskriminierung solcher besonderen Menschen fallen mir da ein? Nun, beginnen wir mit der wirtschaftlichen Diskriminierung. Jeder Mensch braucht Bekleidung, elegante Bekleidung für den Beruf, Trainingsoutfits für den Sport und Freizeitkleidung für die meist spärliche Zeit die uns noch frei bleibt. Wie sieht es in den meisten Bekleidungstempeln aus für Menschen, die nicht der Norm entsprechen? Nun, da ich nicht ganz der Norm entspreche und auch viele Leute kenne, die dies nicht tun, kann ich sagen, es ist nicht einfach die passende Bekleidung für die jeweilige Situation zu finden, wenn man nicht Größe 38 hat. In den meisten Geschäften gibt es Bekleidung von Größe 36 bis 44 und alles was darüber oder darunter geht, ist „leider nicht in unserem Sortiment“. Auch wenn man recht klein oder sehr groß ist, ist es nicht einfach bei unseren gängigen Konfektionsgrößen das richtige zu bekommen. Bei „Untergröße“ kann man sich Hosen usw. ja noch abschneiden lassen, aber wenn man ein so genanntes Gardemaß erreicht hat, …, naja, anstückeln geht schlecht! Also muß man hier in Geschäfte gehen, die entweder solche spezielle Kleidung für spezielle Menschen haben, oder sie von einem Schneider extra anfertigen lassen. Und da solche Menschen froh sein müssen, dass sie überhaupt etwas zum Anziehen bekommen, kann man dafür ja jeden Preis verlangen.

Aber Bekleidung ist im Leben ja nicht alles - auch bei Möbeln ist es meist so. Die gängigen Möbel sind dem Durchschnitt der Bevölkerung angepasst. Aber was ist, wenn man alleine schon die 2 Meter lang ist, die normal ein Bett hat, oder man so klein ist, dass man in der durchschnittlichen Küche nichts aus den oberen Regalen holen kann. Klar, ist man klein, kauft man sich eine Leiter, aber ist man groß? Das Zauberwort heißt wieder Extraanfertigung. Klar, man kann sich die Möbel bauen lassen, wie man sie braucht. Aber was kostet das? Mit Sicherheit einiges mehr, als man für „normale“ Möbel bezahlen muss.

Gut, sprechen wir vom Brötchenverdienen. In den meisten Bewerbungsunterlagen muss man ein Foto beilegen. Ist man dem Chef optisch nicht sympathisch, so kann man, auch wenn man die entsprechende Qualifikation hat, meist wieder ohne Job nach Hause gehen. Ist man außerdem in einem Job, der repräsentativ ist (z.B. Verkäuferin, Pharmavertreter), so wird man überhaupt nur dann eingestellt, wenn man über ein attraktives Äußeres verfügt. In manchen Firmen kann man sogar entlassen werden, wenn man z.B. einige Kilos zulegt. Also auch in dieser Lebenssituation ist man, egal wie gebildet, qualifiziert und engagiert man ist, vor Diskriminierung nicht gefeit.

Auch in der Öffentlichkeit ist es nicht einfach, wenn man nicht so aussieht, wie alle. Nun, das „kleinste“ Übel ist das „Angegafft“ werden. Man geht z.B. in Graz bummelnd durch die Stadt und man merkt sie einfach, die Blicke, die einem ins Gesicht starren. Aber das ist nicht alles. Da gibt es noch eine Steigerung. Zu den Blicken kann ein Tuscheln kommen oder ein blödes Lachen, bei dem man in seinem Innersten weiß, was es zu bedeuten hat. Und letztendlich die höchste Steigerungsstufe – das „Anpöbeln“. Man geht vergnügt weiter und ignoriert die Blicke und alles andere und dann passiert es – man bekommt eine blöde Meldung von einem, der sich glücklich schätzen kann, dass er der gängigen Norm entspricht. So wie, „He, du Zwerg“, „He, du fette Sau“ oder „Hast du das Monster gesehen“.

Letztendlich möchte ich noch einen letzten Absatz hinzufügen, einen Absatz, in dem es um die schönste Sache der Welt geht, die Liebe. In der heutigen Zeit ist es schon schwer genug, wenn man Single ist, einen Partner zu finden, in einer Zeit, in der im Fernsehen, in den Zeitschriften und auf Plakaten Menschen sind, die der Masse zeigen, wie sie aussehen soll, in der man sich wünscht, einen Freund zu haben, der aussieht wie Brad Pitt oder George Clooney oder eine Freundin, die eine unglaubliche Ähnlichkeit hat mit Angelina Jolie oder Heidi Klum. Es ist schon schwer genug, wenn man keine „besondere Auffälligkeit“ hat, und mit solchen retuschierten, ge-make-upten, auftrainierten und mit 1000 Filtern fotografierten „Traummenschen“ verglichen wird, die Liebe zu finden. Aber wenn man dann noch „speziell“ ist, ist es schier unmöglich. Durch all die in den oberen Absätzen genannten Diskriminierungen ist das Selbstbewusstsein eines „unnormalen“ Menschen so schon herabgesetzt genug. Sich da auch noch auf ein Risiko, wie z.B. einen Flirt, einzulassen und dabei enttäuscht bzw. diskriminiert zu werden, ist dann noch das berühmte Tüpfelchen auf dem i und wird meistens nicht mehr eingegangen. So leben die meisten zu dicken, zu dünnen, zu großen, zu kleinen Menschen, Menschen mit vielen Narben oder sonstigen Malen meist auch noch alleine. Dabei würden sie sich, wie jeder, wünschen, jemanden zum Reden, zum Anlehnen oder zum Umarmen zu haben.

Sabine Freitag


frieden



Der polizist,
der den achtundzwanzigjährigen erschoss,
der verstört durch die straßen irrte,
erklärte aus notwehr gehandelt zu haben.
Er habe sich durch die mineralwasserflasche
in der hand des mannes bedroht gefühlt,
so der beamte, und das gericht gab ihm recht.

Und du bleibe friedlich und weiche zurück
und gedenke der opfer mit kerzen.
sie pflastern die straßen mit leichen stück um stück
und verhandeln den tod bei sekt und scherzen.


Die genaue
zahl der menschen, die im meer ertrunken sind,
wollte danach niemand mehr feststelln,
einzige sorge war jetzt die abwehr der überlebenden.
An der grenze herrsche krieg warnte ein offizier,
der soldaten für den einsatz schulte,
die er lehrte, sich vor mitleid zu hüten.

Und du bleibe friedlich und weiche zurück
und gedenke der opfer mit kerzen.
sie pflastern die straßen mit leichen stück um stück
und verhandeln den tod bei sekt und scherzen.

Damals zu anderen zeiten schlugen ein paar zurück:
sprengten mit bomben den falschen frieden
und raubten schuldigen leben und glück
aber zu vielen, die hatten sich nie entschieden.


Das unternehmen,
das in asien kinder arbeiten lässt,
senkt nur seine lohnnebenkosten
und steigert den profit, um das wachstum zu erhöhn.
Ja, geht es der wirtschaft gut, geht es uns allen gut
heißt es: wir freun uns über schwarze zahln
in der hoffnung auf einen krümel vom kuchen.

Und du bleibe friedlich und weiche zurück
und gedenke der opfer mit kerzen.
sie pflastern die straßen mit leichen stück um stück
und verhandeln den tod bei sekt und scherzen.


Strukturell nur
ist die gewalt, die weit weg als hunger wütet
und näher rückt in einer wohnung,
die kalt ist im winter, weil kohle zu teuer war.
Und wenn kranke sterben, deren heilung sich nicht lohnt,
nennen wir nicht mord es sondern struktur.

Unabänderlich, jedenfalls in nächster zeit.

Denn wir bleiben friedlich und weichen zurück
zu weise die hand zu erheben
wir pflastern die straße mit kerzen stück um stück.
sie verhandeln das ende von immer mehr leben.


Ines Aftenberger


das mahlstädter kind



Vor einigen Jahren hielt in unserer Stadt ein wandernder Jahrmarkt. Eines Abends, nach langen Stunden in der Kanzlei, ging ich auf dem Gelände spazieren. Der Abend war vom langsam beginnenden Frühling noch warm und die Lichter der Holzbuden und Zelte standen unauffällig vor sich hin summend neben der Stadt. Die Geräusche der Menschen lagen wie ein Geruch in der Luft und vermischten sich mit vereinzeltem Klingeln, denn vor den Schaubuden hingen Büschel hölzerner Glocken, die man als interessierter Kunde durch eine herabhängende Kette betätigen konnte.
Ich entdeckte in einem der kleineren Häuschen eine Skulptur aus braunem Lehm. Der Besitzer, ein alter Mann mit einem dicken Gehstock aus schwarz bestrichenem Holz, lächelte mich eindringlich an, seine Lippen stülpten sich und seine Zähne platzten, als zerrissen sie die glatte Haut einer Frucht, hervor. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Figur ein großes Kind aus Lehm darstellte, das auf dem Boden saß und den Kopf demütig gesenkt hatte. Seine Haut war nicht glatt, sondern mit kleinen Rissen und knöchelgroßen Mulden bedeckt. Der Besitzer erzählte, nachdem ich ihm fast automatisch eine Handvoll Münzen in die Hand gelegt hatte, dass es sich um das Mahlstädter Kind, ein bedeutendes Kunstwerk, handle, obwohl es noch nicht vollendet sei. Der Künstler hatte sich damit begnügt, einem großen Lehmblock sehr ungefähre und vage Züge eines sitzenden Menschen zu geben und hatte es in seiner Heimat Mahlstadt auf dem Marktplatz aufgestellt. Die Menschen kamen in Scharen und wunderten sich über die grobe Schlichtheit, schüttelten sogar die Köpfe und zuckten mit den Achseln, bis der Künstler ihnen erklärte, dass es eben noch nicht vollendet sei. Da zuckten sie wieder die Achseln und murrten, warum er es denn nicht zuerst vollendet und dann auf dem Marktplatz aufgestellt hätte. Der Künstler antwortete, und ballte gleichzeitig seine Hand zu einer demonstrativen Faust, dass jeder Bürger seiner Heimatstadt diese ungenaue Figur mit Schlägen, Tritten und ähnlichem in die bekannte, allen geläufige Form eines Menschenkindes bringen durfte, ja sogar bringen musste, in Sinne einer allgemein künstlerischen Verantwortung und zu diesem Zwecke sei auch kein Zaun wie um die übrigen Kunstwerke der Stadt aufgestellt. Ein paar Tage ging das Leben weiter wie gewöhnlich. Die Figur stand einfach am Marktplatz und die Leute gingen vorbei, jeder mit eigenen Besorgungen und Ermächtigungen beschäftigt und nur ein paar Dorfkinder spielten um das Mahlstädter Kind herum, bekletterten es oder versteckten sich dahinter. Doch dann, so erzählte der Besitzer der Schaubude und trat langsam an die Skulptur heran, fand man gelegentlich einige größere Mulden und Risse auf der lehmigen, aus merkwürdigen Gründen immer noch weich formbaren Oberfläche, allerdings immer erst morgens, nach einer unbewachten Nacht. Wohl hatten die meisten Bewohner Angst, als aggressiv oder anmaßend zu gelten oder fürchteten vielleicht insgeheim die Plumpheit ihres mit aller Kraft zuschlagenden Körpers. Diese Anspannung lockerte sich in einigen Wochen und schließlich schlugen auch am Tag einzelne Passanten zu, manche sogar mit Stöcken oder um die Hand gewickelten Ketten. Das Gefühl, ein großes Kunstwerk mitzugestalten, beflügelte die Gemeinde, in den Ratsversammlungen kam es jedes Mal zu einem Streit um die genaue Form eines landläufigen Menschenkindes; dazu wurden Fotos von allen Kindern des Dorfes und der Umgebung aufgehängt, um daraus einen Mittelwert an Physiognomie und Proportion zu errechnen. Man stellte eine Tafel auf, auf der zu lesen war, welche Stellen der Lehmfigur noch an meisten von der angestrebten Kinderform abwichen und wie diese am besten zu bearbeiten seien. Täglich ging eine Gruppe von Vermessern zur Skulptur und beschriftete die Tafel mit neuen Ergebnissen. Die Kinderform gewann immer mehr an Deutlichkeit und eines Tages befand die Ratsversammlung, dass das Kunstwerk nahe genug an der Vollkommenheit war und dass außerdem die täglichen Gewaltangriffe, wenn sie auch nur auf eine Lehmskulptur gerichtet waren, auf Dauer für die psychische Gesundheit der Bewohner nicht förderlich sei. So wurde ein Zaun errichtet und eine große, in stolzen Lettern geschriebene Aufschrift angebracht, die den besonderen Werdegang des Kunstwerkes für Reisende und Neugierige beschrieb. Die Konsistenz des Kindes blieb unterdessen unverändert weich, formbar, abwartend. Der Künstler wurde zu Versammlungen geladen, alle möglichen Preise wurden ihm zugesprochen, darunter auch der Schlüssel der Stadt, doch er schien nicht mehr in der Stadt zu wohnen, seine alte Wohnung fand man leer geräumt, die Fenster in ihr waren zerschlagen und die Wasserhähne mit roher Gewalt aus den Hälsen gerissen; die Nachbarn gaben an, ihn seit Monaten nicht gesehen zu haben, und er wurde schließlich als verschollen verzeichnet. Zögernd und nachdenklich kehrte Ruhe ein in der Stadt, die sich um eine Attraktion reicher sah. Nach einem harten Winter und dem darauf folgenden Strom an Bettlern und Obdachlosen, der vom Land in die Stadt kam, bildete sich in der Stadt eine Art Untergrundbewegung, die allmählich zu einer Partei anschwoll. Diese Bewegung hatte es sich zum Ziel erklärt, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse umzustülpen und damit auch die Vorstellungen von Schönheit und Gesinnung. Nach den ersten öffentlichen, offenbar ästhetisch motivierten Morden und Foltermärkten, beschloss der Sprecher der Bewegung das Kunstwerk am Marktplatz nach den neuen Vorstellungen umzugestalten. Der Zaun wurde, nachdem er gerade einmal einen Winter lang stehen hatte dürfen, eingerissen und mit den hölzernen Überresten desselben wurde das Kind eine lautstarke und heiße Nacht lang bearbeitet. Dass der Lehm, aus dem es bestand, immer noch weich und für jeden Schlag empfänglich war, wunderte die Neue Bewegung nicht. Sie sah es als einen bestätigenden Wink des Schicksals. Der Kopf des Kinds wurde um ein beträchtliches Maß verkleinert und der Form einer unbeweglichen Spielkugel angeglichen, während der übrige, sitzende Leib durch gezielte und vorausberechnete Schläge – auch die Neue Bewegung stellte eigene Personen für die Berechnungen an, die den charakteristischen blauen Zylinder trugen – mit einem größeren Brustkorb versehen, neben dem die dünnen Beine beinah untergingen. Nach der vollzogenen Umgestaltung der Figur wurde ein Fest veranstaltet und die Ankunft der Neuen Allgemeinen Form eines Kindes mit einem lauten Feuerwerk begrüßt. Zu der Feier waren viele Gastredner und berühmte Persönlichkeiten, die allesamt auf wundersame Weise etwas über das bisher nur stadtbekannte Kunstwerk zu sagen wussten, geladen. Unter den Gastrednern war auch der Name eines völlig unbekannten Kunstgeschichteprofessors, der aus der benachbarten Hauptstadt angereist war. Als dieser schließlich auf die Bühne kam und mit seinem Vortrag beginnen sollte, erkannte die erstaunte Menge in ihm das Gesicht des Künstlers, der einst die unfertige Kinderfigur auf dem Mahlstädter Marktplatz aufgestellt hatte. Nur eine Lesebrille und ein halbtransparenter Bart verdeckten das vor Zeiten so bekannte Gesicht. Nach langen Beifallstürmen und einer von den Veranstaltern eilig improvisierten Lautsprecherdurchsage, welche die Identität des Vortragenden stolz verkündete, legte sich eine erwartungsvolle Stille auf die Zuhörenden. Nach einigen verschwiegenen Sekunden hob der Künstler schließlich seine vom Alter geschwächte Hand und streckte seinen Zeigefinger in Richtung der Zuhörerschaft aus. So verharrte er einige Minuten, in denen er den Kopf gesenkt hielt und an einem Wort mümmelte, das nicht und nicht kommen wollte. Der Künstler versuchte es noch einmal, ließ den Arm fallen und erhob ihn ein zweites Mal, aber auch diesmal kam er über ein leises lallendes Stottern nicht hinaus. Er wirkte völlig ausgetrocknet, seine Gesichtshaut schien an manchen Stellen geradezu abzubröckeln. Da die Menge durch die nicht eingelöste Erwartung einer großen Rede lauter wurde und sogar einzelne Steine und Tomaten auf die Bühne flogen, schritt schließlich die Polizei ein, die den Künstler auf der Bühne zuerst vor Angriffen dadurch schützte, indem sie ihn behutsam und väterlich umzingelte. Die Beamten waren von der Anwesenheit des lebendigen Mythos in einem heldenhaften Hochgefühl. Doch da der Künstler den Arm mit dem unverständlich ausgestreckten Zeigefinger nicht senken wollte, auch nachdem man ihm, zuerst mehr als liebevoll spöttische Warnung denn als Strafe, auf den Arm geschlagen hatte, worauf er einige wortähnliche Laute in verzweifeltem Tonfall von sich gab – bildete sich eine Bewegung, ein finsterer Taumel unter den Polizisten, ähnlich einer Schar von verbissenen Kindern, deren blinde Tritte den Ball, um den sie sich streiten, absichtlich verfehlen. Man fesselte den Künstler unter dem hereinbrechenden Geschrei der Zuhörer und bearbeitete ihn mit Schlägen, Tritten und anderem so lange, bis dieser, ein regloses und verdrehtes, staubtrockenes Bündel, auf den Brettern der Bühne liegen blieb.
Hier endete die Geschichte des alten Mannes, der, nachdem er meinen Dank für seine Erzählung mit einer zerstreuten Verbeugung empfangen hatte, auf ein unscheinbares Preisschild über ihm deutete, auf dem zu lesen stand: Ein Schlag – fünfzig Cent, Zwei Schläge – siebzig, usw. Seine Hand hielt mir einen goldenen Schlagring entgegen. Ich schüttelte den Kopf und winkte mit der Hand ab. Der Besitzer, ohne beleidigt zu sein, zuckte nur mit den Schultern und begab sich, um die nächste Kundenglocke abzuwarten, wieder hinter die Trennwand, wo er, wie man gerade noch erkennen konnte, das Kinn auf seinen Gehstock stützte.

Clemens Setz


praktische arbeitsmarktpolitik


Kontrolle und Zwang

Das AMS macht seine KundInnen arbeitsmarktfähig

Das AMS schickt Langzeitarbeitslose in diverse Weiterbildungs- und Bewerbungstrainingskurse, deren Sinnhaftigkeit oft zweifelhaft ist (praktischerweise tauchen Langzeitarbeitlose in Kursmaßnahmen in keiner Arbeitslosen-Statistik von AMS und Bartenstein-Ministerium auf, ebenso wie PensionsvorschussbezieherInnen, Arbeitslose, die im Krankenstand sind und Arbeitslose, denen ALG oder NSH für 6 – 8 Wochen gestrichen wurde).
Offiziell werden Zuweisungen zu (Um)Schulungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen immer mit dem/der „KundIn“ abgesprochen und vereinbart. Die Realität schaut leider oft anders aus: Nicht nur, dass häufig konkrete Inhalte einer Maßnahme kaum bis gar nicht erläutert werden, wer die Teilnahme verweigert oder den Erfolg einer Schulungsmaßnahme „vereitelt“, dem oder der droht - beim ersten Mal - eine 6 – 8-wöchige Streichung der Notstandshilfe.
Der VwGH hat zwar zur Sperre des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe bei Weigerung an einer Maßnahme teilzunehmen folgendes festgestellt:
„Bei Zuweisung von Maßnahmen zur Schulung, Umschulung oder Wiedereingliederung muss das AMS gegenüber dem Arbeitslosen genau darlegen, welche Defizite seiner Vermittlung auf einen Regelarbeitsplatz entgegenstünden und durch die zugewiesene Maßnahme beseitigt werden sollen und dem Arbeitslosen Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen. (…) Wird der Arbeitslose zu einer Maßnahme verpflichtet, die weder fehlende Kenntnisse noch sonstige Defizite zur Erlangung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausgleicht, darf bei Weigerung der Teilnahme keine Sperre gemäß § 10 Abs I AIVG verhängt werden.“
Soweit die gültige Rechtslage, deren Interpretation ist aber - wie so oft - durchaus dehnbar.

Wer Glück hat, dem oder der predigen freundliche TrainerInnen eh nur, dass eine erfolgversprechende Arbeitsplatzsuche ausschließlich von einem/einer selbst abhängt. „Positiv Denken“ lautet das Schlüsselwort. Völlig ausgeblendet ein verrücktes System, das alles Menschliche einer betriebswirtschaftlichen Rationalität unterwirft, völlig ausgeblendet, dass Vollbeschäftigung (40-Stunden-Woche für alle) nicht mehr realisierbar ist. Wer keinen Arbeitsplatz findet, ist eben selber schuld, kann sich nicht genug durchsetzen, nicht gut verkaufen, ist zu wenig anpassungsfähig, ist den Erfolg nicht „wert“.
Wer Pech hat erwischt autoritäre TrainerInnen, die zu härteren Disziplinierungsmaßnahmen greifen: wer nicht willig ist, tagtäglich auch sinnlose Bewerbungen zu verschicken oder einen angebotenen Arbeitsplatz nicht annehmen will, dem oder der wird mit Meldung seiner „Arbeitsunwilligkeit“ ans AMS gedroht. Folge: Streichung der Existenzgrundlage.

Das AMS behandelt seine KundInnen von oben herab

Das AMS stellt im Falle einer Sperre unbegründete Bescheide aus, die deshalb laut Verwaltungsrecht nicht rechtens sind.
Die Einstellung von ALG/NSH kann nur mit einer Berufung bekämpft werden, die zuständige Berufungsinstanz ist wiederum innerhalb des AMS angesiedelt. Erst jetzt erfährt mensch mittels Bescheid, was einer/einem im Detail vorgeworfen wird. Nun steht aber nur mehr der Verwaltungs- bzw. Verfassungsgerichtshof als letzte Instanz offen! Hier kann - möglicherweise mit Unterstützung der AK - Berufung eingelegt werden (Dauer bis zum Abschluss des Verfahrens: bis zu einem Jahr).

Arbeitslose werden - wie andere sozial Schwache auch - systematisch diskriminiert

Arbeitslose werden in Entscheidungen, die sie betreffen nicht eingebunden. Weder vom AMS noch von der Politik. Top-Manager Claus Raidl berät Bundeskanzler Schüssel in Fragen zur Arbeitsmarktpolitik, der zuständige Minister ist ein Großunternehmer.
Veit Sorger, u.a. Präsident der Industriellen-Vereinigung auf die Frage, ob Österreich sich angesichts angespannter Budgets den Wohlfahrtsstaat in der aktuellen Form noch leisten könne: „Wir haben uns sehr intensiv mit dem dänischen Arbeitsmarktmodell der „Flexicurity“ befasst. Das ist ein intelligentes System und derzeit in Europa am erfolgreichsten. Kündigen ist einfach, weshalb bei besserer Auftragslage auch schnell wieder angestellt wird. Zudem werden Arbeitslose drei Monate lang gut versorgt, mit der Auflage, höchst flexibel jeden angebotenen Job anzunehmen. Wir müssen auch Arbeitslose stärker in die Pflicht nehmen. Wer arbeitslos ist und angebotene Arbeit mehrmals ablehnt, muss mit Abschlägen beim Arbeitslosengeld rechnen.“ 1
Ziemlich deftig die Formulierung der angepriesenen Vorzüge von Arbeitslosen 2 auf der Website eines Verlages der ArbeitgeberInnen der BRD:
„So profitieren Sie von den 1-Euro-Jobs“
Geringe Personalkosten: Ein Zusatzjobber soll 15 – 20 Stunden wöchentlich für Sie tätig werden. Sie zahlen ihm 1 Euro bis 1,50 Euro Stundenlohn, aber weder Lohnsteuer, noch Sozialabgaben.
Keine Arbeitnehmerrechte (…)
Billige und sichere Personalbeschaffung (…) 3
Auf großen Widerstand breiter Bevölkerungsschichten werden diese Wünsche nicht treffen. Nach wie vor gelten Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen als „SchmarotzerInnen“, die halt zwangsverpflichtet gehören.

Wolfgang Schmidt, Romana Scheiblmaier

Aufgrund der zunehmenden Repressionen fordern Arbeitsloseninitiativen seit Jahren eine anerkannte Selbstvertretung. Wie soll die in der Praxis ausschauen und warum ist es so schwierig, mit dieser Forderung durchzudringen?
Eine Art Manifest von Wolfgang Schmidt und Romana Scheiblmaier (Projekt Konstruktive Arbeitslosigkeit, Graz):

Transparenz, Information und Einbindung – das ist eigentlich die Bringschuld derer, die ein demokratisches System behaupten zu organisieren. Und jenen, die immer von repräsentativer Demokratie reden, sei gesagt: Gerade das Problem der fehlenden Information und des mangelnden Wissensstandes löst die repräsentative Demokratie nicht. Wenn die Betroffenen für zu blöd gehalten werden, um in ihrer eigenen Angelegenheit zu entscheiden, was ist dann eigentlich die Grundlage der Wahl? Demokratie ohne Beteiligung ist keine Demokratie. Während das so genannte „Expertentum“ und die wohlwollende (Zwangs-)Behandlung von oben herab überhand nimmt, werden jene, die ihre eigene Lebenssituation am besten kennen, von Entscheidungen ausgeschlossen, und auffälligerweise umso mehr, je sozial schwächer. Was kommt wohl heraus, wenn sich ein Vorstandsmensch Hartz mit seinem Freund Bundeskanzler Schröder über die Höhe der Arbeitslosenunterstützung einigt?
Die Frage, OB Beteiligung legitim sei, ist strenggenommen verfassungswidrig bzw. schlicht undemokratisch! Die zentrale Frage ist vielmehr, WIE eine Beteiligung der Betroffenen aussehen kann und wodurch sie erst ermöglicht wird.

Es ist absurd, zu glauben, dass sozial ausgegrenzte, vereinzelte Menschen, die schlimmstenfalls täglich darum kämpfen müssen, die eigene Existenz halbwegs zu sichern, sich aus dem Nichts heraus zusammentun und eine eigene Institution aufbauen.
Die notwendigen Ressourcen, damit eine Beteiligung Betroffener überhaupt erst möglich wird, können system-logischerweise jene geben, die ArbeitnehmerInnen vertreten („befreundete Organisationen/Institutionen“ wie ArbeiterInnenkammer und ÖGB; nicht zuletzt ist drohende Arbeitslosigkeit ein „geeignetes Mittel“ um jenen Zugeständnisse ab zu pressen, die noch einen Arbeitsplatz haben). Erst wenn ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, können sich Arbeitslose formieren um Inhalte und Forderungen zu erarbeiten. Aussagen von Gewerkschafts- und ArbeiterInnenkammerseite à la „Es gibt keine engagierten Arbeitslosen, deshalb brauchen wir auch keine Ressourcen zur Verfügung stellen“ sind schlichtweg eine Verkennung, ja: Verkehrung der Situation. Dabei muss auch klar sein, dass, wer etwa Geld für Beteiligung/Mitbestimmung gibt, nicht (mehr) bestimmt und über das Ergebnis entscheidet.
Die Beteiligten selbst müssen sich klar werden, was Selbstvertretung bedeutet und ob sie sich diese zutrauen. Fehlende Selbstvertretung bedeutet in jedem Fall, dass mensch bei einer Interessenabwägung nicht berücksichtigt wird, kein Ausgleich stattfindet.
Im Idealfall schließen sich in einem Konkurrenzsystem all jene, die in einer ähnliche (Interessens-)Lage sind, zusammen - arbeitslose InländerInnen, MigrantInnen, SozialhilfeempfängerInnen, prekär Beschäftigte ... -, um das Prinzip „Teile (die Menschen) und herrsche!“ zu durchbrechen.
Welche (eine oder mehrere) zentrale Forderung(en) im Zuge eines repräsentativen(!) Beteiligungsprozesses herauskommen, ist eine offene Frage, die an dessen Ende, als dessen Ergebnis entstehen soll. Deshalb sollte die einzige - weil: notwendige Bündelung der wenigen Ressourcen 4 - momentane Forderung sein: Gebt uns Ressourcen, um einen repräsentativen Beteiligungsprozess zu ermöglichen, also: damit wir diskutieren können, WELCHE Forderungen WIR stellen! - bzw. auch WO im System wir sie stellen …


Arbeitslose beraten Arbeitslose

BERATUNG bei Problemen mit dem ArbeitsLOS: parteiisch, kostenlos, anonym, von + für (Erwerbs)Arbeitslose.
im: Café Palaver, Griesgasse 8, 8020 Graz
jeden 2. Donnerstag von 16 bis 17Uhr.
Kommende Fix-Termine:
03. + 17.11.05, 01. + 15.12.05
Info + weitere Termine: 0699 / 81 53 78 67 (werktags)
e-mail: mob.arbeit@web.de

Tipps und Tricks für den Alltag, Rechtsberatung (KEINE Therapie, Lebens-, SchuldnerInnen-, Steuerberatung, u.ä.: aber Informationen darüber);
Arbeitslose und das Arbeitsamt: Beratung im Umgang bzw. bei Problemen mit dem AMS (inkl. Informationen über das Beschwerdemanagementsystem des AMS: AMS-Ombudsmann);
Beratung bei der Umsetzung eigener Ideen, mit Schwerpunkt auf nichtkommerziellen Projekten (Non Profit): Von der Idee über das Konzept und die Finanzierung bis zur Durchführung;


1 Interview in der „Presse“ v. 13.08.2005
2 Arbeitslose müssen in der BRD seit Jahresanfang (Inkrafttreten von Hartz IV) sogenannte 1-Euro-Jobs annehmen. Verdienst: 1 Euro pro Stunde, zusätzlich zum ALG II = 345 Euro/Monat + Zuschüsse zu Miete, Kleidung und Anschaffungen des täglichen Bedarfs, wenn mensch es geschafft hat den 16-seitigen Antrag mit allen Details zu Lebensverhältnissen auszufüllen.
3 „quer“, überregionale und unabhängige Zeitschrift für Erwerbslose, BRD, 2/2005
4 Anmerkung: darüber gibt es aber zugegebenerweise in der aktiven österreichischen „Arbeitslosen Szene“ keine Einigkeit…






impressum
ausreißer #07

Herausgeberin und Chefredakteurin
Evelyn Schalk

Redaktion
Ulrike Freitag
Romana Scheiblmaier


AutorInnen

Ines Aftenberger
Benjamin Grilj
Sabine Freitag
Ulrike Freitag
Mike Markart
Wofgang Schmidt
Clemens Setz


Cartoon

Verena Wießenböck


Fotos
Bettina Mayer (1), Peter Silie (2-5)


Gestaltung
Andreas Brandstätter

Kontakt: Evelyn Schalk, Tel.: 0676/300 93 63,
mail: evelyn.schalk@stud.uni-graz.at
Thema der nächsten Ausgabe: Gewalt und Diskriminierung Teil 2
© Die Rechte verbleiben bei den AutorInnen

download: ausreißer #07 als pdf version mit bildern



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[News/artifex/15.02.2006]





    News/artifex


    31.05.2011 Europäisches Kino ganz nah!

    23.11.2010 pantherion needs you NOW

    18.05.2009 Black Box

    15.05.2009 Das amüsante Geschäft zwischen Weinlokal und Ministerium

    10.05.2009 Brandrede

    20.04.2009 Der Riesenjoint - the true story

    04.02.2009 KiG! - die antwort

    12.01.2009 KiG! - das quiz

    11.01.2009 woerter

    03.11.2008 ÜBERLEBENSGESCHICHTEN 1938 - 2008

    17.10.2008 Die Erfüllung großer Erwartungen

    03.09.2008 Dein Land gibt es nicht

    19.03.2008 BARE DROMA ("Wanderungen") von Norbert Prettenthaler und Stefan Schmid

    18.03.2008 Wie Wahrnehmen in Vertrauen eingebettet sein kann

    17.03.2008 Das Hirn wird populär!

    11.02.2008 Interview mit Daniel Hafner

    08.11.2007 In Afrika bei Graz

    04.10.2007 Einladung zum Herbstfest von RADIO HELSINKI 92,6fm

    03.10.2007 Trost records – 6th anniversary!

    14.02.2007 ST.ANDRÄ/GRAZ: CHRISTIAN EISENBERGER, „ERROR NO SIGNAL“

    22.12.2006 eine hymne fuer KiG!

    22.08.2006 ausreißer X

    07.08.2006 Kerstin Barnick-Braun: Notizen zum Sammeln als künstlerische Strategie

    25.06.2006 ausreißer IX

    24.04.2006 ausreißer VIII

    28.02.2006 SEWTEETH

    15.02.2006 ausreißer VII

    03.02.2006 CODE INCONNU

    30.01.2006 Nam June Paik gestorben

    18.01.2006 Eröffnungsfilm der DIAGONALE 06

    12.01.2006 ausreißer VI

    11.12.2005 ausreißer V

    29.08.2005 Transmitter 2005: Gegen den Mainstream bürsten!

    08.07.2005 Europäisches Netzwerk für freie Theaterarbeit gegründet

    10.04.2005 ausreißer IV

    01.04.2005 ausreißer III

    20.03.2005 der "ausreißer" bei der DIAGONALE

    10.03.2005 DIAGONALE 14. bis 20. März 2005

    25.01.2005 ausLage live cam

    17.01.2005 der ausreißer - die grazer wandzeitung

    29.12.2004 Susan Sontag ist tot !

    20.12.2004 ausreißer II

    07.11.2004 FIRN - PLUTO FOOTAGE

    27.10.2004 Legendärer Popstar-Entdecker John Peel gestorben

    11.10.2004 Nobelpreis für Austrokoffer

    11.10.2004 081004 martin krusches logbuch

    07.10.2004 Elfriede Jelinek ist Literaturnobelpreisträgerin 2004

    05.10.2004 Die Kunst des sozialen Zusammenhalts - Theater & Partizipation

    28.09.2004 UNSERE FRAU PRÄSIDENTIN KRIEGT DEN PREIS!

    15.07.2004 no milk_no honey

    01.07.2004 ausreißer I

    14.06.2004 WeiberDiwan 2/04 im Netz

    09.06.2004 ECHO von kulturen in bewegung mit dem Weltkulturkalender

    06.04.2004 neue CD: Novi Sad

    29.03.2004 NIL: Kunstraum + Café

    11.03.2004 TIB Film-Tipp

    09.02.2004 Nina Schedlmayer: Look at your unconsciousness!

    05.02.2004 Gewinnerin des Stückewettbewerbes der Berliner Schaubühne

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