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Expropriieren! Expropriieren!
Mein verehrter KiG!-Kollege Walter Schaidinger ist mir zuvorgekommen. Auch ich hatte über einem Textbeitrag gebrütet, der jenes Zeltlager zum Gegenstand gehabt hätte, welches das Innenministerium so um den 15. Mai herrichten ließ (und leider halt nicht für den internen Gebrauch, zum Steckerlbrotbraten und frühsommerlichem In-Sich-Gehen leitender Wiener BeamtInnen in der Buckligen Welt oder so, sondern für einige der gar zu überraschend über Österreich hereingebrochenen Flüchtlinge). Schaidingers Text ist lesenswerter, als es meiner geworden wäre. Er eiert weniger verklausuliert rum beim Beschreiben des untragbaren politischen Klimas im Land. Das einzige, was ich zu bieten gehabt hätte, das Schaidinger nicht im Programm hatte, war dieser eine ganz bestimmte Gedanke ... und der verfolgt mich jetzt, seit ich die Arbeit an jenem "Konkurrenzartikel" mangels Notwendigkeit eingestellt habe, mit einer Hartnäckigkeit, wie sie vielleicht Fritz Neugebauer auf Methamphetamin zukäme, in alle möglichen und unmöglichen Denkzusammenhänge.
Dieser eine Gedanke ging, als ich ihn noch auf die Frage der Flüchtlingsunterbringungen anwandte, in etwa so:
Erstens: Paragraph 365 des ABGB lautet: "Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten."
Zweitens: Auch wenn wir uns bereitfänden, dieses "allgemeine Beste" der HC-Strache-Denkschule entsprechend als "das Beste nur für die gaaanz besonders 'echten' Öustarraicha" zu definieren - was wir, wohlgemerkt, mangels Dachschaden nicht im Ernst vorschlagen - so führt doch kein Weg an der Feststellung vorbei, dass diesem Besten mit der Aufrechterhaltung gewisser zivilisatorischer Mindeststandards eher gedient ist als mit ihrer fröhlichen Abschaffung; dass mithin zur Unterbringung von Gästen Wohnungen besser geeignet sind als "Heime"; "Heime" aber, da aus Ziegelstein, immer noch besser als Zelte.
Drittens: Es gibt in Österreich so etwas wie Immobilienleerstand. Statt also für Hilfesuchende Zeltlager errichten zu lassen, als wären wir nicht das siebentreichste Land der Welt und obendrein eine Nation, die in den Jahren nach 1945 von vormaligen Flüchtlingen wiederbegründet wurde, könnten wir uns doch an Paragraph 365 halten und einige Eigentümer leerstehender Immobilien zu - naja - Ex-Eigentümern machen. Dass das "allgemeine Beste" solches "erheischt", konnte ja eben gezeigt werden.
Dieser Dreischritt - vom Paragraphen 365 über einen denkbaren Minimalkonsens des "allgemeine[n] Beste[n]" zu Überlegungen darüber, was es nicht alles gäbe, das sich enteignen ließe - er verfolgt mich also seither, wie gesagt. Bis heute wurde der bewusste Paragraph real nur zum Freimachen von Bahntrassen, Ausgleichsgerinnen, Brückenköpfen und ähnlich infrastrukturhaft Banalem angewendet. Aber was könnte man als Kanzler, oder als Minister, oder selbst noch als einfacher Sektionschef, nicht alles mit diesem Juwel unter den Paragraphen des ABGB machen!
Die Obdachlosigkeit - sämtliche Sorten Obdachlosigkeit - könnte man abschaffen, beispielsweise. Abschaffen! Von heut' auf morgen! Gut, man hätte, das spricht da von der Warte des individuellen Politikers aus vielleicht dagegen, (a) keine gesicherte "Zukunft in der Privatwirtschaft" mehr, (b) sich gewaschen habende Neuwahlen am Hals, bei denen alle (Anzeigenkunden der) Zeitungen vehement gegen einen stünden, und man würde auch sicherlich nicht mehr (c) zum jährlichen Pfitschigogerl-Turnier der Freunde der Wiener Immobilienwirtschaft in die Casa Mensdorff-Pouilly eingeladen.
Ein heimischer Großbetrieb kündigt die "Verschlankung" eines Standortes und die "teilweise Verlegung" der Produktion nach Cisniau oder so an? Kann er gerne machen. Aber den solchermaßen verschlankten Betrieb hat er dann - "gegen eine angemessene Schadloshaltung", versteht sich - herauszurücken. Die Produktion liefe unterm ÖIAG-Banner weiter, und wer da glaubte, für einen ansonsten gleichbleibenden Markt nun billiger produzieren zu können, wird finden, dass er der eigenen Neukonkurrenz das Personal geschult und die Hütte hingestellt hat, von der aus diese diesen Markt neu aufrollt. Ätschibätsch!
Anderes Beispiel: Ein Medienkonglomerat - nennen wir es "MedienDruck" - übt aufgrund unverhältnismäßiger Marktmacht auch einen ebensolchen Einfluß auf alle Ebenen der Politik aus und sieht sich im Stande, steurgeldfinanzierte Anzeigen der Parteien, Ämter und Ministerien erpressen zu können? - Das kann nicht das "allgemeinde Beste" sein, oder? Wohlan: Enteignend zurechtstutzen! Die Teileigentümer jenes Konzerns werden sich über die "angemessene Schadloshaltung" sicherlich freuen, und innert höchstens dreier Jahre hätte sich diese Investition für die öffentliche Hand gerechnet: So viel teurer als das, was Bund, Länder, Gemeinden und Parteien jenem Konzern derzeit an Förderungen (für "Kooperationen" bei Stadtfesten u.ä.) und Anzeigenentgelte in den Rachen werfen, kann eine solche Schadloshaltung nach § 365 gar nicht sein.
Dass der Paragraph so kurz und knapp und ohne Kommentare oder die sonst üblichen erläuternden Absätze im ABGB herumsteht, lässt auch seine weit kreativere Benutzung zu: Mehr Programmkinos ausserhalb Wiens, weniger Fichtenmonokultur im Mischwaldgebiet, weniger Stadtrand-Einkaufszentren - das lässt sich alles als "allgemein Bestes" argumentieren.
Zusammengefasst: Die paar Sozialdemokraten innerhalb der immerhin Regierungspartei SPÖ, die es noch gibt - sie könnten doch mal versuchsweise just die Fieberschübe der liberalen und neoliberalen Staatsparanoiker, denen vermutlich schon das Verbot von Kinderarbeit "zu weit" geht, ernst nehmen. Und zwar nicht als "Stimme des leider, leider depperten Zeitgeists", dem man sich beim Formulieren von Programmen und Communiqués eben anpassen müsste, sondern vielmehr als Handlungsanleitung und Rollenangebot. Dann ginge manches leichter. Zivilisatorische Mindeststandards aufrechterhalten, wie gesagt. Oder auch zum Beispiel: Wahlen gewinnen.
BILD : (c) commons.wikimedia.org/wiki/File:Enteignet_Springer_1969.jpg
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Dieser eine Gedanke ging, als ich ihn noch auf die Frage der Flüchtlingsunterbringungen anwandte, in etwa so:
Erstens: Paragraph 365 des ABGB lautet: "Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten."
Zweitens: Auch wenn wir uns bereitfänden, dieses "allgemeine Beste" der HC-Strache-Denkschule entsprechend als "das Beste nur für die gaaanz besonders 'echten' Öustarraicha" zu definieren - was wir, wohlgemerkt, mangels Dachschaden nicht im Ernst vorschlagen - so führt doch kein Weg an der Feststellung vorbei, dass diesem Besten mit der Aufrechterhaltung gewisser zivilisatorischer Mindeststandards eher gedient ist als mit ihrer fröhlichen Abschaffung; dass mithin zur Unterbringung von Gästen Wohnungen besser geeignet sind als "Heime"; "Heime" aber, da aus Ziegelstein, immer noch besser als Zelte.
Drittens: Es gibt in Österreich so etwas wie Immobilienleerstand. Statt also für Hilfesuchende Zeltlager errichten zu lassen, als wären wir nicht das siebentreichste Land der Welt und obendrein eine Nation, die in den Jahren nach 1945 von vormaligen Flüchtlingen wiederbegründet wurde, könnten wir uns doch an Paragraph 365 halten und einige Eigentümer leerstehender Immobilien zu - naja - Ex-Eigentümern machen. Dass das "allgemeine Beste" solches "erheischt", konnte ja eben gezeigt werden.
Dieser Dreischritt - vom Paragraphen 365 über einen denkbaren Minimalkonsens des "allgemeine[n] Beste[n]" zu Überlegungen darüber, was es nicht alles gäbe, das sich enteignen ließe - er verfolgt mich also seither, wie gesagt. Bis heute wurde der bewusste Paragraph real nur zum Freimachen von Bahntrassen, Ausgleichsgerinnen, Brückenköpfen und ähnlich infrastrukturhaft Banalem angewendet. Aber was könnte man als Kanzler, oder als Minister, oder selbst noch als einfacher Sektionschef, nicht alles mit diesem Juwel unter den Paragraphen des ABGB machen!
Die Obdachlosigkeit - sämtliche Sorten Obdachlosigkeit - könnte man abschaffen, beispielsweise. Abschaffen! Von heut' auf morgen! Gut, man hätte, das spricht da von der Warte des individuellen Politikers aus vielleicht dagegen, (a) keine gesicherte "Zukunft in der Privatwirtschaft" mehr, (b) sich gewaschen habende Neuwahlen am Hals, bei denen alle (Anzeigenkunden der) Zeitungen vehement gegen einen stünden, und man würde auch sicherlich nicht mehr (c) zum jährlichen Pfitschigogerl-Turnier der Freunde der Wiener Immobilienwirtschaft in die Casa Mensdorff-Pouilly eingeladen.
Ein heimischer Großbetrieb kündigt die "Verschlankung" eines Standortes und die "teilweise Verlegung" der Produktion nach Cisniau oder so an? Kann er gerne machen. Aber den solchermaßen verschlankten Betrieb hat er dann - "gegen eine angemessene Schadloshaltung", versteht sich - herauszurücken. Die Produktion liefe unterm ÖIAG-Banner weiter, und wer da glaubte, für einen ansonsten gleichbleibenden Markt nun billiger produzieren zu können, wird finden, dass er der eigenen Neukonkurrenz das Personal geschult und die Hütte hingestellt hat, von der aus diese diesen Markt neu aufrollt. Ätschibätsch!
Anderes Beispiel: Ein Medienkonglomerat - nennen wir es "MedienDruck" - übt aufgrund unverhältnismäßiger Marktmacht auch einen ebensolchen Einfluß auf alle Ebenen der Politik aus und sieht sich im Stande, steurgeldfinanzierte Anzeigen der Parteien, Ämter und Ministerien erpressen zu können? - Das kann nicht das "allgemeinde Beste" sein, oder? Wohlan: Enteignend zurechtstutzen! Die Teileigentümer jenes Konzerns werden sich über die "angemessene Schadloshaltung" sicherlich freuen, und innert höchstens dreier Jahre hätte sich diese Investition für die öffentliche Hand gerechnet: So viel teurer als das, was Bund, Länder, Gemeinden und Parteien jenem Konzern derzeit an Förderungen (für "Kooperationen" bei Stadtfesten u.ä.) und Anzeigenentgelte in den Rachen werfen, kann eine solche Schadloshaltung nach § 365 gar nicht sein.
Dass der Paragraph so kurz und knapp und ohne Kommentare oder die sonst üblichen erläuternden Absätze im ABGB herumsteht, lässt auch seine weit kreativere Benutzung zu: Mehr Programmkinos ausserhalb Wiens, weniger Fichtenmonokultur im Mischwaldgebiet, weniger Stadtrand-Einkaufszentren - das lässt sich alles als "allgemein Bestes" argumentieren.
Zusammengefasst: Die paar Sozialdemokraten innerhalb der immerhin Regierungspartei SPÖ, die es noch gibt - sie könnten doch mal versuchsweise just die Fieberschübe der liberalen und neoliberalen Staatsparanoiker, denen vermutlich schon das Verbot von Kinderarbeit "zu weit" geht, ernst nehmen. Und zwar nicht als "Stimme des leider, leider depperten Zeitgeists", dem man sich beim Formulieren von Programmen und Communiqués eben anpassen müsste, sondern vielmehr als Handlungsanleitung und Rollenangebot. Dann ginge manches leichter. Zivilisatorische Mindeststandards aufrechterhalten, wie gesagt. Oder auch zum Beispiel: Wahlen gewinnen.
BILD : (c) commons.wikimedia.org/wiki/File:Enteignet_Springer_1969.jpg
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[Artikel/S.Schmitzer/22.05.2015]
Artikel/S.Schmitzer
03.10.2017 gesamtsituation: tausend jahre fuffziger.
30.05.2017 Mehr Beton!
27.04.2017 Fronkreisch! Fronkreisch!
23.03.2017 Autorität und Kleinganoventum. Eine Übersicht
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01.09.2015 Racism or not? Insufficient data.
22.05.2015 Expropriieren! Expropriieren!
09.03.2015 Was ist da los?
19.01.2015 Lob des Grauens
09.04.2014 Schon wieder ein Text vom Schmitzer über die Öffis
10.03.2014 Ein Wunschkonzert für klingende Schienen
31.10.2013 Wie man es machen soll. Ein Text zum Abfeiern des tortuga-zine.
12.09.2013 Eine Werbedurchsage, durchaus ernstgemeint, zu Gunsten von ICORN
30.07.2013 Vom Gesindel
10.07.2013 Steireranzug-Blues
13.06.2013 Der ORF und die Alchemie
23.01.2013 Sheriff Mario reitet!
20.12.2012 Survivor's Guilt und T(r)ollwut
12.11.2012 Ponies, Kröten, Katastrophen
09.10.2012 Heisse Luft und Nächstenliebe
31.07.2012 Vom Atmosphärischen
12.06.2012 Ein schwarz-grüner Geschenkvorschlag
17.05.2012 Diskussions-Kultur
02.04.2012 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
08.02.2012 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
12.12.2011 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
15.10.2011 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
10.05.2011 Schnee von Gestern III - Der Grasserstrasser
29.03.2011 Schnee von Gestern II
08.03.2011 Dem Josef Pröll seine Ehe und der Fluch der Dialektik
19.01.2011 Meine Oma und das Weihnachtsgeschäft 2012