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Ein Wunschkonzert für klingende Schienen
Wenn ich Diktator wäre, ich würde von allen zur Auswahl stehenden Regierungsagenden nur eine einzige zur "Chefsache" machen. Und diese eine Agenda wäre dann weder Militär, noch Polizei und innere Sicherheit, noch auch Justiz oder gar Handel. Für alles dieses stünden maßvoll kompetente SpeichelleckerInnen bereit, die ich fuhrwerken und sich maßvoll bereichern lassen könnte, bis ich die zu mächtigen unter ihnen schließlich ins Ausgedinge zum winterlichen Tretbootflotten-Reinigen am Wörther- und Neusiedler See schicken tät'. Alles dieses wäre mir zu minder. Statt dessen würde ich mich höchst persönlich an den wichtigsten aller Schalthebel der Macht setzen. Und wäre also nicht Generalissimo-und-Präsident, Revolutionsführer-und-oberster-Richter, Staatsrats-und-Zentralausschussvorsitzender, Fürst-und-Haupt-der-Gläubigen usw usf., sondern:
Wäre Diktator und Fachreferent für Verkehrsplanung.
Warum? - Mehr "soft power" gibts nicht. Abgesehen von der eigentlichen Agenda - die Bewegung von Leuten und Sachen durch die Gegend zu organisieren - bietet das Verkehrsressort Einfluss auf so gut wie alle anderen Bereiche, gerade wenn es, s.o., diktatorisch verwaltet wird: Du willst Arbeitsplätze aus dem Hut zaubern? - Großbauprojekte! Du willst sozialen Ausgleich schaffen, oder Dir die Dankbarkeit einer bestimmten Gruppe sichern? - Bevorzugte Raumerschließung und/oder bevorzugte Benutzungskonditionen! Dein Verteidigungsminister sägt an Deinem Sessel und Du willst ihm die Macht abgraben? - Mal sehen, wie gut seine Armee funktioniert, wenn die Kasernen kaum noch erreichbar sind! Du willst Kulturpolitik betreiben und Dir genehme KünstlerInnen fördern? - Paar Versorgungspöstchen in der Verwaltung für das untere Ende der Kulturnahrungskette hier, paar kulturelle PR-Maßnahmen da (aus irgendeinem Grund halluziniere ich sofort Andre Heller, der sich z.B. in einer barocken Sänfte durch den Pendlerzug tragen lässt, Gedichte vorlesend und Zuckerln aus dem Sänftenfenster werfend). Umweltpolitik? - Selbsterklärend.
Wäre ich also Diktator von sagen wir Österreich, und hätte mir als solcher das Verkehrsressort unter den Nagel gerissen, ich bräuchte ein Vorzeigeprojekt, eine Vorzeigestadt. Graz würde sich anbieten: Wo sonst regiert so unverschämt statt der Verkehrsplanung die Planlosigkeit? Wo sonst käme eine Stadtregierung auf die Idee, in Zeiten permanent überlasteter Strassen und überschrittener Feinstaubgrenzwerte just einen Vertreter jener politischen Partei zum Verkehrsstadtrat zu machen, die traditionell die Vertreterin des so schlichten wie uneleganten Gedankens "freien Fahrt für freie Bürger" gibt (für jene freien Bürger nämlich, die sich ein Auto und ein Häuschen im Umland leisten können)? Wo sonst kann sich eine Clique an der Macht halten, die von (touristisch sicher lustigen, als Massentransportmittel dagegen eher ungeeigneten) "Gondeln" phantasiert, wenn offenbar sogar das Geld fehlt, ganze Stadtviertel ans Strassenbahnnetz anzuschließen? Und wer war so blöd, zuerst eine unterirdische Bimstation "Hauptbahnhof" zu planen, und dann, während dem Bau, draufzukommen, dass sich gerade der Sinn der Übung - der direkte unterirdische Zugang zu den Bahngeleisen - irgendwie nicht mehr ausgehen wird vom Budget? Wer verzögert jetzt schon wieder den längst fälligen und schwer ausverhandelten Bim-Ausbau? Fragen über Fragen also, auf welche meine Antwort als Diktator und Verkehrsminister ca. wäre: Lasst mich mal machen. Geld spielt keine Rolle (weil: Diktator).
Erstens würde ich die existierenden und bislang nicht gänzlich finanzierten Ausbaupläne für das Strassenbahnnetz rasch und zur Gänze umsetzen. Bei der Gelegenheit: Den Griesplatz auf voller Länge unterkellern und den Durchzugs-Autoverkehr unterirdisch legen. Und zwar runter bis zum Karlauergürtel, und rauf bis zur Postgarage oder so. Da hätt ich dann mal zwei-drei Jahre Ruhe und Vollbeschäftigung in der Baubranche in Graz. Inzwischen würde ich - s.o., in meiner Eigenschaft als Diktator - Raaba, Seiersberg und Feldkirchen (incl. Flughagfen) eingemeinden. Der nächste Schritt wäre eine Flughafen-U-Bahn, ungefähr entlang der Strecke: Schwarzlzentrum - Flughafen - Feldkrichen (Ort) - Knoten Puntigam - Don Bosco - Hauptbahnhof - Fröbelpark - Innere Wienerstrasse - Schlossplatz Göstig - Äussere Wienerstrasse. Und wenn ich schon dabei wäre: Den Sechser verlängerte ich bis Raaba, bei gleichzeitigem Bau einer zweiten U-Bahn von Raaba über St.Peter - Schillerplatz - Uni - Geidorfplatz - Wifi nach Andritz. Die Bim zum Berlinerring, die zur Uni (entlang dem - nun ebenfalls per Unterkellerung vom Durchzugsverkehr befreiten - Glacis) und jene entlang der Liebenauer Hauptstrasse bis zum neuen Stadtteil Thondorf - das wäre dann alles nur zum drüberstreuen, ebenso wie die nötige dritte Nord-Süd-U-Bahn (Stadion - Hauptplatz - Lendplatz - Bienengasse) und die Ost-West-Verbindung der drei Linien (Mariatrost - Hilmteich - LKH - Uni - Hauptplatz - Roseggerhaus - Hauptbahnhof - Schloss Eggenberg - UKH ).
Natürlich würde ich, besessen, wie ich von dem Projekt wäre, irgendwann hinterrücks von meinen Unterlingen gestürzt. Spätestens, wenn ich die Abschaffung des Individualverkehrs in Graz in Angriff nähme (nämlich durch den Rückkauf von Privat-PKWs und die Ausgabe von ausreichend Taxigutscheinen, wobei die Taxiflotte natürlich aus staatlichen Angestellten bestünde, nicht aus Subunternehmern) und in die Position käme, dort weiterzumachen, wo Bgm. Nagel 2014 aufgehört haben würde - beim Bau einer Seilbahn nämlich, vom Schlossberg übers Kastner-Dach zum Kunsthaus oder so - spätestens dann würde auch ich mit Waffengewalt zum Tretbootputzen geschickt. Aber lustig wärs trotzdem.
(c) Bild Rechte: (cc 2.0) Todd Lappin www.flickr.com/photos/telstar/...
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