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Dem Josef Pröll seine Ehe und der Fluch der Dialektik
Schnee von Gestern
In quixotischer Weise gegen das Wüten der Zwänge des"24-hour-news-cycle" gerichtet, erinnert "Schnee von Gestern" an innenpolitische Skandale und Blödheiten von vor ein-zwei Jahren, die ebenso konsequenzlos aus dem Content der Tagespresse verschwunden wie atmosphärisch weiterhin wirksam sind.
Diesmal: Dem Josef Pröll seine Ehe und der Fluch der Dialektik
Als damals Willi Molterer die Agenden des Bundesministeriums für Finanzen von Karlleinz "Kahageh" Grasser übernahm, bestand allerlei Anlass zur Hoffnung. Vom Boden- bis zum Neusiedlersee, vom Waldviertel bis ins Leibnizer Becken brandete bei Bekanntgabe der Ämterverteilung des Kabinetts Gusenbauer Jubel auf. Die Ausseer Narzissen- und die Klagenfurter Beachvolleyball-Königinnen wurden wuschig und warfen sich in Schale, alles, alles drängte auf die Straße, um sich im Taumel blinder Freude zu umarmen: Endlich,endlich war ein zivilisatorischer Fortschritt auf dem Gebiet der Bundesbuchhaltung erzielt!
Molterer! Ein Vertreter der tiefen Schollenverbundenheit, ein kreuzbiederer Katholik, ja eine prototypische Ständestaats-Nostalgie-Fresse! Molterer - das war ja mithin nun ein meilenweiter aufklärerischer Fortschritt gegenüber jenem Feschismus-Lemuren und glattgebügeltem Vollkontakt-Nach-Mir-Die-Sintflut-Ignoranten, zu blöd selbst für die unbedarfteste Weltanschauung, der es sich seitdem zum Vollzeitjob gemacht hat, mit einem Bein im Fettnäpfchen diverser Unschuldsvermutungen rumzustehen (für mehr reicht halt die Qualifikation dann doch nicht).
Doch ach!, der Freudentaumel war verfrüht. Was Willi bloß zum Wohle derPartei zur Schau trug, ein anderer musste kommen, um es auch zu sein,wie weiland der Erlöser Johannes dem Täufer nachfolgte. Der Trachtenjanker des bornierten Kuhhändlers, der um Willis Schultern gar zu luftig flatterte, stand einem andern besser zu Gesicht: Dem Josef, ja dem Seppi, Pröll. Hatten seinem Vorgänger noch Spurenelemente des aller unchristlichsten Liberalismus in Physiognomie und Sprache angehaftet (Dreitagesbart! Fremdworte!), so kam der gewichtige Nachfolger als Einlösung aller Versprechen daher, die jener an Land und Wahlvolk gegeben hatte:
Das weinerliche Gehabe des Großbauern, der einen Zuchtstier, den er gar nicht braucht, aber den auch niemand anderer im Dorf kriegen soll,noch etwas billiger haben will? - Check! - Ein Begriff von "Leistung"(wie in "...muß sich lohnen"), der auch untergrenzlandbehausten Tschechen- oder Ungarnschindern mehrheitsfähig sein dürfte? - Check! - Hundertprozentige Frühschoppen - Eröffnungs - Credibility? - Check! - Sogar das alte Doppelkinn von Ignatz Seipel trägt er auf...
Alles in allem: Sepp Pröll ist die verkörperte Gravität christlichsozialen Empfindens, und damit - also mit dem "Empfinden"- jedem Österreicher, der seine Tassen im Schrank und sein Konto nicht auf den Caymans hat, noch immer lieber als das Fionanzgesichtder gefühlten 1000 Jahre Schüssel.
Doch halt! War da nicht was? Ach ja: "Meine Ehe ist mir mehr wert alsdie Opposition." Will heißen, aus dem nämlichen Grunde, so der Bundessepp, sei es gerechtfertigt, einer an ihn gerichteten dringlichen Anfrage im Parlament fernzubleiben und in VertretungInnenmitzi Fekter zu schicken.
Gut,Fekter ist, als gewissermaßen urbanes Gegenstück zu Pröll, die denkbar geeignetste Vertretung: Die Politikerin gewordene Karikatur der frustrierten Hietzinger Hofratswitwe, die, mit Jagdgewehr im Anschlag, hinter ihrer dreifach gesicherter Villentür hockt, in der Hoffnung, die osteuropäischen Einbrecher, die ihr den Schlaf rauben,mögen endlich auftauchen und sich, zwecks Gewaltphantasienabfuhr,von ihr erschießen lassen. Auch glauben wir Pröll die Begründung seines Fernbleiens aufs Wort. Will sagen, glauben ihm, daß er das so meint. Was sogar noch Pluspunkte im Segment "Mir-san-mir"bzw. "Wås-wüllstn-dagegn-tuan-Deppata?" gibt.
Bloß,daß sich an diesem Punkt ein bisher übersehener Umstand offenbart:"Aufklärung schlägt um in ihr Gegenteil" (Adorno) bzw. der Bauernsepp wird seinerseits, lang genug im Amt, zum Repräsentanten des durch ihn überwunden geglaubten anti-rechtsstaatlichen Hohlraum-Charismatikertums.Denn:Was der Finanzminister und Vizekanzler beim Vermeiden seiner Pflichten gegenüber dem ihm übergeordneten Kontrollorgan vormacht,wird wohl keinem Schulkind beim Vermeiden von Hausübungen zu verbieten sein ("Mein Fußballclub ist mir wichtiger als die Frau Lehrerin")…
(c) Foto: quapan
Karl-Ludwig Poggemann
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In quixotischer Weise gegen das Wüten der Zwänge des"24-hour-news-cycle" gerichtet, erinnert "Schnee von Gestern" an innenpolitische Skandale und Blödheiten von vor ein-zwei Jahren, die ebenso konsequenzlos aus dem Content der Tagespresse verschwunden wie atmosphärisch weiterhin wirksam sind.
Diesmal: Dem Josef Pröll seine Ehe und der Fluch der Dialektik
Als damals Willi Molterer die Agenden des Bundesministeriums für Finanzen von Karlleinz "Kahageh" Grasser übernahm, bestand allerlei Anlass zur Hoffnung. Vom Boden- bis zum Neusiedlersee, vom Waldviertel bis ins Leibnizer Becken brandete bei Bekanntgabe der Ämterverteilung des Kabinetts Gusenbauer Jubel auf. Die Ausseer Narzissen- und die Klagenfurter Beachvolleyball-Königinnen wurden wuschig und warfen sich in Schale, alles, alles drängte auf die Straße, um sich im Taumel blinder Freude zu umarmen: Endlich,endlich war ein zivilisatorischer Fortschritt auf dem Gebiet der Bundesbuchhaltung erzielt!
Molterer! Ein Vertreter der tiefen Schollenverbundenheit, ein kreuzbiederer Katholik, ja eine prototypische Ständestaats-Nostalgie-Fresse! Molterer - das war ja mithin nun ein meilenweiter aufklärerischer Fortschritt gegenüber jenem Feschismus-Lemuren und glattgebügeltem Vollkontakt-Nach-Mir-Die-Sintflut-Ignoranten, zu blöd selbst für die unbedarfteste Weltanschauung, der es sich seitdem zum Vollzeitjob gemacht hat, mit einem Bein im Fettnäpfchen diverser Unschuldsvermutungen rumzustehen (für mehr reicht halt die Qualifikation dann doch nicht).
Doch ach!, der Freudentaumel war verfrüht. Was Willi bloß zum Wohle derPartei zur Schau trug, ein anderer musste kommen, um es auch zu sein,wie weiland der Erlöser Johannes dem Täufer nachfolgte. Der Trachtenjanker des bornierten Kuhhändlers, der um Willis Schultern gar zu luftig flatterte, stand einem andern besser zu Gesicht: Dem Josef, ja dem Seppi, Pröll. Hatten seinem Vorgänger noch Spurenelemente des aller unchristlichsten Liberalismus in Physiognomie und Sprache angehaftet (Dreitagesbart! Fremdworte!), so kam der gewichtige Nachfolger als Einlösung aller Versprechen daher, die jener an Land und Wahlvolk gegeben hatte:
Das weinerliche Gehabe des Großbauern, der einen Zuchtstier, den er gar nicht braucht, aber den auch niemand anderer im Dorf kriegen soll,noch etwas billiger haben will? - Check! - Ein Begriff von "Leistung"(wie in "...muß sich lohnen"), der auch untergrenzlandbehausten Tschechen- oder Ungarnschindern mehrheitsfähig sein dürfte? - Check! - Hundertprozentige Frühschoppen - Eröffnungs - Credibility? - Check! - Sogar das alte Doppelkinn von Ignatz Seipel trägt er auf...
Alles in allem: Sepp Pröll ist die verkörperte Gravität christlichsozialen Empfindens, und damit - also mit dem "Empfinden"- jedem Österreicher, der seine Tassen im Schrank und sein Konto nicht auf den Caymans hat, noch immer lieber als das Fionanzgesichtder gefühlten 1000 Jahre Schüssel.
Doch halt! War da nicht was? Ach ja: "Meine Ehe ist mir mehr wert alsdie Opposition." Will heißen, aus dem nämlichen Grunde, so der Bundessepp, sei es gerechtfertigt, einer an ihn gerichteten dringlichen Anfrage im Parlament fernzubleiben und in VertretungInnenmitzi Fekter zu schicken.
Gut,Fekter ist, als gewissermaßen urbanes Gegenstück zu Pröll, die denkbar geeignetste Vertretung: Die Politikerin gewordene Karikatur der frustrierten Hietzinger Hofratswitwe, die, mit Jagdgewehr im Anschlag, hinter ihrer dreifach gesicherter Villentür hockt, in der Hoffnung, die osteuropäischen Einbrecher, die ihr den Schlaf rauben,mögen endlich auftauchen und sich, zwecks Gewaltphantasienabfuhr,von ihr erschießen lassen. Auch glauben wir Pröll die Begründung seines Fernbleiens aufs Wort. Will sagen, glauben ihm, daß er das so meint. Was sogar noch Pluspunkte im Segment "Mir-san-mir"bzw. "Wås-wüllstn-dagegn-tuan-Deppata?" gibt.
Bloß,daß sich an diesem Punkt ein bisher übersehener Umstand offenbart:"Aufklärung schlägt um in ihr Gegenteil" (Adorno) bzw. der Bauernsepp wird seinerseits, lang genug im Amt, zum Repräsentanten des durch ihn überwunden geglaubten anti-rechtsstaatlichen Hohlraum-Charismatikertums.Denn:Was der Finanzminister und Vizekanzler beim Vermeiden seiner Pflichten gegenüber dem ihm übergeordneten Kontrollorgan vormacht,wird wohl keinem Schulkind beim Vermeiden von Hausübungen zu verbieten sein ("Mein Fußballclub ist mir wichtiger als die Frau Lehrerin")…
(c) Foto: quapan
Karl-Ludwig Poggemann
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[Kolumne/S.Schmitzer/08.03.2011]
Kolumne/S.Schmitzer
03.10.2017 gesamtsituation: tausend jahre fuffziger.
30.05.2017 Mehr Beton!
27.04.2017 Fronkreisch! Fronkreisch!
23.03.2017 Autorität und Kleinganoventum. Eine Übersicht
08.02.2017 Wahl und Kraftwerk und so weiter
28.10.2016 Das Ding mit Marcellus Wallace's Soul
19.08.2016 Zur Ehrenrettung der zweiten Staffel von "True Detective”
06.07.2016 Richtig echt blöd
02.05.2016 Ein Sendschreiben ins Jenseits
23.03.2016 MACHT MEDIEN!
18.01.2016 Pläpotenz, Identität und tapfere Krieger
16.11.2015 "Unique Selling Position"
09.10.2015 Und wieder mal: Das Wort zum Strache
01.09.2015 Racism or not? Insufficient data.
22.05.2015 Expropriieren! Expropriieren!
09.03.2015 Was ist da los?
19.01.2015 Lob des Grauens
09.04.2014 Schon wieder ein Text vom Schmitzer über die Öffis
10.03.2014 Ein Wunschkonzert für klingende Schienen
31.10.2013 Wie man es machen soll. Ein Text zum Abfeiern des tortuga-zine.
12.09.2013 Eine Werbedurchsage, durchaus ernstgemeint, zu Gunsten von ICORN
30.07.2013 Vom Gesindel
10.07.2013 Steireranzug-Blues
13.06.2013 Der ORF und die Alchemie
23.01.2013 Sheriff Mario reitet!
20.12.2012 Survivor's Guilt und T(r)ollwut
12.11.2012 Ponies, Kröten, Katastrophen
09.10.2012 Heisse Luft und Nächstenliebe
31.07.2012 Vom Atmosphärischen
12.06.2012 Ein schwarz-grüner Geschenkvorschlag
17.05.2012 Diskussions-Kultur
02.04.2012 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
08.02.2012 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
12.12.2011 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
15.10.2011 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
10.05.2011 Schnee von Gestern III - Der Grasserstrasser
29.03.2011 Schnee von Gestern II
08.03.2011 Dem Josef Pröll seine Ehe und der Fluch der Dialektik
19.01.2011 Meine Oma und das Weihnachtsgeschäft 2012