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MACHT MEDIEN!



Jetzt habe ich zwei Tage (also: nicht zwei ganze Arbeitstage, aber doch Arbeitszeit an zweien Tagen) damit verbracht, an einem KiG-Beitrag zu schreiben, der im Wesentlichen aus verschiedenen Sorten von Schimpf, Spott und Häme an die Adresse der Webseite und Kleinezeitung-Beilage fttr.at (bzw. "rettuF" für die Printausgabe) bestanden hätte. Meine zwei zentralen Gedanken dort: Erstens, dass "fttr" auf ziemlich durchsichtige Weise bloß simuliert, was es "in echt" zu sein verspricht; was man zweitens daran erkennen könne, dass von dem repräsentierten Habitus bloß das Unproblematische, Unpolitische - die Konsum- und Stilberatung für Leutchen in der ersten eigenen Wohnung - übrigbleibe.

Doch kaum hatte ich die fertige Schmähschrift an die p.t. KiG-Redaktion geschickt, entdeckte ich, dass der gerade neueste Beitrag auf fttr.at tatsächlich so etwas ähnliches wie einen Demoaufruf war, oder doch zumindest die Vorberichterstattung zu einer Gegenveranstaltung gegen den üblichen Strache-Scheissdreck am Hauptplatz, der da anscheinend gerade wieder mal anstand (es war des Hofers BuPrä-Wahlkampfauftakt), mit Datum, Uhrzeit, Treffpunkt. Mehr kannst' von einem im Kern infantilen Jungstudi-Gratis-Werbeblattl wirklich nicht verlangen; weshalb ich mich beeilte, meine zwei A4-Seiten Gift und Galle gegen fttr wieder zurückzuziehen.

Worüber nun aber unqualifiziert-unterhaltsam schimpfen, um das KiG!-Textkontingent für März vollzubekommen und  reich zu werden  weiterhin mit Müh' und Not über die Runden zu kommen? - Natürlich drängt sich auf: Des fttrs Mutterschiff, die Kleine Zeitung, mit allem, was an ihr dranhängt; Messehochhaus, Katholizismus, Trallala. Und immer diese Titelseiten! Als fiele es in den Zuständigkeitsbereich eines Nachrichtenmediums, dass der Herr Jesus Christ geboren bzw. gestorben ist, je nach Jahreszeit; dass es Ende Oktober wieder Zeit wird, die Gräber zu putzen, und gelegentlich irgendwas mit Heiligemariavolldergnadegebenedeitbistduunterdenweibern. Zwischendurch (wenn nicht genug los ist auf der Welt, worum sich der Hörndlbauer in der Murmürzfurche und der Immobilienarsch in Graz gleichermaßen bekümmern können) gibts dann noch Schlagzeilen, bei denen Du sofort siehst: die haben sie jetzt wochenlang in der Schublade gehabt und nur auf die Gelegenheit gewartet - irgendwem in der Chefredaktion muss das tatsächlich ein Anliegen sein; irgendwer glaubt, da kampagnisieren zu müssen (zuletzt sinngemäß: "Sie haben dem armen Konrad Lorenz das Ehrendoktorat aberkannt, nur, weil er ein strammer Nazi war! Mimimi! Gemein!").

Alle diese infantil-frommen Titelseiten also, wie sie einen durch den Jahreslauf begleiten, Titelseiten, bei denen man jedesmal triumphal schmunzelt, weil es nicht allzu schwer ist, sich klüger ist als die ganzen Dodeln zu fühlen, die so einen Käs' offenbar brauchen ...

... und man sich dann aber ärgert, weil dieses jedesmalige Schmunzeln in Abgrenzung zur Kleinen Zeitung auch schon den Gipfel der kritischen Diskurse im Alltag der meisten Grazer darstellt, die man kennt; im Vergleich wozu einem die pfäffische Doppelseite anlässlich von Mariä Lichtmeß o. dgl. fast schon artikuliert und ernstzunehmend erscheint ...

... bevor einem auch auffällt: das ist die einzige Zeitung, die sich gezielt an die Million Steirer und die halbe Million Kärntner richtet, die es auf "Gottes" grüner Erde gibt. Die müssen solche Spompernadeln eben machen, weil ihre Einnahmen direkt proportional zu dem Ausmaß sind, in dem sie "common ground" zwischen den Vertretern des patriarchal-autoritär-vormodernen Dorf-Stammtischs, den sogenannten Eliten in den sogenannten Ballungszentren und den sogenannten "einfachen Leuten" vermitteln können ...

... (es ist nun mal im Herstellen fauler Klassenkompromisse die katholische Kirche der Sozialdemokratie einige Jahrhunderte voraus) ...

... immer also diese, nochmal, infantil-frommen Titelseiten! *Stöhn*! Bei denen einen das Schmunzeln und Sichbesservorkommen im Halse stecken bleibt und die folgende Gewissheit dämmert:

Das Problem ist nicht, dass die Katholiken in Graz, Stmk., eine erfolgreiche Tageszeitung betreiben. Das Problem ist, dass sie die einzigen sind, die das tun. Wodurch ihre Inhalte zu einer Hauptzutat des ubiquitären Hintergrundrauschens der steirischen Wirklichkeit werden, statt, eben, Inhalte einer Tageszeitung unter vielen zu sein und auch zu bleiben. Im Gegensatz zum einzelnen Argument, zum einzelnen Beitrag, kannst du gegen Hintergrundrauschen nicht viel machen, ausser: drüber lachen, oder dich ärgern, oder es gut finden, oder auswandern. Da kannst du noch so sehr "nur den Standard und den Falter" lesen - solange du in Graz, Klagenfurt/Celovec oder Bruck an der Mur lebst, ist die Wirklichkeit das, was in der Kleinen Zeitung steht.

Und korrekterweise sollten wir die Katholen und ihre Leser nicht auslachen. Die wissen, wie unhaltbar ihr Herr Jesus als Schlagzeile nüchtern betrachtet ist, und sie tun ihn aber trotzdem dort hin. Daraus lernen wir: Teil des Erfolgsrezepts Kleine Zeitung ist der Mut, ihre Medienmacht auch zu benutzen. Das merken wir uns zur späteren Verwendung.

Nicht ganz unwichtig für die Position, in der die Kleine Zeitung sich befindet, ist aber auch der Umstand, dass sie ohne viel eigenes Zutun (mutmaßen wir: wohl dank der diözäsanen Kapitalreserven) als einzige Grazer Nachkriegs-Lokalzeitung Jahrzehnte des Zermürbungswettbewerbs überdauert hat ... Erinnert sich eigentlich noch wer an die "Süd-Ost-Tagespost" (stramme Nazigfrasta) oder die "Neue Zeit" ("Im Eigentum der Mitarbeiter", SPÖ-nah)?

Als es diese anderen Zeitungen noch gab, war es kein Drama, wenn am 24. 12. das Christkind auf der Titelseite von der "Kleinen" war. Da konnte man sich sowas denken wie: Meingottna, ist halt die katholische Zeitung; am ersten Mai packt dann die NZ ihre drei Pfeile aufs Titelblatt. Was solls. Hat alles nebeneinander Platz. Die Nachrichten sind eh die Nachrichten. Ein state of affairs, in dem all dies sich so verhält, erscheint unumwunden wünschenswert. Man muss dann weniger oft hohl-seicht-zynisch-hämisch Scheisse reden, um sich der eigenen Position zu versichern - Kritik geht dann einfach nicht mehr verkürzt, wodurch wiederum Graz als Lebensraum weniger unattraktiv wird (nicht zuletzt, weil mehr Arbeit für hauptberufliche Texttiere wie mich herumläge).

Deshalb: Liebe Leute, macht Medien! Nicht diese Kindergarten- und Selbsterfahrungs-Spielereien, mit denen ihr euch die Zeit vertreibt, bis Ihr zu Höherem berufen werdet und nach Wien/Berlin/München geht (doofes München; allzuoft dieses spießigsaubere Trottelmünchen). Macht Medien für eine Welt, die ihr tatsächlich bewohnen wollt, unängstlich und undumm! Hört auf, so zu tun, als wären die existierenden Printmedien so etwas wie ein schicksalhaft unveränderlicher Multiple-Choice-Katalog der erlaubterweise konsumierbaren Denkrichtungen.

Macht Medien. Schreibt lange Texte. Macht Medienmacht!

Bitte! - Danke!

Bildrechte: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Interview_mit_Franz_Mali,_Kleine_Zeitung,_22._M%C3%A4rz_2015,_Seite_26f.jpg
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[Kolumne/S.Schmitzer/23.03.2016]





    Kolumne/S.Schmitzer


    03.10.2017 gesamtsituation: tausend jahre fuffziger.

    30.05.2017 Mehr Beton!

    27.04.2017 Fronkreisch! Fronkreisch!

    23.03.2017 Autorität und Kleinganoventum. Eine Übersicht

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    28.10.2016 Das Ding mit Marcellus Wallace's Soul

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    02.05.2016 Ein Sendschreiben ins Jenseits

    23.03.2016 MACHT MEDIEN!

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    19.01.2015 Lob des Grauens

    09.04.2014 Schon wieder ein Text vom Schmitzer über die Öffis

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