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Diskussions-Kultur
Eine schön allgemeine Zusammenfassung kursierender Binsenwahrheiten über Entwicklungsgeschichte und Zustand der österreichischen, steirischen, grazerischen Kulturpolitik - sie könnte ungefähr so aussehen:
Erstens: Dass es in den ersten Nachkriegsjahrzehnten so etwas wie Kulturpolitik eigentlich nicht gegeben habe. Höchstens amtliche Sammelaktionen für die neue Gemeindeorgel von St. Gigeritz am Patschen u.dgl., nebst einem vernachlässigbaren Budgetposten für "Repräsentation", aus dem die Landestheater und -museen bezahlt wurden.
Zweitens: Dass dann, als allgemeiner Wohlstand ausbrach, "Kulturpolitik" einer der (Neben-)Schauplätze des weltanschaulichen Dominazgerangels zwischen Rot und Schwarz wurde. Wobei zum Glück überraschender Konses darüber zu herrschen schien, dass, was PolitikerInnen und Verwaltungsbeamte sich unter "moderner Kunst" vorstellten, unhinterfragbarerweise förderbedürftig wäre. Und wir bis heute von den Infrastruktur gewordenen Zeugnissen dieses Gerangels zehren.
Drittens: Dass, seit der zu verteilende Kuchen wieder kleiner wird, der von jeher eklatante Mangel an stringenten kulturpolitischen Theorien sich zunehmend als Mangel an stringenten kulturpolitischen Kriterien im öffentlichen Reden über Kultur niederschlägt. Will sagen: Dass es inzwischen Förderkriterien bräuchte, die ein bisserl treffsicherer wären als "was uns als 'moderne Kunst' erscheint", und kulturpolitische Interventionsformen, die ein wenig durchdachter wären als "gebt's ihnen halt ein Geld".
Viertens: Dass dieser Schlaf kulturpolitischer Vernunft gerade dabei ist, Ungeheuer zu gebären. Nämlich einerseits, auf ProduzentInnenseite: Diesen unbekümmerten Umgang mit den "grossen Wörtern", dieses freie Asoziieren von Diskursfragmenten in Förderantrag-Begründungs-Schreiben und Ausstellungs-Begleitheftchen, der bzw. das eine Denk-Inflation zur Folge hat (welche wiederum das p.t. Publikum zu der irrigen Annahme verleitet, "sowas" könne eh "jedeR"). Und andererseits, auf PolitikerInnenseite: Das völlig arbiträre Anlegen von Kriterien, die keiner eigenen Theoriebildung bedürfen - "Internationalität", "Regionalität", "Es-muss-das-Wort-'Design'-vorkommen" oder was auch immer. Diese Schlagworte werden natürlich jeweils so gewählt, dass sie großmannsüchtigen Repräsentationsaktionen mit Kulturaufputz (und auf öffentliche Kosten) zumindest nicht im Wege stehen - eh klar.
Fünftens: Dass - und weit Schlimmeres wäre vorstellbar - mithin die eigentliche "Kulturpolitik" hierzulande die Politik der Verwaltungskultur ist. Dass der Zustand der Verwaltungsabteilungen, ihre jeweilige Organisationsstruktur und die Arbeitsbedingungen bzw. Vorlieben der einzelnen BeamtInnen viel mehr vom kulturellen Leben bestimmen als irgendwelche genuin "kulturpolitischen" Entscheidungen.
Soviel zu den Binsenwahrheiten. Insofern aber "Kultur" eh als Gechmackssache gilt, und insofern wir als Gesellschaft ganz allgemein dringendere Sorgen haben als den Zustand der sogenannten "Kultur", dieses Hobbys der Großbürger und der Linksradikalen, lässt sich fragen: Brauchen wir sie überhaupt, die "stringenten kulturpolitischen Kriterien"?
Es gibt zwei einfache Antworten auf diese Frage. Erstens: Den Hinweis, dass es da immerhin um öffentliche Gelder geht. Wenn Steuergeld zum Strassen- oder Brückenbau aufgewendet wird, wollen wir ja auch wissen, dass z.B. die Brücke eh nicht einstürzt (wofür dann auch eine Theorie zuständig ist - die der Statik).
Zweitens fällt unter "Kultur", weil sie eben keine "Geschmackssache", sondern ein Wirtschaftszweig ist, mehr als nur das "Hobby der Großbürger und Linksradikalen". Auch die Fragen, wieviele Kinos, Clubs, Schanklizenzen, Verlage usw. es in einer Stadt, einem Land gibt, sind kulturpolitische Fragen. Schon hier wäre es schön zu wissen, von welchen Kriterien das zuständigen Personal sich leiten lässt. Und das können wir nur herausfinden, wenn wir ggf. nachfragen.
Nachfragen hinwiederum können wir nur, wenn wir wissen, wonach überhaupt gefragt werden kann. Das heisst: Wenn wir hinreichend Überblick über das Feld besitzen, um Worthülsen (die in Ausstellungsheftchen ebenso wie die in Politikerauskünften) als solche zu erkennen und zu knacken.
Es ist diese Notwendigkeit, kulturpolitischen Überblick zu kriegen, auf welche die IG Kultur Steiermark mit einer Vortragsreihe ("Die Kunst der Kulturpolitik") zu reagieren sich anschickt. Angekündigt sind vier Vortrags- und Diskussionsabende im Lauf des Jahrs 2012. Den Anfang machen am 24.05. Anita Hofer, Johannes Grenzfurthner und Agnes Bardos-Deak im Kulturzentrum Niesenbergergasse, unter dem Titel "Strategien einer Kulturpolitik von unten".
Das beste Mittel, um herauszufinden, ob die IG bei der Ausrichtung dieser Veranstaltungsreihe von stringenten kulturpolitischen Kriterien geleitet ist - solchen, die ggf. für die grazerische und steirische Inneneinrichtung mit "Kultur" förderlich sind - dürfte sein, selbst hinzugehen.
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Erstens: Dass es in den ersten Nachkriegsjahrzehnten so etwas wie Kulturpolitik eigentlich nicht gegeben habe. Höchstens amtliche Sammelaktionen für die neue Gemeindeorgel von St. Gigeritz am Patschen u.dgl., nebst einem vernachlässigbaren Budgetposten für "Repräsentation", aus dem die Landestheater und -museen bezahlt wurden.
Zweitens: Dass dann, als allgemeiner Wohlstand ausbrach, "Kulturpolitik" einer der (Neben-)Schauplätze des weltanschaulichen Dominazgerangels zwischen Rot und Schwarz wurde. Wobei zum Glück überraschender Konses darüber zu herrschen schien, dass, was PolitikerInnen und Verwaltungsbeamte sich unter "moderner Kunst" vorstellten, unhinterfragbarerweise förderbedürftig wäre. Und wir bis heute von den Infrastruktur gewordenen Zeugnissen dieses Gerangels zehren.
Drittens: Dass, seit der zu verteilende Kuchen wieder kleiner wird, der von jeher eklatante Mangel an stringenten kulturpolitischen Theorien sich zunehmend als Mangel an stringenten kulturpolitischen Kriterien im öffentlichen Reden über Kultur niederschlägt. Will sagen: Dass es inzwischen Förderkriterien bräuchte, die ein bisserl treffsicherer wären als "was uns als 'moderne Kunst' erscheint", und kulturpolitische Interventionsformen, die ein wenig durchdachter wären als "gebt's ihnen halt ein Geld".
Viertens: Dass dieser Schlaf kulturpolitischer Vernunft gerade dabei ist, Ungeheuer zu gebären. Nämlich einerseits, auf ProduzentInnenseite: Diesen unbekümmerten Umgang mit den "grossen Wörtern", dieses freie Asoziieren von Diskursfragmenten in Förderantrag-Begründungs-Schreiben und Ausstellungs-Begleitheftchen, der bzw. das eine Denk-Inflation zur Folge hat (welche wiederum das p.t. Publikum zu der irrigen Annahme verleitet, "sowas" könne eh "jedeR"). Und andererseits, auf PolitikerInnenseite: Das völlig arbiträre Anlegen von Kriterien, die keiner eigenen Theoriebildung bedürfen - "Internationalität", "Regionalität", "Es-muss-das-Wort-'Design'-vorkommen" oder was auch immer. Diese Schlagworte werden natürlich jeweils so gewählt, dass sie großmannsüchtigen Repräsentationsaktionen mit Kulturaufputz (und auf öffentliche Kosten) zumindest nicht im Wege stehen - eh klar.
Fünftens: Dass - und weit Schlimmeres wäre vorstellbar - mithin die eigentliche "Kulturpolitik" hierzulande die Politik der Verwaltungskultur ist. Dass der Zustand der Verwaltungsabteilungen, ihre jeweilige Organisationsstruktur und die Arbeitsbedingungen bzw. Vorlieben der einzelnen BeamtInnen viel mehr vom kulturellen Leben bestimmen als irgendwelche genuin "kulturpolitischen" Entscheidungen.
Soviel zu den Binsenwahrheiten. Insofern aber "Kultur" eh als Gechmackssache gilt, und insofern wir als Gesellschaft ganz allgemein dringendere Sorgen haben als den Zustand der sogenannten "Kultur", dieses Hobbys der Großbürger und der Linksradikalen, lässt sich fragen: Brauchen wir sie überhaupt, die "stringenten kulturpolitischen Kriterien"?
Es gibt zwei einfache Antworten auf diese Frage. Erstens: Den Hinweis, dass es da immerhin um öffentliche Gelder geht. Wenn Steuergeld zum Strassen- oder Brückenbau aufgewendet wird, wollen wir ja auch wissen, dass z.B. die Brücke eh nicht einstürzt (wofür dann auch eine Theorie zuständig ist - die der Statik).
Zweitens fällt unter "Kultur", weil sie eben keine "Geschmackssache", sondern ein Wirtschaftszweig ist, mehr als nur das "Hobby der Großbürger und Linksradikalen". Auch die Fragen, wieviele Kinos, Clubs, Schanklizenzen, Verlage usw. es in einer Stadt, einem Land gibt, sind kulturpolitische Fragen. Schon hier wäre es schön zu wissen, von welchen Kriterien das zuständigen Personal sich leiten lässt. Und das können wir nur herausfinden, wenn wir ggf. nachfragen.
Nachfragen hinwiederum können wir nur, wenn wir wissen, wonach überhaupt gefragt werden kann. Das heisst: Wenn wir hinreichend Überblick über das Feld besitzen, um Worthülsen (die in Ausstellungsheftchen ebenso wie die in Politikerauskünften) als solche zu erkennen und zu knacken.
Es ist diese Notwendigkeit, kulturpolitischen Überblick zu kriegen, auf welche die IG Kultur Steiermark mit einer Vortragsreihe ("Die Kunst der Kulturpolitik") zu reagieren sich anschickt. Angekündigt sind vier Vortrags- und Diskussionsabende im Lauf des Jahrs 2012. Den Anfang machen am 24.05. Anita Hofer, Johannes Grenzfurthner und Agnes Bardos-Deak im Kulturzentrum Niesenbergergasse, unter dem Titel "Strategien einer Kulturpolitik von unten".
Das beste Mittel, um herauszufinden, ob die IG bei der Ausrichtung dieser Veranstaltungsreihe von stringenten kulturpolitischen Kriterien geleitet ist - solchen, die ggf. für die grazerische und steirische Inneneinrichtung mit "Kultur" förderlich sind - dürfte sein, selbst hinzugehen.
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[Kolumne/S.Schmitzer/17.05.2012]
Kolumne/S.Schmitzer
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17.05.2012 Diskussions-Kultur
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08.02.2012 Notizen über ein paar neue Formate und ihre Implikationen
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10.05.2011 Schnee von Gestern III - Der Grasserstrasser
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