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Zu wenig Liebe, zu viele Hunde

Cover Story des aktuellen Megaphon, Ausgabe 0407

STADTGESTALTUNG: Migranten nahmen sich „Zeit für Graz“ und formulierten ihre Visionen. Ein Islamisches Kulturzentrum und mehr Anerkennung waren nur zwei davon.

Leises Murmeln, konzentrierte Blicke, ein kurzes Flüstern mit dem Nachbarn. „Was ich hier schreibe, bleibt das auch anonym?“ fragt jemand sorgenvoll. Eine ungewohnte Atmosphäre herrscht an diesem Freitagnachmittag in Fathma Dikilitas Veranstaltungssaal in der Grazer Lagergasse. Wo sich sonst Hochzeiten und andere fröhliche Feste abspielen, haben heute rund 50 Vertreter von Grazer Migrantenvereinen Platz genommen: eine große Gruppe Kurden, viele Nigerianer, eine Polin, Serben, Palästinenser, Ägypter und Afghanen. Sie sind mit dem Ziel hergekommen, ihre Wünsche für eine bessere Lebensqualität zu formulieren. Das Migrantentreffen ist Teil der „Planungswerkstatt. Zeit für Graz“, mit der allen Bürgern die Möglichkeit geboten werden soll, sich an der künftigen Gestaltung der Stadt zu beteiligen.

Eine Tafel voll Ideen
Die Teilnehmer sind eingeladen, auf roten und grünen Karten Kritik und Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Stimme aus dem Publikum: „Die rote Karte ist zu klein!“ Da und dort brechen lautstarke Diskussionen aus, manche regt das vom Nachbarn Geschriebene zum Lachen an. Schließlich sind alle fertig und die Karten werden eingesammelt.
Nicht nur eigenwillige Handschriften unterbrechen den Lesefluss von Moderator Hans Jörg Luser, auch Anmerkungen in türkischer oder englischer Sprache führen zu Ratlosigkeit. Auf Kosten der Anonymität ruft nicht nur einmal der oder die Missverstandene das Gemeinte in die Runde, durch rasche Übersetzung wird versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Karten mit „Österreich braucht mehr Liebe für die Ausländer“, „es gibt unheimlich viele Hunde in der Stadt“ und „mehr verdienen, um Bioprodukte kaufen zu können“ füllen in kurzer Zeit eine ganze Tafel. Anliegen zu Feinstaub, Verkehr und Grünanlagen finden sich neben Bemerkungen zu sozialer Integration, Rassismus und Religion. Platz findet auch Positives: „Gut finde ich dieses Treffen.“
Ausgerüstet mit selbstklebenden Punkten scharrt man sich gleich darauf um eine kleine Flipcharttafel, um seine Prioritäten bekannt zu geben. Nach der Punkteverteilung wird allen eine Pause gegönnt. Neben Pizza und Limonade stärkt man sich vor allem am starken Schwarzen Tee. In der von Engagement getragenen Stimmung erlaubt man sich doch auch die Frage: „Wie lange dauert das noch?“ Nur das Team von „Zeit für Graz“ weiß, dass der anstrengende Teil des Beteiligungsverfahren erst jetzt startet: In einer Gruppe sollen die zuvor gewählten Themen Religion, Stadtgestaltung und Sprache, in einer zweiten die Soziale Integration bearbeitet werden.

Muezzin über Handy
„Ist das nur Männersache?“ fragt die einzige Frau in der ersten Gruppe hinter vorgehaltener Hand. Dann wird lebhaft diskutiert und rasch ist man sich einig: ein Islamisches Kulturzentrum ist ihr Hauptanliegen. Dieses Zentrum soll eine Moschee, eine Bibliothek und Veranstaltungsräume beinhalten. Funktionierende Beispiele aus Deutschland und Wien werden genannt, gerade Graz als ausgezeichnete Kulturstadt sollte hier um nichts nachstehen.
Hannes Galter ist Moderator des Interreligiösen Beirats der Stadt Graz und kennt den Wunsch nach einer Moschee: „Auf gesellschaftlicher Ebene steht die Notwendigkeit eines solchen Schrittes mittlerweile außer Streit.“ Die Politik hinke dem aber hinterher. „Leider hat es sich österreichweit als unmöglich erwiesen, das Thema aus Wahlkämpfen herauszuhalten“, konstatiert Galter. Das langsame Vorgehen wiederum stelle die Geduld der Muslime auf eine harte Probe: „Frustrationen entstehen und schon geschmiedete Gemeinschaften brechen wieder auseinander.“
Bei der Planungswerkstatt aber bleibt man dran und wird auch ganz konkret: Das Minarett sei der europäischen Architektur anzupassen, auf den Ruf des Muezzin würde man verzichten – erhält man den Gebetsruf doch ohnehin über das Handy. „In Graz gibt es elf Gebetsräume, warum kann es nicht eine Moschee für alle geben, fürs gemeinsame Beten?“ fragt einer. Gerade für die Kinder sei es wichtig, in einem Kulturzentrum über ihre Herkunft und Traditionen zu lernen. „Unsere Kinder sollen gscheit lernen, das ist der Weg weg von Radikalismus.“ Eines scheidet die Gruppe: Die deutsche Sprache wird als Gebetssprache vorgeschlagen. Für viele Muslime problematisch, ist der Umgang mit ihr doch nach wie vor mit Anstrengung und wenig Vertrautheit verbunden. Vertrautheit, die man im Glauben aber suchen würde.

Raum und Geld für Vereine
Der Meinungsaustausch in der Gruppe „Soziale Integration“ ist geprägt von heißen Diskussionen. Spürbar ist, dass hier Menschen zusammen gekommen sind, die in Vereinen engagiert sind. Ihr Grundtenor: Die funktionierenden Strukturen der Migrantenvereine sollten endlich auch gewürdigt werden. Abgesehen von der Finanzierung erhofft man sich vor allem auch die Anerkennung durch die Politik. „Wenn jemand Geld gibt, wollen wir es nur, wenn es vom Herzen kommt.“
Kheder Shadman ist gebürtiger Kurde aus dem Iran und seine Architektur-Diplomarbeit befasst sich mit dem Thema Stadtentwicklung und soziale Ausgrenzung. Er ist gebeten worden, die Migranten-Konferenz zu begleiten und bestätigt: „Integrative Arbeit findet auch verstärkt in den Migrantenvereinen statt.“ Neben mehr finanziellen Mitteln müsste die Stadt auch Räumlichkeiten, die für alle offen stehen, zur Verfügung stellen. Das würde die Kommunikation und den Austausch fördern. Außerdem „sollten Migration und Ausgrenzung stärker im Prozess der Stadtentwicklung berücksichtigt werden“, so Shadman.

Auf die Reaktion kommt es an
„Wir sind Österreicher mit nicht-österreichischer Herkunft und wollen als Bürger akzeptiert werden.“ Der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung durchzieht alle thematischen Schwerpunkte der Diskussionsrunden. Vor allem die Rolle der Medien wird von den Teilnehmern kritisiert, gewünscht wird eine neutrale Berichterstattung mit dem Focus auf den beachtlichen Ressourcen, die MigrantInnen mitbringen. Hans-Jörg Luser, Initiator und Moderator der Planungswerkstatt, fasst die Unterschiede zu den anderen 17 Planungswerkstatt-Treffen zusammen: „Es gab zwar weniger Themen bei der Migranten-Konferenz, die wurden aber stärker focussiert und emotionaler diskutiert.“ Kheder Shadman hofft, dass die Erwartungen nicht enttäuscht werden: „Wichtig ist die Rückmeldung der zuständigen Politiker. Wenn keine Reaktion kommt, steigt die Politikverdrossenheit und die Gleichgültigkeit gegenüber Politik. Eine Entwicklung, die vor allem in den benachteiligten Stadtteilen zu beobachten ist. Diesem Trend sollten wir durch verbesserte Kommunikation entgegensteuern.“
Als auch der letzte Schluck Tee in Fathma Dikilitas Saal genommen ist, bleibt nicht nur der Geruch nach Pizza zurück. Die hier formulierten Ideen und Visionen hängen als gewichtige politische Forderungen im Raum. Ein Teilnehmer resümiert: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

[Birgit Lacheiner und Eva Reithofer-Haidacher]...




[Artikel/megaphon/02.04.2007]





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