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Fürchtet euch nicht!

VIELFALT Ein Gespräch mit dem Architekten Kheder Shadman und der Bildungswissenschafterin Annette Sprung über Integration und Stadt.

Interview: Judith Schwentner


Ob sie jetzt Neugrazer heißen oder nicht, eines hat der Wahlkampf sehr klar gemacht: Um eindeutigere Positionen im Umgang mit BewohnerInnen mit Migrationshintergrund wird die neue Stadtregierung nicht umhinkommen. Bereits im 2002 von Annette Sprung und Daniela Holzer verfassten Integrationspapier wurde auf Handlungsbedarf in vielen Bereichen hingewiesen. Kheder Shadman hat die Veränderungen durch das groß angelegte Eu-Urban-Projekt im Gries evaluiert und weiß nicht zuletzt aufgrund seiner Position als Geschäftsführer des MigrantInnenbeirats über die Lebenssituation von MigrantInnen Bescheid.

Graz hat viele Vorteile: die Stadt ist überschaubar, wohlhabend und der Anteil an BewohnerInnen mit Migrationshintergrund hält sich im Rahmen. Was wurde in Bezug auf Integration dennoch versäumt?

Sprung: Zuallererst muss Graz ein Selbstverständnis dafür entwickeln, dass es eine Einwanderungsstadt ist. Es hat ja immer schon ein starkes nationales Lager gegeben, welches diese Tatsachen nicht wahrhaben wollte. Aber auch eine große Scheu der anderen Parteien selbstbewusst zu sagen: Wir setzen uns für eine aktive Integrationspolitik ein.

Shadman: MigrantInnen als Problem anzusehen, ist eines der wesentlichen Hindernisse. Die dazugehörige Integrationspolitik müsste sich zu einem klaren politischen Auftrag bekennen.

Wäre ein Integrationsleitbild eine Lösung?

Sprung: Gemeinsame Grundsätze sind in jedem Fall eine Basis, auf der man aufbauen kann. Ein Problem ist auch, dass die Stimme der MigrantInnen kaum Wege gefunden hat sich zu artikulieren. Das hängt auch mit dem Wahlrecht zusammen.
Die einzige Forderung, die sich hinsichtlich Gemeindewohnungen erfüllt hat, war ja auf Grund der EU-Bestimmungen, nicht, weil das gewollt gewesen wäre. Der Bestand der Gemeindewohnungen in Graz ist aber ohnehin nicht groß genug.

Shadman: Zumindest die Beratung im Wohnbereich müsste besser organisiert werden. Wie schaut es mit Förderungen aus, mit einem Eigenheim? Es wurde zwar der Zugang zu Wohnbeihilfe auf drei Jahre verkürzt, aber wir haben noch immer ein Verbot von gefördertem Eigentum für MigrantInnen. Auch unter MigrantInnen ist eine Mittelschicht da.


2002 wurde dem Bürgermeister das Integrationspapier zu kultureller Vielfalt und Integration übergeben. Was ist seitdem passiert?

Sprung: Die Grundforderung, ein langfristiges Integrationskonzept zu erarbeiten, und zwar partizipativ unter Einbeziehung unterschiedlichster Gruppierungen, ist nicht passiert. Für uns als Autorinnen der Studie war es immer klar, dass wir nur die wissenschaftlichen Grundlagen liefern. Einzelne Maßnahmen allerdings wurden schon umgesetzt. In erster Linie einzelne Bausteine einer interkulturellen Öffnung des Magistrats in Form von Weiterbildungen und die Einrichtung eines Integrationsreferates. Was die sonstige Personalentwicklung im Magistrat betrifft, kann man nichts Erfreuliches berichten - Aufnahmen von MigrantInnen gibt es meines Wissens nicht.

Shadman: Es ist im Zuge des Urban-Projektes viel städtisches Geld in Projekte geflossen. Einerseits wurden Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen, die auch MigrantInnen zugute kommen. Andererseits, wenn wir die Frage nach den vielen Geschäften und Unternehmen, die in den letzten Jahren im Bezirk Gries entstanden sind und das Straßenbild auch mitprägen, in Betracht ziehen, dann stellen wir fest, dass ein Konzept zur Förderung der ethnischen Ökonomien in den benachteiligten Stadtteilen fehlt. Diese Geschäfte leisten ja einen Beitrag dazu, die Situation im Bezirk zu stabilisieren.
Die Geschäftsbetreiber wissen wenig über Marketing. Sie wissen nicht, wo sie Förderungen bekommen können und oft nicht, wie die Bestimmungen hinsichtlich der Öffnungszeiten oder des Führens eines Betriebes sind. Die Stadt sollte Beratung anbieten und sich auch überlegen, inwieweit man diese ethnischen Ökonomien fördern könnte?

Architekten, Stadtplaner, aber auch Vertreter aus der Politik sind oft der Ansicht, dass man doch keinen Unterschied machen müsste zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.

Sprung: Grundsätzlich ist der Gedanke schon richtig. Egal, welchen Bereich man sich da anschaut. Man weiß ja inzwischen, dass es nicht ein kulturelles Problem ist, dass viele Kinder aus Migrantenfamilien einen schlechteren Schulerfolg haben als andere Kinder, sondern, dass das vor allem etwas mit der sozio-ökonomischen Situation der Familien zu tun hat.
Man müsste in vielen Fragen zuerst einmal auf Ressourcen und Potenziale schauen, das ist leider nicht die angelegte Perspektive. Man schaut eher auf die Problemlagen.

Shadman: Die Überlegung, wie und wo man die Ressourcen in den betroffenen Stadtteilen verwendet, ist eine entscheidende. Bildung und Schulen sind dabei von großer Bedeutung.

Sprung: Genau, das ist ja auch ein Problemdiskurs: Sobald in einer Schule ein gewisser Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache erreicht ist, geht ein großer Aufschrei durch die Politik und die Bevölkerung, als wäre das per se schon problematisch. Eigentlich müsste die Reaktion anders sein: Ja, da sollten wir besonders viele Ressourcen hingeben. Da müssten eigentlich die besten Pädagogen hinkommen. Stattdessen diskutiert man da wirklich darüber, ob man Kinder in andere Stadteile schickt. Völlig absurd.
Die Teilnehmerinnen an den Seminaren in der Verwaltungsakademie sind Leute aus Schulen, Kindergärten und Horten – und sie erzählen oft eine Geschichte der Überforderung! Die sind dort allein gelassen. Und da vergeudet die Stadt wiederum Potenziale, denn es gibt sehr wohl Personen, die bereit sind, viel zu leisten.

Shadman: Die Frage der ethnischen Zusammensetzung der Schüler ist tatsächlich sekundär – sondern hier geht es hier um den Sozial- und Bildungsstatus und darum, wie viel Unterstützung die Schulen bekommen.

Was das konkrete Zusammenleben in Siedlungsgebieten anbelangt ist bislang ja auch wenig passiert.

Sprung: Es gibt da jetzt Ansätze. Etwa ein Projekt zur Nachbarschaftsmediation durch das Integrationsreferat.

Shadman: Über solche Projekte gibt es kaum Informationen. Die Frage der Nachbarschaftsmediation ist aber weniger eine Frage der Ethnien. Für MigrantInnen ist daher die Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs entscheidend.
Eine der wesentlichen Stärken von Gries ist, ist dass es ein Wohnbezirk und ein Arbeitsbezirk zugleich ist. Das macht den Unterschied zu den Vorstädten in Frankreich, in denen reine Wohnsiedlungen entstanden sind und zum Ghetto wurden. Stadtteile im urbanen Bereich, wo eine Funktionsmischung da ist, erleichtern die Eingliederung in die Gesellschaft.

Wie wichtig sind auch niederschwelligere Zugänge zu einem gemeinsamen Leben? Etwa gemeinsame Feste?

Sprung: Man muss überlegen, was strategisch gut ist. Ich habe nichts dagegen, wenn in Schulprojekten Austausch auf kultureller Ebene passiert – was essen wir hier, was essen wir dort. Wenn es aber dabei bleibt, ist es bedenklich und verkommt zu reinem Folklorismus. Wenn es einmal im Jahr den Multi-Kulti-Ball gibt, wo sich manche gerne weltoffen präsentieren, und dann machen sie wieder rassistische Politik, wenn sie heimgehen. Das ist das, was mir aufstößt. Aber der Ball an sich ist auch nichts Schlechtes.

Zum Abschluss eine Bitte an die neue Stadtregierung.

Sprung: Fürchtet euch nicht! (lacht)

Shadman: Die Migrationspolitik sollte möglichst über die Wahlperiode hinaus auf breiter Basis angelegt und durch Fokussierung auf zentrale Themen wie Arbeit, Wohnen und Bildung eine Nachhaltigkeit bewirken.

Sprung: Ich denke auch, es soll ein grundsätzliches Konzept geben, über das es eine Leistungsvereinbarung gibt. Aber dann ist es notwendig, dass auch ordentlich Mittel in die Hand genommen werden. Und: Weg von dieser Defizitorientierung, Potenziale fördern und auch hinschauen, wo Integration tagtäglich gelingt! Es wird im Diskurs immer so getan, als gebe es nur Integrationsprobleme. Was aber nicht heißt, dass man reale Probleme nicht benennen soll. Ich bin auch dagegen, dass man das romantisiert. Es ist einfach ein Perspektivenwechsel notwendig....




[Artikel/megaphon/11.02.2008]





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