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Halt geben - Familienbande knüpfen

PATENSCHAFT. Allein im fremden Land fehlt es minderjährigen, meist traumatisierten Flüchtlingen an Sicherheit und Zuwendung. PatInnen können ihnen helfen, die schwierige Situation zu bewältigen. Text: Birgit Schweiger, Fotos: Christopher Mavric

Stürmisch umarmen sich die beiden jungen Männer und lachen. Für ein gemeinsames Foto hat der eine ein schmutziges Fahrrad ins elterliche Wohnzimmer gerollt, einen Fußball der andere; haarscharf entgehen Kristallluster und Fernsehgerät den Folgen des jugendlichen Übermuts. Die beiden sind ein Team, sie gehen miteinander schwimmen, schauen fern, spielen Fußball, diskutieren über ihren unterschiedlichen Musikgeschmack, lernen von- und miteinander: „Er ist ein Familienmitglied“, sagt der jüngere Bursch über den älteren. Das ist alles andere als selbstverständlich. Denn der 15-jährige Aaron Schrammel ist in Österreich geboren, der 18-jährige Taher Esmaieli in Afghanistan. Wohlbehütet unter dem Dach der Eltern lebend der eine, als Waise nach der Flucht aus dem Heimatland im Grazer Flüchtlingsheim auf eine bessere Zukunft hoffend der andere.
Vor knapp zwei Jahren entschied Aarons Mutter Ilse Schrammel, im Rahmen des Projekts Connecting People Patin eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings zu werden. „Ich bin überzeugt davon, dass Jugendliche eine stabile Bezugsperson, Wärme und Zuwendung brauchen, sonst wird ihr Leben unerträglich.“ Die Sozialarbeiterin besuchte die Einschulung beim Verein Zebra – und lernte kurze Zeit später Taher Esmaieli kennen, erst über Briefe, dann persönlich. Den Draht haben sie sofort zueinander gefunden, nur auf das Wörterbuch hätten sie anfangs nicht verzichten können, wie Taher schmunzelnd erzählt. Zwei Sprachkurse und unzählige Ausflüge und Gespräche mit der Patenfamilie später spricht er sehr gut Deutsch und besteht seine Prüfungen an der externen Hauptschule mit Bravour.

Verständnis zeigen.
Auch Ali Madad Sarwary ist gerade auf dem Weg zum Hauptschulabschluss, unterstützt von seiner Patin Kathrin Steinweg und deren Familie. „Als wir Ali vor zwei Jahren kennengelernt haben, konnte er kein Wort Deutsch – mein damals einjähriger Sohn auch nicht. Die beiden haben zusammen sprechen gelernt.“ Die beiden Kinder in der Familie, jetzt zehn und drei Jahre alt, waren mit ein Grund dafür, dass die Steinwegs zu Alis Paten geworden sind. „Es heißt, dass er sofort strahlende Augen bekommen hat, als ihm gesagt wurde, dass es in unserer Familie zwei kleine Kinder gibt“, erzählt Kathrin Steinweg mit einem liebevollen Blick zu ihrem Schützling. Inzwischen ist die Beziehung zwischen ihm und den beiden Buben „sehr eng. Was ja auch nicht verwundert: Daheim hatte Ali fünf Geschwister und hier plötzlich keine mehr“, sagt Steinweg. Dass das nicht schön ist – ohne Geschwister und ohne Eltern in einem fremden Land zu sein –, haben ihre Söhne schnell verstanden und akzeptiert. „Der große hat genau nachgefragt, aber das Mitleid mit Ali war größer als die Eifersucht auf ihn.“

Horizont erweitern.
Weil die Kommunikation anfangs nur mit Händen, Füßen und Wörterbuch möglich war, „haben wir immer etwas miteinander unternommen. So kommt man erst gar nicht in die Verlegenheit, nicht zu wissen, was oder wie man reden soll“, sagt die 38-jährige Schauspielerin. Etwa einmal pro Woche sehen sich Patenfamilie und Schützling, in schwierigen Zeiten auch täglich. „Es ist aber nie eine Belastung“, so Steinweg: „Es ist eine Bereicherung für alle, es erweitert unseren Horizont.“ Der einzige mit der Patenschaft verbundene Kummer: die österreichische Asylpolitik, die immer rigider wird und unbeeinflussbar scheint. „Ich würde gerne hier bleiben, wenn ich darf“, sagt Ali Madad Sarwary, „und als Schneider arbeiten.“ Solange sein Asylverfahren läuft, darf er aber überhaupt nicht arbeiten, und was nachher kommt, ist ungewiss.

Selbstbewusstsein entwickeln.
Auch Taher Esmaieli würde lieber arbeiten als weiter zur Schule gehen – sein Traumberuf: Mechaniker. Auch sein Wunsch muss warten, dennoch tut er in der Zwischenzeit sein Bestes: „Ich lerne wirklich viel.“ Vier Stunden täglich zusätzlich zu den Schulstunden sind für ihn ganz normal. Die Familie Schrammel ist ihm eine Stütze in der schwierigen Situation: „Mir ist wichtig, dass er als Asylwerber selbstbewusst durch Österreich geht, dass er weiß, dass er nicht immer zurückstecken muss“, sagt Patin Ilse Schrammel. „Inzwischen ruft er auch einfach an, wenn er Sorgen hat oder etwas braucht. Das war nicht von Anfang an selbstverständlich!“ Sorgen macht sich der junge Mann nämlich nicht nur um sein eigenes Leben, sondern auch um das seines einzigen noch lebenden nahen Verwandten: Sein elfjähriger Bruder ist allein in einem anderen Land unterwegs; eine Möglichkeit, ihn nach Österreich zu holen, gibt es nicht, wie Ilse Schrammel ungläubig feststellt. Sie setzt alles daran, ihren Schützling ins Familienleben einzubinden. „Wir können seine Familie nicht ersetzen, aber er ist immer mit dabei, wenn wir etwas planen.“ Weil er als Asylwerber nicht ins Ausland reisen darf, wird Urlaub in Österreich gemacht: „Die eigene Heimat ist ja auch schön“, stellen Ilse Schrammel und Sohn Aaron lachend fest. Eine Woche waren die vier an einem Badesee in Kärnten – für Wasserratte Aaron ein Fest, für Taher etwas Neues: Er konnte noch nicht schwimmen. „Aber er hat es sofort gelernt und ist dann sogar gesprungen und geköpfelt!“, erzählt der HTL-Schüler anerkennend. Die für den 15-Jährigen bisher langweiligen herbstlichen Wanderungen wiederum sind erträglich, seit Taher mit von der Partie ist: „Zu zweit macht's halt mehr Spaß“, sagt er.

Welt retten.
Es wird im Rahmen von Connecting People offengelassen, was die Patinnen und Paten mit ihren Schützlingen unternehmen und welche finanziellen Belastungen sie auf sich nehmen. Aber mit einem mehr in der Runde macht's eben mehr Spaß, weshalb auch in der Familie Steinweg Urlaube und Ausflüge nur noch zusammen mit Ali geplant werden. „Ich hab eingesehen, dass man die Welt nicht retten kann. Aber man kann mit ganzer Kraft einem Menschen helfen, und das empfinde ich als beruhigend und befriedigend“, erklärt Kathrin Steinweg. Ihr Mann ergänzt: „Es müsste doch nur ein paar mehr Familien wie uns geben. So könnte man einige Probleme lösen ...“


Connecting People sucht neue Patinnen und Paten!
Infos
beim Verein Zebra:
T 0316 90 80 70,
www.zebra.or.at
...




[Artikel/megaphon/01.04.2010]





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