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Die Ersten, die untergehen

KLIMAWANDEL. Der Pazifik-Inselstaat Kiribati kämpft gegen den rapide steigenden Meeresspiegel. Klimaaktivistin Pelenise Alofa Pilitati hat mit dem MEGAPHON über die dramatische Situation in ihrem Land gesprochen.

„Kiribati liegt zwei Meter über dem Meer. Wir sind die Ersten, die untergehen.“ Pelenise Alofa Pilitati wollte der gefährlichen Situation in ihrem Heimatland, in dem 90.000 Menschen auf 33 Inseln leben, nicht mehr länger zusehen und engagiert sich seit einem Jahr gegen den Klimawandel. Sowohl in Kiribati selbst als auch direkt bei den Verursachern der Krise: Mit finanzieller Unterstützung verschiedener Klimaschutzorganisationen reist sie in Industriestaaten in aller Welt, um aufzuklären und wachzurütteln. Im Herbst war sie drei Wochen lang in Europa, im Vorfeld der UN-Klimakonferenz von 7. bis 18. Dezember in Kopenhagen, die das Schicksal von Kiribati wesentlich bestimmen wird.

Wie wirkt sich der Klimawandel in Kiribati aus?
Der Meeresspiegel steigt rapide an. Mit den Augen sehen wir es nicht, es geht langsam, nur ein paar Millimeter pro Tag oder Woche. Aber man sieht, was der steigende Wasserstand mit den Inseln macht – Bäume am Strand fallen reihenweise um. Das Wasser kommt immer weiter ins Land und nimmt den feinen Sand, aus dem die Inseln bestehen, einfach mit.

Welche Folgen hat das?

Die Nahrungsversorgung ist gefährdet. Es sind hauptsächlich Kokosnusspalmen, die extra gepflanzt wurden, die jetzt umfallen. Das Trinkwasser wird verunreinigt. Das Meerwasser dringt ins Grundwasser ein oder in die Brunnen, die in Kiribati die Wasserversorgung sicherstellen. Es erschwert die Lebensbedingungen enorm, wenn das Trinkwasser mit Salzwasser kontaminiert ist. Die Menschen müssen oft weite Strecken gehen, um an sauberes Wasser zu kommen.
Und die Leute verlieren ihr Land. Sie bauen ihre Häuser immer weiter vom Meer weg, aber das Wasser holt sie ein.
Der Grund für den steigenden Meeresspiegel ist die Klimaerwärmung, für die zum Großteil die Industriestaaten verantwortlich sind. Was fordern Sie?
Ich sehe das Wasser steigen, und ich kann nicht weglaufen, ich muss Lösungen suchen. Erstens müssen die großen Länder ihre Emissionen verringern, um mindestens 40 oder 50 Prozent, und zwar innerhalb der nächsten zehn Jahre, also bis 2020. Wenn sie das tun, haben wir zehn Jahre, in denen wir gemeinsam forschen können und versuchen, uns an die Situation anzupassen. Dafür brauchen die Inselstaaten natürlich in den nächsten Jahren Geld und neue Technologien. Und nach 2020 haben wir das Wissen, um langfristig das Wasser zu stoppen.
Was passiert, wenn sich nichts ändert?
Kiribati wird in wenigen Jahrzehnten im Meer untergehen und wir müssen gehen. In diesem Fall brauchen wir unbedingt eine Reihe von Rechten, die sowieso alle Klimaflüchtlinge haben sollten!
Wird es schwer für die Menschen in Kiribati, ihr Land zu verlassen?
Unglaublich schwer, in jedem Fall. Wir sind ein indigenes Volk, wir sehen unser Land als Mutter. Egal, wo wir hingehen, wir kommen immer nach Hause zurück. Es wird soziale Probleme geben deshalb, globale Probleme! In Kiribati ist niemand wirklich arm: Niemand bleibt hungrig. Niemand muss betteln, auch wenn er arbeitslos ist. Die Menschen haben ihr Land, ihre Häuser. Wenn es drauf ankommt, gehen sie fischen und verkaufen den Fang. Notfalls fragt man Familie oder Freunde um Hilfe. Niemand muss betteln, niemand stiehlt. Stehlen ist sehr, sehr böse in unserer Kultur. Es ist eine große Schande. Niemand nennt einen anderen einen Dieb, denn das ist die schlimmste Anschuldigung. Auch die Regierungen haben hohe moralische Standards, Respekt steht über allem. Unsere Budgetplanung ist vorbildlich, wir machen keine Schulden, wir sind zufrieden mit dem Wenigen, das wir haben.
Welche Probleme wird Ihr Volk in anderen Ländern haben?
In Kiribati leben die Menschen in einem System, in dem sie für sich selbst sorgen, für sich selbst verantwortlich sind. In Ländern, in denen die Regierungen für die Menschen sorgen, in denen es soziale Systeme gibt, die schon so viele Bedürftige tragen müssen, wo es nicht genug Arbeit für alle geben wird, werden sie vielleicht als Bettler enden.
Ein weiteres Problem: In Kiribati spielt Zeit keine Rolle, die Leute machen sich keine Gedanken über Zeit. Aber hier, in den Industriestaaten, müssen sie mit der Zeit gehen, um zu überleben. Sie sind nicht daran gewöhnt – wie sollen sie damit fertig werden? Das ist ein komplett anderes Leben, das sie führen werden müssen. Ich glaube, viele werden einfach sterben, manche werden Selbstmord begehen. Viele werden in ihrer Verzweiflung auf der Straße enden und Probleme machen – davor habe ich große Angst!
Sie sagen, Klimawandel ist neuer Kolonialismus. Warum?
Mit dem Klimawandel verlieren wir unsere Freiheit, unsere Ressourcen, unsere Rechte. Wir verlieren die Kontrolle über unser Meer. Wenn wir vertrieben werden, werden die reichen Länder aufspringen und „Meins!“ rufen. Und warum? Wegen des Geldes, weil andere noch mehr haben wollen, ihren eigenen Wohlstand über Menschenleben stellen. Es gibt keinen anderen Grund, das verändert sich nie. Das ökonomische Wachstum ist den Industriestaaten schon immer wichtiger gewesen als die Menschen.
Wie reagieren die Menschen in Europa auf Ihre Vorträge?
Sie sind überrascht, aber auch wirklich schockiert von den Bildern, die ich ihnen zeige. Auch sie spüren ja das veränderte Klima, es wird nur nicht akut lebensgefährlich. Aber auch sehr schade, dass es dann vielleicht bald keinen Schnee mehr hier gibt …

Nicht nur Kiribati ist massiv von der Klimaerwärmung betroffen: Mitte dieses Jahrhunderts werden den Vereinten Nationen zufolge bis zu 250 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Damit wird es zehnmal so viele Flüchtlinge geben wie jetzt. Diese „Klimaflüchtlinge“ haben im Unterschied etwa zu politischen Flüchtlingen noch keine festgelegten Rechte – und sie können nie wieder in ihr Land zurückkehren, wenn es einmal unbewohnbar ist.
Allein im asiatisch-pazifischen Raum werden, wenn nicht rasch Gegenmaßnahmen ergriffen werden, 75 Millionen wegen des steigenden Meeresspiegels auswandern müssen. Große Überschwemmungen der Wohngebiete und des Ackerlandes werden etwa in den Gebieten der Flüsse Nil, Niger, Ganges und Mekong, die jeweils zig Millionen BewohnerInnen haben, befürchtet. Im Mekong-Delta in Vietnam leben mehr als 14 Millionen Menschen in Gebieten, die bei einem Anstieg des Meeresspiegels von zwei Metern komplett untergehen werden. In der Sahelzone und in Mexiko werden die Menschen wiederum mit zu wenig Wasser zu kämpfen haben – in den ohnehin sehr trockenen Landstrichen fatal. Die BewohnerInnen der arktischen Gebiete verlieren wegen des Abschmelzens der Polkappen ihre Lebensgrundlagen. Sogar der Himalaya wird austrocknen, was die Wasserversorgung der Flüsse und damit der riesigen umliegenden Gebiete zerstört. Dazu wird es in allen Teilen der Welt noch häufiger und stärker zu wetterbedingten Katastrophen kommen, etwa zu verheerenden Wirbelstürmen.

Interview: Birgit Schweiger, Fotos: Christopher Mavric...




[Artikel/megaphon/01.12.2009]





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