KiG! Kultur in Graz

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Christian Joachim Gruber: Kulturmark

In einem Punkt muss ich sogar unserem Kulturstadtrat recht geben, die freie Szene bzw. einige mir bekannte Kunst- & Kulturschaffende konnten nicht wirklich mit der 2003 Gesellschaft. Dies lag primär daran, dass in dieser
Gesellschaft sehr wenige die Sprache der Kunst und Kultur verstanden haben und in Wahrheit auch kein Interesse hatten einfach zuzuhören. Viele waren eher darauf aus, schick zu sein oder so oft wie möglich in diversen Medien aufzutauchen
(Brainpower?). Wenn manche von 2003 glauben, dass das Projekt Kulturhauptstadt Sex war (siehe den von den Gesellschaftern unterzeichneten Abschiedsbrief), so hatten wir sehr oft das Gefühl, dass es egozentrische Selbstbefriedigung war.

Ich glaube, viele ernsthaft arbeitenden Kunst- & Kulturschaffende sind froh, dass der 2003 Spuk vorbei ist. Auch wenn das Marketingkonzept von 2003 vielleicht funktioniert hat, nahm der vermeintliche Erfolg mit dem „Quadrat der Entfernung“ spürbar ab. Graz wurde in dieser Zeit von außen (Wien, Berlin, Lissabon) bei weitem nicht so wahrgenommen, wie man uns glauben machen wollte.
Inhaltlich ist das 2003 Programm als nett aber nicht aufregend betrachtet worden, was dem Zustrom der Bustouristen der Himbeertörtchen-Fraktion jedoch keinen Abbruch tat.
Was mir aber persönlich Angst macht, ist die Tatsache, dass 2003 nie einen Anspruch an Nachhaltigkeit an den Tag gelegt hat. Es gab keine Überlegungen über die Weiterführungen von Kulturstätten, es gab keine Überlegungen für das Jahr 2004 und darüber hinaus. Auch hat man es verabsäumt, regionale Kunst- und Kulturschaffende derart einzubinden, dass sie sich eine Basis für ihre Zukunft aber auch für den Standort Graz als Kulturproduktionsstätte schaffen konnten. Dafür hätte es nur einen geringen Bruchteil der Mittel gebraucht, die
alleine für Marketing etc. verwendet wurden. Jetzt die Einbindung dieses Teams als einen Akt der Nachhaltigkeit zu verkaufen, ist eine der dümmsten kulturpolitischen Aussagen, die ich in letzter Zeit in dieser Stadt gehört habe.

Es ist nachvollziehbar, dass in einer Stadt großes Interesse besteht, Tourismus über Kunst & Kultur zu fördern, aber die Stadt Graz soll dabei die Kunst & Kultur insbesondere die freie Szene nicht vergessen. Gerade sie ist die Basis für kulturelle Entwicklungen und hat einen ähnlichen Stellenwert wie die Forschung für die Wirtschaft. Viele Projekte der freien Szene sind touristisch nicht verkaufbar, sollen dies auch nicht sein. Aber gerade diese Projekte machen den Kulturbetrieb spannend, auch oder weil sie keine Quoten, keinen durchschnittlichen Geschmack zu befriedigen haben. Für die Kunst- & Kulturschaffenden bieten derartige Projekte die Möglichkeit zu lernen, Grenzen auszuloten und nehmen dadurch sehr oft künstlerische & kulturelle Entwicklungen vorweg.
Man darf nicht vergessen, es sind auch die Köpfe der freien Szene ein Teil jener Ressourcen, aus denen zukünftige Größen der Stadt erwachsen können, sonst ist es bald vorbei mit „Heimat großer Söhne (Töchter)“. Dafür braucht es
Rahmenbedingungen, die im Jahr 2003 nicht geben waren, und so wie es derzeit ausschaut, auch in den nächster Zeit nicht gegeben sein werden.

Auch gebe ich Herrn Michael Tschida recht, die Sehnsucht nach Helmut Strobl aber auch Alfred Stingl verstärkt sich täglich, vor allem nach den Vorgängen in den letzten Wochen und Monaten....

[Artikel/culturalis/03.02.2004]