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Anita Hofer: 2003 - Die Steiermark ist ab sofort kein Einsatzgebiet mehr.

Wider die Geschwindigkeit

Markante Einzelheiten der kulturellen Aufrüstung[1] der Steiermark innerhalb eines Jahres: Kulturhauptstadtjahr und Subventionskürzungen für Kulturinitiativen von Stadt und Land, Errichtung zahlreicher neuer kulturelle Zentren und Reduzierung von minoritären Strukturen, marktwirtschaftlich orientierte Evaluierungsbögen für mittelfristige Verträge und inhaltliche Schwerpunktsetzung für ein Grazer Kulturprofil, Kulturdialog und Kulturentwicklungsplan[2]; dazu eine in Windeseile neu gegründete IG-Steiermark, die es sich zum Ziel gesetzt hat, auf alle Ereignisse zu reagieren und dabei völlig außer Atem gerät.
Das Tempo, in dem sich Themen entwickeln und ablösen, auf die Kulturschaffende einerseits von Kulturpolitikern aufgefordert reagieren sollen und andererseits unaufgefordert reagieren müssen, um im Feld der Kulturpolitik mitreden zu können, denn mitzureden bedeutet, so die Annahme, mitzugestalten, mitzuentscheiden, lässt de facto keinen aktiven Mitgestaltungsprozess zu. Die einzig mögliche Form, das Tempo zu halten, in dem kulturpolitische Diskussions- und Entscheidungsprozesse stattfinden, ist die einer schnellen und möglichst marketingfähigen[3] Reaktion. Das heißt, das Feld der möglichen Formen von Aktion und Reaktion ist von vornherein abgesteckt.

Meine Vermutung besteht darin, dass die Politik sich nicht allein die marktwirtschaftlichen Techniken der Bedürfniserzeugung und deren Regulierung angeeignet hat, um zu einer eindimensionalen Wirtschaftspolitik zu mutieren, sondern sich auch an deren Zeitstruktur – Kurzfristigkeit bzw. Schnelllebigkeit – orientiert, die auf Geschwindigkeit basierende Handlungsformen bedingt.
In der Sprache der Politik als Handlungsform kann also neben der Verführung und Vereinnahmung (Bedürfniserzeugung und deren Regulierung) auch die Geschwindigkeit als konstitutives Element der Machterhaltung, das heißt, der Ausgrenzung[4] ausgemacht werden – von Themen, die nicht angesprochen werden, von Menschen, die am Diskurs nicht teilhaben und von Ideen, die nicht entwickelt werden.
Die Teilnahme am politischen Diskurs verführt aber zur Aneignung der Sprache der Politik und zu einer Akzeptanz der ihr immanenten Regeln, also auch der Geschwindigkeit, die nichts bewegt, die im Gegenteil alles zum Stillstand bringt. Denn: „Mitgerissen von der ungeheuren Gewalt der Geschwindgkeit, bewegen wir uns nirgendwohin, wir geben uns mit der Aufgabe des Lebendigen zugunsten der Leere der Geschwindigkeit zufrieden. In Zukunft wird es ... mit jeder menschlichen Aktivität sein wie in einem Rennvehikel, bei dem der Fahrer zunächst die Beschleunigung beherrschen, die Maschine in der Spur halten muss und die Einzelheiten des ihn umgebenden Raumes nicht mehr beachtet; ...“[5]

Die „symbolische Gewalt“[6] der Geschwindigkeit besteht aber nicht nur darin, dass sie das Feld der möglichen Aktionen und Reaktionen definiert, die Erweiterung durch neue Ideen somit nicht zulässt, sondern auch darin, dass sie offenbar eine Entsensibilisierung der Sprache mit sich bringt. Denn wie sonst ist es erklärbar, dass ein Sprachgebrauch, wie der militaristische, der bei Intellektuellen auf äußerste Kritik stößt, plötzlich bei den Intellektuellen wiederzufinden ist?

So komme ich zu dem Schluss, dass es höchste Zeit ist, die Geschwindigkeit, die sich an der Zeit misst, als ein statisches Element der Sprache (Handlung) zu betrachten und sie (vorübergehend) hinter uns zu lassen, zugunsten der Langsamkeit, die sich gegen die Zeit auflehnt, sozusagen eine Rhythmusstörung ist, und schon deshalb fähiger, etwas zu bewegen.
(Ein Grazer Gemeinderatsbeschluss zur Unterstützung der „Originalen Diagonale“[7] (rot-rot-grün gegen schwarz-blau) am 13.11.2003, lässt Anzeichen für eine solche Rhythmusstörung erkennen.)



[1] Rekurs auf Martin Wassermair, der bei der ersten Versammlung zu einer Neugründung der IG-Steiermark am 02.06.2003 betonte: „Die Steiermark ist unser erstes Einsatzgebiet.“

[2] Graz brauche nicht 5 Jahre, um zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen wie Linz, sondern 3 Monate, so Kulturstadtrat Buchmann am „Open Space“, einer den Kulturdialog vorbereitenden Veranstaltung am 10.09.2003.

[3] „Alles, was sich bislang in der Gestaltung der unmittelbaren Umgebung des realen Raumes der Stadt oder des Landes abspielte, wird sich in Zukunft allein in der Organisation der Kontrolle der Leitfähigkeit der Bilder und der realzeitlichen Information abspielen.
Paul Virilio, Rasender Stillstand, Frankfurt a.M., 1997 (Paris, 1990), S. 135

[4] „Jedes Sprachsystem ist immer ein Mittel des Ausdrucks, aber zugleich auch ein Mittel der Zensur. Paradoxerweise besteht eine Sprache immer aus jenen Dingen, die sie auszusprechen erlaubt, aber auch aus jenen, die sie auszusprechen und zu denken verbietet, die aber von anderen Sprachsystemen wiederum ausgelassen werden...“
Pierre Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik & Kultur 1; Hg. Margarete Steinrücke. Hamburg, 1997 (1992), S. 13-31

[5] Paul Virilio, ebenda

[6] "Die symbolische Gewalt ist eine Form der Gewalt, die gegen einen gesellschaftlichen Akteur mit dessen stillschweigender Komplizenschaft ausgeübt wird."
Pierre Bourdieu (und Loïc J. D. Wacquant), "Réponses", Paris (Seuil), 1992, S. 142

[7] Die „Originale Diagonale“, für die sich die österreichischen Filmschaffenden 2 Monate lang eingesetzt haben, wegen der Inakzeptanz des von BKA-Staatssekretär Morak erneuerten Reglements für das Festival des österreichischen Films, wird nicht zuletzt aufgrund dieses Gemeinderatsbeschlusses Anfang März 2004 in Graz stattfinden.
...




[Artikel/culturalis/25.11.2003]





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