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Michael Petrowitsch: 2003, the year Kontinuität broke.

Graz, im April 2004. Die Causa Estag zieht landespolitische Kreise, während beinahe zeitgleich wieder parteipolitisch Spitzenjobs in einer Grazer BaugmbH vergeben werden und die mediale Öffentlichkeit mit einer obskurer Neufassung der steiermärkischen Landeshymne massiert wird. Geht diskurstechnisch alles seinen gewohnten postfeudalen Gang? Nicht ganz.

Graz hat gerade sein Landeskulturhauptstadtjahr hinter sich gelassen und gleichzeitig auch die Bereitschaft mehr aus sich zu machen. „Nachhaltigkeit“ postulierte man keck im Vorfeld, vom „Ruck“ der durch die Landeshauptstadt gehen möge, war die Rede. Das will hinterher niemand gesagt haben. Dennoch: Ein doppelter historischer Bruch wurde vollzogen und paradoxerweise nimmt es die Öffentlichkeit noch nicht als solchen wahr. Ein Grund war die Angst der freien Szene, die Graz03-GmbH bleibt bestehen und killt mögliche Subventionen. Diese Angst wurde von Kulturstadtrat Christian Buchmann (ÖVP) geschickt ausgenützt und mit wirtschaftspsychologischem Schmäh instrumentalisiert.

Medienpartnerschaftliche Verpflichtungen (Der Standard, Kleine Zeitung, in welcher immer wieder der Fortbestand der 03Gesellschaft als Dach herbeigeschrieben wurde und letzte Rettungsversuche via ORF-Treffpunktkultur) gehören mittlerweile der Vergangenheit an, die 4. Gewalt hat sich nach dem Ausbleiben der Finanzen wieder dem Alltagsgeschäft gewidmet. Das Kulturjahr als Topos glänzt nach seinem kalendarischem Ablauf durch abwesende Abwesenheit. Sämtlicher Glanz ist verpufft, man wähnt sich geradezu in einem Möglichkeitsuniversum der versäumten Chancen. Bereits mit Jahresbeginn machte sich in der freien Kulturszene wieder jene Stimmung breit, die man vor 2003 kannte, man fühlt sich beinahe so, als ob allein der Begriff Kulturhauptstadt in einem virtuellen Parallelgraz vorzufinden war. Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), der Anfang 2003 das Amt von Alfred Stingl (SPÖ) übernahm, der wiederum zusammen mit dem Exkulturstadtrat Helmut Strobl (ÖVP) als Macher der Kulturhauptstadt galt, merkte an, dass man schon vor 5 Jahren hätte nachdenken sollen, wie es nach 2003 weitergehen soll. Im Sommer waren er und Neostadtrat Buchmann (ÖVP) vor ORF-Kameras noch frohen Mutes, dass die Miteinbeziehung der Kulturschaffenden in die Diskussion ausreicht, den Standortvorteil zu sichern. Zu dieser Zeit war Intendant Lorenz noch der Meinung, er würde, trotz wiederholtem Hinweis, er verschwände mit Jahresende wieder nach Wien, davon abgehalten zu gehen. Dies hat er getan mit allen Konsequenzen, im übrigen, ohne sich um das Fortkommen seiner ehemaligen engsten Mitarbeiter zu kümmern.
Mittlerweile passierte das, was zu befürchten war. Man installierte auf Stadtebene einen Kulturbeirat, bestehend aus 23 Personen, besetzt von den üblichen großen Playern, über einige Initiativenleute bis hin zum „kritischen Publikum“. Vorangegangen ist dem ganzen ein Riesendiskussionsforum, ein „open space“ im Herbst 2003, bei dem man sich ehrenamtlich engagieren und aufzeigen konnte. Freilich stand da schon fest, dass das Budget der freien Szene nicht mehr wird. Im Gegenteil: Das Ergebnis einer Evaluierung Grazer Initiativen wurde so umgesetzt, dass die Negativevaluierten aus der Förderung gekickt wurden, und Positivevaluierte nach wie vor nicht mit 3-jahresverträgen ausgestatte wurden. In weiterer Folge wurde zusätzlich ein Fachbeirätesystem eingesetzt, das sich sage und schreibe aus weiteren 32 Mitgliedern zusammensetzt. Das erinnert stark an spätchristliche Mythologie mit symbolischer Belohnung für Eifer und Bestrafung für Gier und Arroganz. Ganz so wurde auch bei der Auswahl der Beiräte verfahren, für deren Besetzung in überregionalen Zeitungen Annoncen geschaltet wurden. Dieser Wust an Gremien treibt momentan möglichst Breitenwirksam den Nichtentscheidungsprozeß voran. Gezielt wurde hier mit den handelsüblichen wirtschaftspsychologischen Kniffen jeder mögliche kritische Widerstand von vornherein ausgeschaltet, indem unter dem eleganten Mantel der Scheinfreiheit Pöstchen vergeben werden. Man befriedet und waltet macchiavellistisch, nicht verwunderlich, dass die IG als kritische Konstante trotz mündlicher Zusage nicht eingeladen wurde, eine Person in die Gremien zu entsenden. Die realpolitische Realität sieht freilich weit trister aus.
Eine politische Pattsituation auf Grazer Ebene in punkto Kulturgesellschaftsinstallierung lähmt die Weiterentwicklung und Entscheidungsfreudigkeit zusätzlich. Schon im laufenden Kulturjahr wurde verlautbart, dass die 03Gesellschaft im Frühjahr 2004 aufgelöst werde. Zeitgleich arbeitete man auf Landesebene am Konzept einer „Gegengesellschaft“. Ein Grazer Wirtschaftsprüfungsunternehmen wurde beauftragt sich mit der Ist-Situation des Steirischen Kulturbetriebes auseinanderzusetzen – eine Studie sollte die neue Kulturholding legitimieren. In einem vorerst als Geheimpapier kursierenden Basiskonzept hieß es u.a.: „Ab 2004 sind sowohl die Stadt Graz, sowie das Land Steiermark als auch die Kulturträger mit der Situation konfrontiert, dass einerseits die Hoteliers und Zimmervermieter mit einem weiterhin hohen Niveau der touristischen Nachfrage rechnen, es aber andererseits keine Sonderbudgets wie im Jahr 2003 gibt. Die knapper werdenden Mittel werden dringend zum Betrieb der neuen Einrichtungen (Kunsthaus, Literaturhaus, Listhalle) benötigt“. Noch eindringlicher wurde es bei einer Stärken/Schwächen-Analyse einiger Häuser, wobei kurzerhand recht salopp das Literaturhaus und das Forum Stadtpark zu einem Label verschweißt wurden: “Stärken: neu adaptiertes Gebäude. Schwächen: Kultureller Zugang für überregionale Gäste und Besucher schwer erkennbar“. Kultur in Zeiten ihrer ökonomischen Plausibilität.
Die neue Kulturservicegesellschaft jedenfalls nahm im März 2004 als One-man-show ihren Betrieb auf. Auf Stadtebene fordert die Sozialdemokratische Fraktion naturgemäß weiterhin den Erhalt der 03Gesellschaft, um ganz manierlich einen politischen Gegenpol zu konstatieren. Die Bedeutung der Nachhaltigkeit und des Know-hows der Graz03 Macher wird dabei zur Nebensächlichkeit degradiert, und proporzianische Verhältnisse sind wieder hergestellt. Gerade im Hinblick auf das aufgewandte Kapital, die Humanressourcen und die internationalen Kanäle, die gelegt wurden, wäre ein kategorischer Nichtmiteinbezug eine Katastrophe und eine Peinlichkeit. Die Vorgangsweise erinnert an jene anderer Kulturhauptstädte. Parallel dazu läuft das Grazer Programm „Haushaltskonsolidierung“, die Stimmung auf Beamtenebene ist denkbar schlecht. Umso dringlicher wären klare Entscheidungen vonnöten: so ist das Kulturstättenentwicklungskonzept, ein Dreh- und Angelpunkt der weiteren Vorgangsweise, eine Entscheidung worauf die freie Szene seit Jahren wartet, um ein Beispiel zu nennen. Ein anderes ist die Umsetzung der Forderung nach speziellen Fördertöpfen für die freie Szene aus Wirtschaft und Tourismus: Die momentane Stadtratsposition vereint alle notwendigen Agenden, die Ausgangsbasis wäre wie geschaffen dafür.
Die radikalen Klassifizierungsmaßnahmen für Beamte auf Stadtebene, die permanenten Umkrempelungen für Beamte in der Landeskulturabteilung auf allen Ebenen, die Entpolitisierung der steiermärkischen Kulturpolitik, die folgenschwer zu sozialpartnerschaftlichen Stillstand führt, der radikale Generationswechsel in der ersten Liga der Stadtpolitik, die Arbeitslosigkeit des 03Gesellschaftsmittel- und unterbaus, für die sich naturgemäß niemand verantwortlich fühlt, ein Beirätesystem, das den Kulturbetrieb zu einem lahmenden, unbeweglichen Moloch umformt und schlussendlich die Propagierung von Veranstaltungen in den neuen großen Häusern, die dem Adornoschen Begriff des Funstahlbades eher nachkommen, denn als kulturpolitische Zeichensetzungen dienen. Dies macht die Ikonographie eine Stadt aus, die auf dem besten Wege ist, sich noch einigen Jahre über das Autocluster zu definieren, um schlussendlich als Autobahnraststätte zwischen München und Beograd zu enden.

Die freie Szene hat sich Vorteile erhofft und sich momentan zum Großteil mit dem System arrangiert. Bei Diskussionsveranstaltungen mit Stadt- und Landpolitikern sind kritische Stimmen kaum vorhanden, man will ja um die 2.130,- Euro Jahresförderung nicht auch noch umfallen. Kann man ihnen aber gar nicht zum Vorwurf machen, die großen Player funktionieren ebenso. Es gibt keine kritische Position bei der Führung der großen Häuser, die das eigene Universum verlässt und im Kollektiv denkt. Nachhaltigkeit Nummer Eins: Eine Agenturgründung der Marketingbeauftragten von Graz03, die die aufgelegten Kanäle und Kontakte für ihr berufliches Fortkommen nützen werden. Nachhaltigkeit Nummer Zwei: Finanzstadtrat Riedler (SPÖ) wertet den Erhalt des Urturmschattens des Künstlers Markus Wilfling als Teil des Nachhaltigkeitskonzeptes. Die Konstruktion wurde abgebaut, um an der Südgrenze der Stadt auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums zum Gaudium der Kaufkräftigen neu errichtet zu werden....




[Artikel/culturalis/28.05.2004]





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    05.04.2005 To be or not to be kommerziell?

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    06.05.2004 arten von DIENSTVERHÄLTNISSEN

    21.04.2004 Neues Vereinsgesetz 2002: Anpassung der Vereinsstatuten bis 2006 notwendig

    06.04.2004 KünstlerInnensozialversicherung

    28.02.2004 Anita Hofer: Was vom Kulturhauptstadtjahr übrig blieb

    09.02.2004 Manfred M. Lang: 2003 - verschwunden und/oder gedeckelt

    03.02.2004 Christian Joachim Gruber: Kulturmark

    18.12.2003 Gabi Gerbasits: Morak constrictor. Tödliche Umarmung als Kulturpolitik

    25.11.2003 Anita Hofer: 2003 - Die Steiermark ist ab sofort kein Einsatzgebiet mehr.

    14.04.2003 Graz 3002: Alles wird gut!

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