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Neue Heimat

Am Entenplatz sind keine Enten zu sehen. Dafür hat das Hochwasser andere Vögel angeschwemmt. Das Dainadoo - Heimat - als Neue Heimat zu bezeichnen ist weither geholt. Das tamilische Speiselokal hat sich zu einem internationalen Cocktail gemausert, das hochkarätige internationale Kleinkunstprogramm reicht über Konzerte, Vernissagen bis zu kabarettistischen Aufführungen. Ein verlorenes Boot an einem unbekannten Strand ziert zwar die Wand; doch sucht man hier vergeblich nach den boat people, die gerade über die verschiedensten Kulturverteiler abgehandelt werden. Ein internationales Theaterfestival unter Patronanz des Schauspielhauses unter diesem Titel, sowie die Bootsarmada die von Next Ändrä ins Stadtmuseum übersiedeln wird. Flüchtlingsboote wandern bis auf das exemplarisch eine, dass gekentert und aufgrund seiner Seriennummer in den Senegal rückverfolgt werden kann. Sunu Gal war diesen Jänner in der Forum agitDoc-Leiste und lässt ein gestrandetes Boot erzählen, während zur selben Zeit die Medienflut um den Luxuskreuzer "Costa Concordia" die Untergangsprotokolle beherrscht. Stattdessen herrscht über nächtliche Frontexeinsätze vor den griechischen Inseln das Schweigen der Überfahrenen; ein zynisches Schweigen der sog. Abgeschossenen, die Europa nicht mehr wird abschieben müssen. Auch nicht Newton, der gerade wenige Wochen nach seiner Legitimierung freiwillig in seine alte Heimat Nigeria flog, um seine Kinder zu sehen. Newton weiß jedoch nichts von den Gefängnissen auf Lesbos, wo minderjährige Flüchtlinge in Scharen vegetieren ... Boat People haben augrund der katastrophalen Mehrdimensionalität ihre grenzgängerischen Abschreckungen ein einer unsichtbaren Mauer zementiert, während die Mutigen mit scharfer Munition oder mit sog "Overdrives" samt ganzen Bootbesatzungen von fadenscheinigen Frontexeinsätzen vernichtet werden. Wer mit oder ohne seine Beweismittel überlebt, hat wieder nur über ein gesondertes Beweisverfahren Chancen hier im Land zu bleiben. Das Thema strandet von mehren Seiten, wie Erwin Wagenhofers erster Spielfilm "Black, Brown, White", der am 27. Jänner im Rahmen der ökumenischen Veranstaltungsreihe "Hart an der Grenze" gezeigt wird und uns die Fluchtpunkte näher bringt. Cross hat sich via Net aus Nigeria Mitte gemeldet, wohin er abgeschoben wurde. Die diesjährigen weihnachtlichen Progrome an Christen dort sind Bestätigung genug für eine unnachvollziehbare Asyl- und Abschiebe -Praxis. Cross als Dichter wird seine Geschichte der Nachwelt übermitteln, während Newton die Sorger-Filiale in der Sporgasse bereichert. "We feed the world", der erfolgreichste österreichische Dokumentarfilm war die logische Antwort auf Alfreds Kolleritischs Lustspiel "Die geretteten Köche", wo der junge Erwin Wagenhofer im steirischen herbst 1998 noch als Cutter mitwirkte. Doch ist Heimat, Neue Heimat, zwischenzeitig kein Lustspiel mehr. Der Koch Herr "Sri" am Entenplatz steht mit Diamond um die vier Herdplatten des Dainadoo und verköstigt die neue Heimat zu Vollmond, wenn die Boote silbern am Horizont auftauchen und die Fluchtschneisen klar erkennbar sind, am liebsten umsonst. Und eine Möwe fliegt die unaufgestaute Mur fast unsichtbar aufwärts.

Text: Norbert Prettenthaler
Bild: Screenshot von der Webpage des FIlmes Sunu Gal
http://www.kunstleistungsbetrieb.net/sunugal/

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[Kolumne/n.nagy/23.01.2012]