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Free China
Santos sah mich mit traurigen Augen an, während er über den beinahe Zusammenbruch von 2 portugisischen Banken erzählte. Banco Espirito Santo (BES) und Banif müssten trotz EU-Aufsicht nun von den Steuerzahlern aufgefangen werden. Und niemand würde zur Verantwortung gezogen werden. Santos war wütend über soviel Ungerechtigkeit. Ich höre mich über Island erzählen, wo die 26 Banker zu insgesamt 74 Jahre Haft verurteilt wurden. Ich saß Mario Jose Santos Soares im Atelier X gegenüber und wir recherchierten gerade über die portugisische Ex-Kollonie Macao. Diese 40 Kilometer südlich von Honkong gelegene Kolonie war einer der wichtigsten kolonialen Außenposten im Handel mit einem abgeschoteten Japan, dem später nuklear zerbombten Hafen Nagsasaki. “Macao” würde Gott heißen, beteuerte Santos, außerdem habe Macao nie kriegerische Auseinandersetzungen gehabt; vielmehr war Macao dafür bekannt, daß es immer wieder gewaltige Flüchtlingsströme bewältigte. Das portugiesische Macao öffnete seine Grenzen als die japanische Invasionsarmee die britischen Stellungen in Honkong überrannte; Macao war es dann auch, das sich den vietnamesischen und burmesischen Boat-People öffnete.
Dabei entstand ein Vielvölkerstadtstaat, in dem jeder 8. Bürger aus einer Fluchtbewegung stammte. “Wie machen das die Chinesen?” ist der Aufruf des steirischen herbst 2016, mit einem Blick auf China, das aus seiner asiatischen Mitte längst aufgebrochen, sich ebenso gefrässig kolonial über den Erdball zeitverzögert hermacht, wie einst die europäischen kolonialen Imperialisten.
Seit die Portugiesen 1999 Macao an China übergeben hatten, wurde aus der ehemaligen Handelskolonie die größte Spielhöllen- und Casinolandschaft der Welt, eine mafios-durchsetzte Glamourlandschaft, die Las Vegas in den Schatten stellt und die größenwahnsinnig Venedig kopierte. So gestaltete sich Macao zum flächenmäßig größten Spielfeld der Welt, während die liberale Flüchtlingspolitik der Portugisen unters Kapital und in Vergessenheit geriet. Glücksspiel ist eng mit einem Finanzfeld verbunden, daß jährlich Millionen abhängiger Gambler, Zocker und Spekulanten ins Verderben reißt. “Wie schaffen das die Chinesen?,” fragt sich der steirische herbst und war noch vor Jahresende 2015 gezwungen diese Fragestellung einer Eröffnung eines weiteren neuen Spielfeldes anzupassen. Nämlich als unweit des Casino Monde im kleinen Grenzort Spielfeld an der slowenisch-steirischen Grenze 1000e Flüchtlinge gestandet waren. Damit wurde das Spielfeld herbst erweitert und die deutsche Kanzlerin Angela Merkl mit ihrem “Schaffen” neben das chinesische “Machen” gestellt. “Wir schaffen das!,” steht jetzt unmittelbar dem “Wie machen das die Chinesen?” gegenüber. Die Antwort könnte in der Vergangenheit begraben liegen, in einer in Macao friedfertigen Kollonialpolitik der Portugisen, die sich historisch betrachtet dem chinesischen Drachen entgegen stellt. Ob Blixa Bargeld noch im smogverpesteten Peking weilt, spielt dabei mehr oder weniger Rolle, als Ai Weiweis Reise nach Lesbos um auf der griechischen Fluchtinsel ein Flüchtlingsmahnmal zu errichten. Grenzwertig wird dabei auf Einzelschicksale fast völlig vergessen, Menschen, die unter die turbo-kapitalistischen Flügel, welcher eisernen Drachenflügel auch immer geraten. Der chinesische erweist sich als äußerst größenbesessen, wie es bei der letzten Biennale in Venedig im Arsenal deutlich auszumachen war.
Santos sieht mich an. schielt dabei in Richtung herbst und in die unweit gelegenen gotischen Hallen in Graz, die sich nun im Rahmen einer Bewerbung für einen “Raum für neue Kunst” über die grüne Kulturstadträtin Lisa Rücker dem KuratorInnenprinzip entzieht und ein Kollektiv zwischen KünstlerInnen und geistigen-künstlerischen MentorInnen einführt. Der Mentor als Künstler oder Kunstexperte macht sich dabei wenigstens finanziell von niemaden abhängig und wird sich seine Fürsprache eben leisten können müssen. Man darf gespannt sein, wie sich das Spielfeld um die gotischen Hallen dem herst016 annähert. Die Karavelle mit Santos und seinem verkreuzten X auf den Segeln läuft eben aus, während ich mich an den Film und die Bewegung “Free China” erinnere, die mir deutlicher noch Fluchtgrundfelder vor Augen führt. Ein China, daß uns hier untersichtig blaß vereinnahmt hält, wobei die kaufrauschenden Augen des Justizwachebeamten weltfremd sich vor einem Chinatown oder Soho-Graz-Gries ängstigen. Bezahlen uns das die Chinesen? Und wer schafft wem an?
Bildrechte: (CC) BY-NC: Three giants and Lupu bridge over the sea of fog von leniners ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz....
[Kolumne/n.nagy/09.02.2016]
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