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Sound the beast
Vor 20 Jahren habe ich mit “Cordoba” den Carl Mayer Drehbuchpreis gewonnen. “Deutschland geschlagen”, brüllte da der Radiokommentator Edi Finger in einer Radiosequenz sich die österreichische Seele aus dem Leib. So, als ob Deutschland zu schlagen wäre oder geschlagen werden müßte. Es gibt natürlich historische Blitzaktionen, wie jene des legendären Graf Hadik, aber seit DÖF (Deutsch-Österreichische-Freundschaft) befindet sich alles auf Kuschelkurs. Im angesicht der Flüchtlingsströme, Schleußen- und Quotenregelungen tauchen plötzlich völlig andere Fragestellungen von Miteinander auf. In Wehrigelmentalität wurde letzten Herbst in saftigsten steirisch ja sofort, “Wir schaffen das nicht,” propagiert, während Deutschland noch die Möglichkeitsform des “Schaffens” über die Ländermentalitäten stellt und ein völlig anderes Wir-Gefühl nach Aussen vermittelt.
Während wir hier in Folgerichtigkeit der Einstellung, es gar nicht schaffen zu wollen oder können, so mein Eindruck, wird woanders mit zivilen Lösungen geworben. Landeshauptmann Schützenhöfer, schon sein Name zeugt von militärischen Einschlag, hat unverzüglich den militärischen Grenzschutz verlangt und dabei den Scharfmachern der FPÖ und seiner eigenen Partei die militärische Agenda zugespielt. Nun spielt man Herkules, Polizei und Armee mit ihren Geheimdiensten sind über den Verteidigungsminister näher zusammen gerückt, um den Herrn der Lage eine neue Lage zu vermitteln. Zuviele “kluge Diskussionen” hat es dabei im Vorfeld um eine militärische Suppenküche in Spielfeld gegeben. Nun haben wir die Nachspeise.
Als Jugendlicher hatte ich am FKK-Teich Schwarzl die Schule geschwänzt. Als junger Wehrmann durfte ich dann die wenigen Meter hinter dem Stacheldrahtzaun Wache schieben. Allein die Nähe zwischen dem militärischen Flughafen und der Schwarzlhalle und der unlängst getätigten Aussage des Betreibers der Schwarzl-Flüchtlingshalle “Wir widmen uns wieder voll der Badesaison”, läßt so manchen Blinden aufhorchen. Schwarzl wird ja mittlerweile von Flüchtlingen selbst ängstlich als Abschiebelager tituliert; die Asylverfahren der “Insassen” sind dort ausgesetzt; ein ungarischer Wachdienst hat die Securitydienste übernommen. Und bis April soll die Halle sich wieder ihrem ursprünglichen Eventcharakter widmen dürfen; ein Geschäft wars und wirds auf allemal, wenn auch nur saisonell. Einige flüchten nun von dort weiter, nachdem sie einen Asylantrag stellen wollten, ohne zu wissen wie oder wohin? Auch hier ist den Schleppern wieder ein Tor geöffnet worden, und die mafiosen Milliardengeschäfte um die Schlepperei wird nach Aussage einer Expertenkommission in Den Haag weiter zunehmen. Ehrenamtliche MitarbeiterInnen wurden dabei sukzessive aus dem Nahfeld entfernt, manche scheinen zu “kritisch”. Hausverbote wurden ausgesprochen. Eine systemische Loyalität ist auf der einen Seite gefragt, während der Grazer Bürgermeister gleichzeitig von Mut gegenüber der Kulturpolitik spricht und ihre Neudefinierung einfordert.
Als Kulturschaffender frage ich mich warum kein heimischer Künstler in der Schottergrube Schwarzl liegt, oder wohin unser Mut sich wohin definiert? Gleichzeitig finde ich, das Kontingentzuweisungen in Hallen, Eventhallen oder Konkurshallen unzeitgemäß sind, während ganze Kloster- und Spekulationslandschaften in ihrer Leere glänzen. Warum das statistische unterversorgte Andritz dann solch eine Hatz gegenüber Flüchtlingen auspielt, ist mir schleierhaft. Offensichtlich reiben sich Kultur und Unkultur härter, was mit unseren eigenen Umgangsformen zu tun hat. Menschen werden wie Vieh in Absperrgittern gehalten und durch diese im Zick-zack gebrochen getrieben. Zäune und Grenzen werden jetzt frontexgerecht hochgezogen, alles um ein Sicherheitsbedürfnis aufrecht zu erhalten. Man spielt wieder Krieg, keinen kalten Krieg der Blöcke, keinen schleichenden Krieg, eher einen Kopfkrieg, der ganz bewußt geschürt wird, um seine Rechtfertigung und seine Rechten zu erhalten – ein gefährliches Spiel. Daraus entsteht das wechselwirksame Kalt-Warm um Vergabe und Grenzziehungen. Österreich spielt dabei eine eigensinnige Rolle, will zahlenmäßge Tatsachen schaffen. Es geht selbstverständlich um Sicherheit und man darf die Augen auch nicht vor einer zunehmenden Radikalisierung verschließen, dort wo ethische Grundwerte unterwandert werden – wie umgekehrt. Dort, wo Flüchtlinge von unbeleuchteten Pkws von hinten ohne Licht niedergefahren werden, schwer verletzt notoperiert werden müssen, dort steht der möderische Verdacht im Raum, dass der bewußte Vorsatz des Tötens hierzulande unweit der Schwarzlhalle nur schwer zu ertragen ist und nach Aufklärung schreit. Das ist unsere Geschichte, hier südlich von Graz: sie klingt gerade mehr als bedenklich, während die Weltgeschichte bedenklicher noch über die Zeit hereinzubrechen droht, während wir hier schützenigelgerecht Stachel aufstellen, so als ob es ums nackte Überleben gehen würde. Die Kunst des Überlebens schafft eigene Vorausetzungen des Miteinanders im gesellschaftlichen Sinn, der uns nicht zurück in ein Täterprofil schiebt, zwingt oder rekrutiert. Als Cross-over-Kulturschaffender ist man geradezu um Äußerung gefordert, als Künstler bemüht, sich nicht zu verlieren. Eine Kunstform, Musik oder Klangskulptur wird der Bestie schließlich überlebensgerecht den Riegel vorschieben. Constantin Lusers ägyptisches Trommeliglu, seine Akkordeoninstaltion, sein Harfenbaum geben der kreativen Hoffnung, Rahmen und Mut genug, dass der Sieg über die Bestie – im apokalyptischen Sinn – gerade jetzt über das Klangbild von spielerischer Natur in den Frühling hinein geführt wird.
Wieder liegt es an der Musik, die See zu glätten, die stürmischen Wogen zu bändigen und den Boden für neue Kreationen zu erwecken. Bei soviel Klangmusterlandschaften hat die Bestie bereits reißaus genommen. Und aus dem Mundstück der Trompete murmelt es: “Ach wären wir ein Orchester, wie könnten wir klingen, ohne permanent Sieg-gerecht “ I werd narrisch” oder “Ich bin das Volk” zu schreien.”
Bildrechte: Herbert Simon / Kultur in Graz (cc by-sa-nc)
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[Kolumne/n.nagy/26.02.2016]
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13.07.2015 Der Fremde
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