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Kindermusiker oder der Bürgermeister, der Pfarrer und die Diva
Unangenehm ist es den hier Sitzenden, die ich mir zu Gemüte führe, am Franziskanerplatz, wo ich gerade auch sitze mit einem Filmemacher gemeinsam, der einen Dokumentarfilm plant, über - fast hätte ich aus der noch wärmenden Umgebung des Gastgartens "Proseccoperlentaucher" geschrieben, oder "Von Menschen, welche sich die Zechprellerei abewöhnt, gleichzeitig ihr Gehör verloren haben," -aber nein, der Kollege plant einen Film über - fast hätte ich "Harmonikakinder" gerufen, angesichtig dessen was geschehen. Wie ich schon sagte, sassen wir beide Filmemacher am Franziskanerplatz, das Armutsgelübte des heiligen Franz im Augenwinkel und diskutierten emsig einen Dokumtentarfilm über steirische Harmonikalegenden, als eine wundersam sparsame Melodie das geschwätzige Herum und das Prosit ... unterbrach. Ein Mädchen mit haselnussbraunen Augen war vor den ersten Tisch getreten, wo gerade der Lockenwicklerradius untermalt von Katzenhaarallergien innerhalb einer dreieinigen Damenrunde die Regie anführte. Peppone hätte das nicht verdient, dachte ich bei mir. Das Mädchen - später sollten wir erfahren, dass das Romamädchen aus Rumänien herüberstammte - erschien sonnengebräunt natürlich gegenüber mancherlei schlecht getönter melanomverdächtiger Fälschung, welche die Köpfe zusammensteckten, angesichtig jener Bitte um ihr wertes Geld.
"Öha!" Der Schrei jagte in der Form des mehr als bösen Blickes, wie der alte Zigeuner zusagen pflegte durch den Schanigarten oder, wie seine noch ältere Zigeunermutter raunte: "Sie werfen mit glühenden Kohlen nach dem Kinde," welches da mit seiner steirisch grünen Harmonie noch immer vor der Blonden stand und Ihr den Becher anstatt dem Glas an die Lippen führte - die grosse Stille.
Wie aus dem Nichts entgleiste urplötzlich die auch den Damen bekannte und bewährte Stimme des Altpaters Don Camillo. Sie kam vom Kirchturm herüber und wetterte: "Wollen Sie vielleicht ein paar dieser saueren 10Cent-Stücke verkosten Genädigste." Don Camillo hatte vom Glockenturm her dem Szenario seinen Segen aufgezwungen, stellte Sofia Loren von ihrem Fensterplatz im ersten Stock lächelnd fest. Die "gute Soferl", die Sofia brachte das Gesicht der Blonden zur starren Komposition, dann flüstert die Diva: "In der Geldtasche, aus der Handtasche, in der Tragtasche; macht 1, 2, 3, 4, 5 Euro durch - sie zählt die Frauen ab - 1, 2, 3 und liess die Münzen lächelnd klingen, worauf das Mädchen zum Nebentisch weiterzog. Dort waren gerade die Tennisniederlagen am Morgen nach der Samstagnacht im Gespräch, um die Lippen der noch gestandene weisse Schaum. Da hockte sich Peppone neben die "zu Beckham tupierten Herren" mit den Worten, "Solidarität Genossenschafter der Freizeitigkeit, im Namen des Väterchen: "Der Armut eins auszuwischen", eines 5-Jahresplanes einer musikalischen Ausbildung will ich meinen, dass eine umfassende Spendenaktion den Grundstein legen könnte." "Das Kind braucht neue Strümpfe," ruft die Loren dazwischen, den Arm schützend um die Kleine gelegt. "Wir Künsler sind doch allesamt Zigeuner auf den Strassen der Welt." "Solidarität!", ruft nun auch Don Camillo vom Kirchturm der Franziskaner herüber, und er schleuderte - das war ein Anfang - eine Handvoll Münzen in die Luft, was die beiden "Hähne" im Geldregen zusammenzucken liess. Wir beiden Filmemacher schauten uns an, als der Film seine Farben verlor, sich aus den Kadern übel riechende Blasen bildeten und ein düsterer Qualm unsere drei vielbenutzten Darsteller vertrieb. Dafür spielte der beissende Rauch einen Kellner frei, der nun auf das musizierende Kind - es war an unserem Tisch angekommen - mit Gebrüll auf die Kleine losstürmte. "Los, los. Verschwinden. Abhauen Du. Du nix hier betteln herum da Du. Ich Dir werden zeigen, wenn Du wiedergekommen. Das nix Musik!!" Wie er das Wort MUSIK aussprach, jagte mir einen abgelassenen Schmerz durch die Ohrmuschel und ich sah meinen Kollegen hilfesuchend an, wie er mich, die wir eben beschlossen hatten unser "Trinkgeld" dem Musikantenkind zu geben, anstatt dem schlecht gearbeiteten Schlagbolzen. Nix MUSIK, hallte es bis hinüber bis zur Neuen Weltgasse, wo von Süden her sich eine Frau näherte, die der Loren noch einiges vorneaus hatte. Sie trug ein feuerrotes Kleid und kam mit ihrem Anhang von 20 Kindern direkt auf uns zu. "Madonna," hörte ich jemanden ausrufen. Das Mädchen summste aufgeregt, "Sie ist es. Sie ist es." "Wer?" fragte mein Kollege. Ich zuckte die Achseln. "Das ist die Ezma Redzepova. Die Königin der Zigeuner," sang das Mädchen. Der Kellner zitterte. Dann hob sie ihre Stimme zum Gesang und die Kinder um sie begannen zu musizieren. "Sie wird Mutter Theresa von Musikkinder genannt," sagte die Kleine. Ihr Deutsch klang weit musikalischer als das, des Kellners. Der Gesang breitete sich, wie die Kunde um das spontane gratis Benefiz Konzert der Diva über die Dächer der Altstadt aus, was wiederum anderen Musikern auf die Beine verhalf. "Das ist erst der Anfang," sagte eine Lehrerin des Konservatoriums zum Kellner, "irgendwann werden die Tauben Musik hören, während sie den Trauben versuchen den Wein zu rauben." Wir beide Filmemacher sprangen auf, nicht ohne die Rechnung zu begeleichen, um ein Tänzchen zu wagen. (n. nagy)
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[Kolumne/n.nagy/09.06.2004]
Kolumne/n.nagy
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05.10.2017 Who can it be NOW?
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17.05.2017 Salz im Tanz
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13.07.2015 Der Fremde
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29.04.2014 Damals - Zeiten der Unruhe
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