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Die üblichen Verdächtigen

Stadtmenschen. Bunt ist ihre Lieblingsfarbe, der öffentliche Raum ihr (zweites) Zuhause. Über gesellschaftliche Schicklichkeiten und die Verdrängung vom Hauptplatz.

Bloße Unbefangenheit oder doch Provokation? Die schiefen Blicke der Passanten kümmern sie schon lange nicht mehr. Die meisten huschen schnell an ihnen vorbei, pure Empörung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Manche schrecken zur Seite und schütteln den Kopf. Wieder andere bleiben stehen, den Mund etwas geöffnet, ein großes Fragezeichen auf der Stirn. „Würden wir darauf reagieren, müssten wir uns mehrmals täglich dafür rechtfertigen wer wir sind“, sagt der 37-jährige Mike. Mike ist einer der so genannten „Hauptplatz-Punks“, die zentrale Plätze der Stadt auf eine Art nutzen, als wären sie ihr Zuhause. Von vielen Seiten als Sozialschmarotzer und Störenfriede angesehen reicht ihnen das Adjektiv „bunt“ völlig aus. Und dazu stehen sie auch.

Das schickt sich nicht.
„Durch ihr Verhalten haben Sie den öffentlichen Anstand verletzt, was mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht“, so lautet ein Auszug der Strafanzeige, die Mike vor ein paar Monaten 200 Euro gekostet hat. Herumlungern, Herumliegen, exzessiver Alkoholkonsum, ein Lager aus Kleidungsstücken bauen, ein paar Cent schnorren oder einfach nur anwesend sein – die Liste der „Straftaten“ ist lang, diese und ähnliche Anschuldigungen jedem bunten Grazer bekannt. Die Bereitschaft dafür gerade zu stehen existiert aber nicht in jedem Fall, zumal sich viele von ihnen von verschiedenen Seiten ungerecht behandelt fühlen. „Schau her, wir wollen doch niemandem schaden. Genauso wie die Politiker, die Passanten und Bewohner der Stadt wollen wir unsere Ruh’ haben. Wenn wir wirklich Scheiße bauen, ist das was anderes“, erklärt Mike bevor er sich seinen Kameraden zuwendet.
Was man dann zu sehen bekommt ist nicht das, was man zuvor vielleicht erwartet hat: ein unschuldiges Bild. Eine Gruppe von Menschen unterschiedlichen Alters, Randständige der Gesellschaft, die einfach zu viel Zeit und zu wenig Geld haben. Inmitten von ein paar Bierdosen, Zigarettenkippen und Hunden wird geplaudert und getrunken. Belanglose Gespräche, keine Spur von destruktivem Verhalten. Zwischendurch wird’s ein bisschen laut, doch das legt sich wieder sobald die bekannten Stadtpolizisten ihre fünfte Runde an diesem Tag drehen. Ein Szene, die aus früheren Zeiten noch vom Erzherzog-Johann-Brunnen am Hauptplatz bekannt ist und sich nun an der Hauswand vom Billa-Supermarkt in der Albrechtgasse abspielt. Dass es dabei um ein gemeinschaftliches Miteinander geht begreift man erst auf den zweiten Blick.

Problem:Verlagerung.
„Früher haben wir das Stadtbild geprägt, im positiven Sinn mein ich, wie das Bunt-Sein halt noch anders war. Da gab’s noch mehr Gemeinschaft. Heute haben die meisten von uns Panik davor hier zu sein“, erzählt Mike mit einer Bierdose in der rechten und ein paar alten Fotos in der linken Hand. Seit dem Alkoholverbotgesetz am Grazer Hauptplatz, das Oktober 2007 in Kraft getreten ist, sind die Bunten immer mehr auf andere zentrale Orte ausgewichen. Viele von ihnen haben sich ganz zurückgezogen, ein paar wenige leben noch im Punk-Haus in der Kärntnerstraße 1, das ihnen das Sozialamt 2005 zu Verfügung gestellt hat. Wieder andere verbringen ihre Nachmittage im Stadtpark oder am Hauptbahnhof, nur der harte Kern bleibt nach wie vor in direkter Nähe zum Hauptplatz. Von trockenen Zeiten kann trotz allem nicht die Rede sein. Was vielmehr entstand sind unsichtbare Grenzen, die den Außenseitern sagen wo sie sich aufhalten und weiterhin gemütlich ihr Bier trinken dürfen. Eine dieser Grenzen erstreckt sich in Form einer länglichen Bodenmarkierung vom Rathaus bis zur Ecke des Billa-Supermarkts. Gleich dahinter befinden sich Treffpunkt und urbanes Wohnzimmer von Mike und seinen Freunden. Was dort passiert hat mit dem Alkoholverbot nichts mehr zu tun und ist demnach Sache der städtischen Polizei. Die Kontrollen am Hauptplatz hingegen erfolgen durch Beamte der Ordnungswache. „Dabei werden aber nicht nur ganz spezielle Gruppen kontrolliert. Wir haben keinerlei rassistische Hintergedanken - auch der höchste Bürger kann verwarnt werden“, betont Ing. Andreas Köhler, Leiter der städtischen Ordnungswache. Mike denkt da anders: „Manchmal reicht es schon ein bekanntes Gesicht zu haben. Es sind immer die bösen Punks“.
Vor allem die Bunten sehen das Alkoholverbot als Druckmittel gegen sie selbst. Schon 2004 gab Bürgermeister Nagl mit dem Aufstellen der Lorbeerbäumchen um den Hauptplatz-Brunnen deutlich zu verstehen: Die müssen hier weg. Damit hat sich die Stadt von den „Sorgenkindern“ wegbewegt. Nicht zuletzt deswegen, weil auch diese sich größtenteils wegbewegt haben. Eine sinnvolle Lösung?

Akzeptanz als Devise.
„Erwachsene als Kinder verkleidet“ nennt Sozialarbeiter Johannes Eder vom Verein ‚ERfA – Erfahrung für alle’ die Bunten am Hauptplatz. Der Verein als Beschäftigungsprojekt gibt SozialhilfeempfängerInnen die Chance, sich neben ihrem geringen Lebensunterhalt etwas dazuzuverdienen. Neben Sozialarbeit und Wohnversorgung wird den Betroffenen über die Vermittlung von Gelegenheitsjobs gegen Barbezahlung geholfen. Unter den vielen ArbeitnehmerInnen befinden sich einige der alteingesessenen Hauptplatz-Punks - die Mitglieder des Vereins haben demnach eine direkte Verbindung zu dieser Gruppe. Johannes Eder hält nicht viel von der Problemverlagerung: „Diese Menschen definieren sich auch über Arbeit, da muss mehr getan werden. Zudem denke ich, dass eine Mischung aus Sozialarbeit und Ordnungswache die beste Lösung für die herrschenden Zustände wäre“. Auch Otmar Pfeifer, Projektleiter von ERfA stimmt dem zu. „Wie auch bei der Brunnensperre versucht die Politik nun seit Oktober 2007 die Punks zu vertreiben. Das hat keinen Sinn. Wir müssen akzeptieren, dass diese Menschen zu Graz und nicht zuletzt zur menschlichen Gesellschaft gehören. Die Welt ist nicht schwarz und auch nicht weiß“, so Pfeifer.

Punk ist tot!
Dass die Punk-spezifische Nutzung von Hauptplatz und Umgebung bei manchen Menschen ein Gefühl der Provokation auslöst liegt auf der Hand. Vor allem ältere Menschen und umliegende Geschäfte fühlen sich durch das Verhalten der gesellschaftlichen Randgruppe deutlich gestört. „Diese Leute sind absolut geschäftsschädigend. Die machen ja nur Probleme!“, regt sich die Verkäuferin eines kleinen Ladens auf, als sie durch das Fenster eine Gruppe von Bunten beobachtet. Doch warum sind sie nach all den Anschuldigungen und Konflikten immer noch hier? „Natürlich wird man irgendwann müde von dem Ganzen. Das, was wir hier machen hat mit der eigentlichen Punk-Ideologie schon lange nix mehr zu tun. Mir selbst ist’s schon viel zu abgesandelt und wenn man die kleinen Kinder anschaut, die am Vormittag in der Schule sitzen und am Nachmittag Punk spielen, sieht man eh, was draus geworden ist“, sagt Mike. Und vielleicht ist es bloß die Gewohnheit, die die Bunten nicht nur am Hauptplatz, sondern auch in anderen Aspekten festhält. Dass sie jene Plätze der Innenstadt nutzen, die durchaus nett zum Verweilen sind, kann man ihnen jedenfalls nicht verdenken....




[Kolumne/n.nagy/05.03.2008]





    Kolumne/n.nagy


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    10.11.2004 Mr. President

    05.10.2004 Zeit der Zigeuner Teil II

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    24.06.2004 Wie du sagen „Kassa"

    09.06.2004 Kindermusiker oder der Bürgermeister, der Pfarrer und die Diva

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