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Pubculture
Menschen zu quälen ist wahrlich keine Kunst. Menschen anzuklagen ebenso. Menschen zu beurteilen trägt die Gefahr in sich, vorschnell in einem Wertekodex sein Urteil zu finden, zu richten, ohne die Unschuldsvermutung zuzulassen. Schuld oder Schuldigkeit werden über Kunstfertigkeit und Kunstfähigkeit erhoben, wie die Einsicht, daß Kunst gerade über verschiedenste Ebenen abläuft, Segmente an Raumzeitmodellen, die sich zueinander – hoffentlich - auflösen. Ob der erweiterte Kunstanspruch sich über Werte- oder Bewertungskodizes definiert, oder ob eine Trademark oder ein (c) - Name ausreicht, um über den Markt die “wahre Kunst” zur Handelsware zu erheben und auszupreisen? Gerade hier liegen Marketing und Werbung nahe an der Kunst, wie das Spekulativ, dass gerade zur Fußball-WM in Frankreich Erwin Wurms Merzedes, seine Hinterachse einladend hochhält, abwartend als ob etwas von Hinten-Oben kommt, während das Product-Placement der Marke modellmässig im Vordergrund funkelt. Das Hinterteil reibt sich an der Wand? Oder schiebt es den Wagen an die Wand, von einem unsichtbaren Zunami an die Wand gepresst? Inwieweit die Medien hier Aufklärung betreiben, kann man angesichts des Le Monde Diplomiatique Covers nur vermuten, zumal ja der Brexit-Artikel um Labour-Strategien, von Wurms Merzedes beinahe überschattet wird. Steht nun der deutsche Automobilkonzern mit dem Rücken zur Wand oder geniest er gerade diese nahezu eu-erotische Raumenge? Josef Wurm ist mir da mit seiner verstörenden Kapitalismuskritik näher an der Thematik. Die Marke spielt hier über die Malerei ein anderes Rollenspiel und gibt den Archetypen eine grössere Ordnung. Josef Wurm bringt Turbokapitalismus und die dahinter liegenden Schweinereien künstlerisch besser auf den Punkt, als die marketingtechnisch perfekte Inszenierung einer Gurke seines Namenskollegen. Erwin Wurms Krümmungsradius des Gurkerl trägt natürlich die ganze EU-Verordnungswut und deren Kritik in sich, nur ob der Aufstand der Gurken die Sinnfrage der EU-Verordnungen treffend über den Verkaufsweg löst ..? Man wird den Eindruck nicht los, dass gerade über den Preis, der Preis hochgehalten wird. Die Hinterachse noch immer begierlich nach oben getreckt, wie ein Spekulativ an das teuerste Gemälde der Welt, Picassos “Frauen von Algier”, das mit einem anderen Zeiteros arbeitet. Die wenigsten der KünstlerInnen haben auch nur über den Traum hinaus die Möglichkeit von ihrer Kunst überhaupt leben zu können. Wie weit die Kunst einen gewissen “Geilheitsgrad” erzielen muss, überlasse ich den Marktgestaltern und ihrer eigenen spekulativen Contemporary-Definition. Um die Sonnwende sind die Gastgärten wieder gefüllt, und auffallend viel Kunst arbeitet sich durch diese Freizonen. Hier geht es um die öffentliche Symbiose, das Überleben und Zusammenleben von gastronomischen Gesamtkonzepten und hochfrequentierten Ausstellungsflächen. Für manche galleriegewohnte Kunstrezipienten mag das nach Behübschung oder Deko klingen; aber es ist weit mehr – und soll es auch sein. Manche Innenhofsituation, wie jene des Capperi in der Mariahilferstrasse bieten sich geradezu dafür an. Erst unlängst war hier ein Licht-Fensterzyklus von Url-Art zu sehen, der aus der Straßenszene “Monmatre” hervorgegangen war. Die offene Szene um das Kunsthaus hin ist und war lebendig. Ihre Entwicklung ist frei geblieben. Kunst im Gastgarten und im eigens dafür definierten Kellerraum wird gerade im Blendend in weiterer Folge des Lendwirbels betrieben, wo der Art - X Künstler Georg Dienstl gerade mehrere Zyklen ausstellt. Auch die Bargestalltung im Blendend von Phillip Strohmaier ist bildhaftes Zeugnis von Pub-Art. Es gilt gerade diese Raumerweiterungen anzuerkennen, auch wenn sie dem Kunstbetrieb und Kunstmarkt nicht angedockt erscheinen. Sie geben der unabhängigen Szene doch die Möglichkeit über die Pubculture ihre eigensten Wegstrecken zu gehen. Dort drehen sich die klassischen Gallerienricht – und Prozentsätze um. Der Hausherr, Wirt oder Gast kann dabei käuflich erwerben und seinen erwirtschafteten Gewinn kunstfördernd einsetzen. Künstler die verkaufen oder sich öffentlich einbringen, sind wie ihre Förderer besser gelaunt als unsichtbar gehaltene oder verdrängte Positionen. Die “erste Liga der Kunst” kann sich gegenwärtig rasch in derselben verlängerten Straße an eben diese Liga andocken, um zum Reflektor der Anderen zu werden. So kann man öffentlich und halböffentlich durch die Stadt flanieren, zu einem Zeitpunkt wo die europäische Idee in Gefahr gerät. Wenn eine Masse von Alten für den Brexit stimmte und Pubculture offensichtlich in einer Grüne Meile startete, so muss man gerade der Grünen Kulturinitiative und der Grünen Bewegung hierfür wie dem Miles dankbar sein. Nicht Preis oder Medienrummel, wie bei Ai Weiweis Präsentation von 12 chinesischen Tierkreiszeichen im Belvedere, werden die Kunst der Zukunft bestimmen. Lügen und Plöffs der Zeit werden ebenso enttarnt werden müssen, wie die Positionen der Kunstschaffenden. Die Ligen spielen dabei weniger marketingtechnisch Rolle als wir ursprünglich vermuteten. Und es ist keine Kunst, Kunst auszugrenzen.
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© Bildrechte: Georg Dienstl...
[Kolumne/n.nagy/22.07.2016]
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