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Spiel und die Welt
Die Ausstellung “Die Welt im Spiel” zeugt von Spiellandschaften im GrazMuseum. “Wer ist nicht mit dem Finger über die Landkarten gereist, vom Tisch aus zu ganzen Kontinenten gelangt”, steht da zielführend am Flyer aus einer einer anderen Zeit – einem kollonialgeprägten Europa an der Grenze des 20 Jahrhunderts. Heute wirken diese historisch erweiterten Spielfelder nahezu nostalgisch fremd oder mit den Worten eines Fremden zu sprechen “altmodisch.” Gesellschafts-spiele spiegeln immer ihre Zeit, und diese hier war offensichtlich vom 19. Jahrhundert heraus geprägt , die sich nun über zumeist Würfelspiele in eine Gegenwart aufmacht. 1938, gerade zeitgerecht vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten in den Niederlanden, wurde vom Autor Johan Huizinga der Klassiker “Homo Ludens”, vom Ursprung der Kultur im Spiel, veröffentlicht. Darin werden dem Denker (homo sapiens) und dem tätigen Menschen (homo faber), der Mensch als Spieler (homo ludens) gegenübergestellt. Ohne Spiel hätten sich ganze Bereiche der menschlichen Kultur nicht entwickelt. Und aus dieser Zeit heraus stellt sich die Frage, wie spielerisch offen agiert eine Gesellschaft heute; wie spielerisch-freigeistig steht die Zeit den Anforderungsprofilen der Gegenwart gegenüber. Flucht ist kein Spiel, obwohl manche Flucht-punkte und Stationen mit einer dramatischen Struktur des Seins und einer scheinbaren Zufällig- keit oder Würfelglück zu tun haben. Mit Entdeckerreisespielen hat das wenig zu tun, obwohl trotz Google Earth noch immer weiße Flecken die Routen beherrschen. Da geht es um Spielzüge des Überlebens und Weiterkommens trotz widrigster Umstände. Trotz aller Verhinderungstendenzen politischer Prägung könnte man annehmen, die Deklaration der Menschenrechte 1948 sei weder geschrieben noch ratifiziert worden – alles 10 Jahre nachdem “Homo Ludens” erstveröffentlicht wurde. Das Amnesty International in London gegründet wurde, ist historisch bekannt, ebenso dass der Labour-Politiker und Menschenrechtsanwalt Sadiq Kahn seit Mai 2016 den Londoner Bürgermeister stellt. Nicht, dass ich nun einen muslimischen Bürgermeister mit pakistanischen Wurzeln als Bürgermeister von Oberwart vorschlagen möchte, aber gerade in die Versuchung einer totalitären Abwehrhaltung hinein ist dieses demokratische Spiel mit Grenzen erwünscht. Es geht weiter darum, die Welt spielerisch zu entdecken, und nicht in Igelmentalitäten zu verharren. Und das in beide Richtungen . Der Menschenrechtler Khan, mit pakistanischen Migrations-hintergrund konnte demokratisch eine absolute Mehrheit erreichen und setzt so eines der Zeichen für die Welt - eine Kultur des Miteinanders anzustreben. Gerade hier liegt Entwicklungs- und nicht Ausschließlichkeitspotential. Da geht es nicht mehr darum, religiös motivierte fundamentale Hintergründe aufzudecken, sondern um eine schlussendliche Kultur des Miteinander – diese darf demokratisch-spielerisch gestaltet werden. Aber in politischen Strukturen wird selten lustvoll-spielerisch agiert und so scheinen die Spielräume und Spielplätze von eher beschränkter Natur. Das “Kasperl”, wie R. Lugner das unlängst im Wahlkampf bekundete, sei da zu wenig ... Im zweiten Stock des GrazMuseum leben Italo Calvinos “Unsichtbare Städte” wieder auf und ein friedfertiger Marco Polo ergreift die Gelegenheit sich dem Kublai Khan zu erklären. Menschen wie Völker wandern. Das ist eine Tatsache. Ebenso wie die vielen tausende Versatzstücke an “Fremden Kulturgütern” die Venedig schließlich ausmachen. “Zusammengestohlen”, sagte mir die Stimme eines Reisebegleiters an einer der Säulen des Markusdoms. Wie unsichtbar muss eine Stadt werden, um aus ihrer Versunkenheit wieder aufzuerstehen? Diese Frage wollte ich dem Spieleentwickler und Künstler Werner Bäumler, Laurin, stellen, der gerade in Radebeul bei Dresden eine Ausstellung eröffnet hat. Laurin hat das schwarz-weiße Schachspiel in die dritte Dimension übersetzt und spricht von der Rückgabe des Schachs an den menschlichen Geist. Ebenso hat er ein drei-dimensionales GO-Spiel entwickelt – auch keine europäische Erfindung. Beide Spiele haben asiatischen Ursprung . Wir neigen gerade, nicht unmittelbar lustvoll spielerisch, zu einer polarisierten Sichtweise; eine Sichtweise, die sich in der Bundespräsidentenwahl niedergeschlagen hat, und Stadt - Land auseinander dividiert und radikalisiert. “Bürger! Lasst nicht zu, dass das geistige und intellektuelle Klima in unserem Land weiterhin durch rechtsradikale Ideologie vergiftet wird, “ steht an der Kunstakademie in Dresden angeschlagen, während hinter der Luther-Statue vor der Frauenkriche, die Friedensbotschaft aus der Bergpredigt 499 Jahre nach dem Thesenanschlag gleich die halbe Fassade ausmacht: “Selig sind, die Frieden stiften.” Gerade dadurch wird der kreativ-spielerische Mensch herausgefordert sich klar und deutlich zu positionieren. Mit der Fußball - EM hat das wenig zu tun, zumal ja gerade diesbezüglich das Spiel wiederum eine nationale Positionierung und Prägung erfährt. Hier geht es eher um den Massenevent, als um eine individuell spielerische Weiterentwicklung und eine Metamorphose in eine neue Dimension. Fußball in seiner erweiterten Dimension könnte das durchaus und schafft somit erweiterte Formen des Zusammenspielens – dies auch im sozial-ethnologischen Bereich. Fußball, Football wie Rugby sind Massen- und Machtphänomene von Bewegungen und Haltungen geworden. Dabei verlagert sich alles auf das Spielfeld, stellvertretend für den Kampf der Städte, Länder und Kontinente und ihre sozialen Gefälle. Dahinter spielen Wettbüros, Talentescouts und Rechte-zocker. Das Spielfeld und seine Spieler treten in eine Stellvertreterfunktion. Public Viewing, Brot und Spiele, für die Massen treten unter die missmutigen Augen der Fremden und Radikalen, die diese Spiele konsumieren und zugleich stören wollen. Das dann gerade im Vorfeld der EM in Frankreich terroristische Aktivitäten aus der französischen rechts-nationalen Ecke heraus sichtbar werden, gibt einem dabei mehr als zu denken. Dabei steht der Schutzgedanke der Spiele im Raum und über dem Spielfeld. Vor einem Menschenrechtler wie Sadiq Kahn muss man dabei wenig Furcht haben, ebenso vor der Frau Khan, die in Oberwart ein kleines Lebensmittel-geschäft betreibt und ihre drei Kinder nach besten Gewissen ernährt. Das der Großkhan nach wie vor beraten sein will, scheint global- und entwicklungspolitisch nach wie vor klar. Aber das ist eine andere außenpolitische Spielwiese. Und ich neige ja fast wieder dazu, mich mit dem Chemnitzer Sachsen Karl May und dem Grazer Filmautor Carl Mayer spielerisch-lustvoll auf das Fremde einzulassen, nicht um im Indianerkostüm oder unter dem Turban zu enden, sondern um eine Blutverwandtschaft der Menschlichkeit festzustellen oder gar einen Spielfilm oder ein Planspiel zu wagen – spielerisch, dem 21. Jahrhundert zeitgemäß. Das allein wird ein künstlerisch-spielerischer Akt für sich. Spielerisch, wie der Ali-Shuffle, tänzerisch und hoffentlich leichtfüßig - Schritt für Schritt, Zug um Zug. Ohne Kampf und Knock Out, ohne Glücksspielgesetz und doch im ethischen Sinne beweglich. Das Spielen verändert die Geistlandschaften.
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© Bildrechte: Michael Pollak 4.0 International (CC BY 4.0)
Originalbild: www.flickr.com/photos/michaelpollak/15384996344/in/photolist-prw8pE-7ihuCP-mYy3KT-e87TVU-76UJhd-6yzdmQ-72xxRU-GTjXe-74M9oh-pd9LmU-7faU5N-6Vzrtw-74Hgf4-74He3v-4DtgxE-6XfYHa-74HedH-9xxMKV-6yu35v-74M8q5-74M87Y-bB2pXy-9DfJPb-EMAXP-7z5sTJ-74HeZ8-7pPeU-mYyB2C-8RzANg-fjwg4T-74M7as-74Majq-eoAvKd-m58oMP-5uBGzW-6bVzxW-b83kMr-7sLjbF-74M7rh-fD33Lg-e68QgE-74M94C-fhi3VJ-azhBxj-m7Cgi2-bPCPYk-etFP7e-cAWYG9-4AY7kU-f4FjMR
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[Kolumne/n.nagy/21.06.2016]
Kolumne/n.nagy
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05.10.2017 Who can it be NOW?
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31.07.2017 Konzentriert Euch
20.07.2017 Kunst: eine Verantwortung
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17.05.2017 Salz im Tanz
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08.08.2016 Micro Galleries
22.07.2016 Pubculture
21.06.2016 Spiel und die Welt
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25.04.2016 Spielfelder
04.03.2016 WE COME AS FRIENDS
26.02.2016 Sound the beast
09.02.2016 Free China
13.12.2015 Happy?
10.11.2015 SPIELFELD
16.10.2015 Mein K(r)ampf
14.10.2015 Die Revolution frisst - Vereine die gerne AGs wären
13.07.2015 Der Fremde
10.06.2015 Vagabunden
20.03.2015 An-Statt-TV-Land
20.02.2015 FPF Filmpionier Bernhard Frankfurter
28.01.2015 Zabriskie Point: davor und danach
12.12.2014 Xmas3
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20.10.2014 herbstpartie-y
23.09.2014 Dort – wo uns die Sprache erfindet
27.08.2014 Zukunft war gerade – und jetzt!
06.06.2014 Ein Sonntag im Mai
29.04.2014 Damals - Zeiten der Unruhe
24.03.2014 Krieg - Art
14.02.2014 Cooperale
11.11.2013 Straßennarben
10.10.2013 Das blaue Wunder - eine Brücke
05.09.2013 Belämmert mich - nicht.
05.08.2013 Take Care – cam me free
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03.06.2013 Über Kinder der Iris
13.05.2013 Grundlagen. Wer lehrte die Biene?
27.03.2013 Venedig
08.03.2013 HAARP - Harfenspieler
29.01.2013 Keine Angst
06.12.2012 Der Hofer wars ...
29.11.2012 Sieben
08.10.2012 Flashmobbing
07.09.2012 Club-Subculture again
02.08.2012 Keplerkoje - Gnadenlose Flut
25.07.2012 Zuviel Hitze
02.07.2012 Erdbeweger
18.05.2012 LEND WIRBELT
10.04.2012 Sturm - Kratzer am Meer
27.03.2012 Aufruf des Erinnerns (Iden des März)
16.02.2012 2nd Floor - stadtmuseum
23.01.2012 Neue Heimat
04.01.2012 Das verborgene Museum
29.11.2011 Bleibt Papier geduldig?
03.11.2011 Macht Platz
19.09.2011 Much too Much . Zuviel ist Zuviel
02.08.2011 Gries-Gardening
18.07.2011 Eine „Annen4elfolge“
29.06.2011 Arbeit macht über die Freiheit der Kunst freier
26.04.2011 ...oder dem Tanz das Töten verging
22.02.2011 3-25 ist -23
10.01.2011 Minus 18-25
06.12.2010 United - und eine Diagonale
12.10.2010 “Better Together”
24.08.2010 Smok-ie
27.07.2010 Grauschleier „Sport und Brötchen statt Drogen“
07.07.2010 Urbanes Verhandeln
31.05.2010 Es gilt die Unschuldsvermutung
30.03.2010 Black is Black
02.03.2010 Alles Schweigen - Shining: Ein Schubhaftgefängnis - Lager - in Vordernberg?
02.02.2010 "Jojo"
14.01.2010 Hotel §5 MRK
15.12.2009 Theater der Unterdrückten - das Weltforum-Theaterfestival aus Graz
15.11.2009 Schatz des Arif
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30.09.2009 Hanedke
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08.08.2009 Parkland
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05.05.2009 Einmal Arbeit genügt.
14.04.2009 Akademie Ortlos
09.03.2009 Frühlingsverfolgen
02.12.2008 Transkaukasische U-Boote
08.10.2008 Shanti-Kunstsitzen
12.09.2008 BECAUSE
10.07.2008 REGIONAL (e)
27.06.2008 Frühsommerspiele
08.04.2008 Nico will es wissen
05.03.2008 Alles Schall und Rauch
05.03.2008 Die üblichen Verdächtigen
23.02.2007 Über fall?
05.07.2006 Bürgerwehren, Bettler und Fremde I
04.07.2005 Nicht jeder ist eine Minderheit?
13.06.2005 Gugi TV
31.03.2005 Frühlingserwachen
09.03.2005 Alles Lug ..?
25.02.2005 Frauen in die Küche – Keller unter Wasser
31.01.2005 „Melodie“
25.01.2005 Amen Dschijas
10.11.2004 Mr. President
05.10.2004 Zeit der Zigeuner Teil II
04.10.2004 Zeit der Zigeuner (1. Teil)
22.09.2004 Adieu Marius
14.09.2004 He romare!
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28.07.2004 GRAZ ERZÄHLT
21.07.2004 Aufgabe: „Alavitien“
24.06.2004 Wie du sagen „Kassa"
09.06.2004 Kindermusiker oder der Bürgermeister, der Pfarrer und die Diva